Aktuellstes Beispiel: Richard Liu, Chef des atemberaubend wachsenden chinesischen Onlinehändlers JD.com, bläst in einem Interview mit dem Handelsblatt vom 23. Juli zur Attacke auf Amazon, Zalando & Co.: „Bis zum Ende dieses Jahres werden wir eine konkrete Strategie zur Erschließung des Marktes in Europa auflegen.“ Und weiter: „Es geht nur noch darum, die Details zu klären. Aber unser Ziel ist klar.“
Der Angriff auf den E-Commerce ^
Nach Informationen des Handelsblattes steht „der Angriff auf den deutschen E-Commerce“ unmittelbar bevor. JD.com, die Nummer 2 auf dem chinesischen Markt, und Alibaba basteln aktuell am Aufbau der Logistik-Infrastruktur für einen Marktstart in Europa.
Überraschen dürfte das niemanden: Denn neben den Schlagzeilen über die Handelspolitik von Twitter-Trump beherrscht seit Monaten kein Thema die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse so eindringlich, wie der chinesische Durst nach europäischen Absatzwegen und deutschen Technologie-Know-How. Ob Anlagenbauer, Autohersteller oder Versorgungsunternehmen: die Einkäufer aus dem „Reich der Mitte“ stehen derzeit Schlange, oftmals bleiben die wahren Absichten im Verborgenen.
Auf die Hausgeräte-Branche wird der geplante Markteintritt der beiden Online-Giganten so oder so nicht ohne Folgen bleiben, so sehr mehr Wettbewerb zum Beinahe-Monopolisten Amazon (warum gibt es kein europäisches Äquivalent?) zu wünschen ist: Die (Absatz-) Kuchenstücke dürften kleiner werden, die Preise und Margen weiter in den Keller rauschen. Denn über die Warenverfügbarkeit müssen sich die Chinesen nun wirklich keine Gedanken machen: die meisten Produktionsstätten (auch deutscher A-Marken) liegen vor der Haustür, und Südkorea ist auch nicht aus der Welt.
Auf den Rekord-Sommer 2018 scheint also ein noch heißerer Tanz in 2019 zu folgen. Jens Heithecker, IFA-Direktor der Messe Berlin, sieht aber das Hochamt der Consumer Electronics schon heute bestens aufgestellt. Seine Botschaft beim IFA-Branchen-Kamingespräch Ende des vergangenen Jahres: Durch die Etablierung der Messe CE China, a global IFA Event, in Shenzhen konnten die Kontakte in China stark ausgebaut werden.
IFA? Für Alibaba & Co ein Muss ^
So habe in 2017 der CEO der chinesischen Handelskette Suning – das sind nicht weniger als 1.600 Geschäfte in über 700 Städten – mit großem Gefolge die IFA in Berlin besucht. Und auch zu den Giganten Alibaba und JD.com habe man beste Connections. Diese Verbindungen dürften sich in drei Wochen zur IFA in Berlin sicherlich noch signifikant intensivieren. Heitheckers Pfund: Die IFA ist die globalste CE-Messe weltweit! Und damit auch für die Einkäufer von Alibaba und JD.com ein unbedingtes Muss.
Doch bleibt es nur nach der Ausschau nach Ideen und Innovationen? Branchen-Kenner sind sich einig, dass ein erfolgreicher Eintritt in den deutschen Markt nur über eine größere Akquisition gelingen kann, um von einem gelernten Namen oder optimaler Infrastruktur zu profitieren. Eine einfache Reproduktion der chinesischen Erfolgsstory auf europäischem Boden werden jedenfalls wenig Chancen eingeräumt. Namen, die durch die Branche geistern, sind beispielsweise Zalando oder otto.de, aber auch ein Top-Logistiker wie DHL.
Auszuschließen ist das alles nicht. Auf die Frage des Handelsblattes, ob Übernahmen geplant seien, antwortete JD.com-Chef Richard Liu: „Ich kann nicht sagen, dass solche Pläne nicht auf dem Tisch liegen.“ Eine doppelte Verneinung ist ein Ja!
Neue Ökosysteme ^
Das Erfolgsrezept der beiden Online-Giganten aus China: Sie betreiben nicht einfach schlichten Handel, sie schaffen ganz neue Ökosysteme und Begehrlichkeiten. Alibaba verknüpft seine mega-erfolgreiche Shopping-Plattform mit einem eigenen Bezahldienst (Alipay), JD.com verbindet den E-Commerce mit dem sozialen Netzwerk WeChat, wenn man so will das Facebook Chinas. Der Vorteil: Man kann seinen Kunden höchst individuelle Angebote unterbreiten, weiß eben, wie sie ticken, wofür sie „brennen“.
Wie tickt mein Kunde? Das ist künftig mehr denn je der Schlüssel zum (Online-)Umsatz. MediaSaturn ist da schon sehr weit, die Einkaufskooperationen hecheln beim CRM noch ein wenig hinterher. Euronics hat das erkannt und hat sich – präsentiert auf der Summer Convention auf Mallorca vor einigen Wochen – auf den Weg gemacht, um die Händler für die Veränderungen der Zukunft zu mobilisieren und Zukunftsfelder zu verproben.
Wie tickt mein Kunde? ^
Für Vorstandssprecher Benedict Kober ist das CRM die nächste Generation des Cross-Channel-Retail (CCR). Das CRM soll für mehr Wertschöpfung sorgen, in dem man den Kunden ein personalisiertes Angebot machen kann. Jochen Mauch, Bereichsleiter Marketing & E-Commerce bei Euronics: „Kundenbeziehungen richtig zu managen bedeutet Wertschöpfung. Diesem Thema müssen wir alles andere unterordnen.“
Gegenüber der Stuttgarter Zeitung legte Kober jetzt Anfang August noch einmal nach: „Früher hieß es mal, bei 25 Prozent Umsatzanteil sei für den Onlinehandel Schluss. Das sagt heute keiner mehr.“ Denn: „Das Smartphone ist zur Universal-Fernbedienung des Lebens geworden. Ihm gehört die Zukunft – und das gilt auch im elektronischen Handel.“
Damit ist klar: Für deutsche Händler, insbesondere für die, die mit Produkten handeln, die kaum der Beratung bedürfen und bei denen der Preis das einzige Argument ist, dürften noch härtere Zeiten anbrechen. Vielleicht noch nicht zur IFA 2018, spätestens jedoch 2019, ein Jahr ohne EM, WM, Olympia oder royale Hochzeit …