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Ceconomy setzt sich auf Diät: Null-Nummer

Für die Aktionäre der Ceconomy AG war bereits der Vorabend zum 1. Mai ein Feier-Tag. Um fast 12 % sprang der Aktienkurs der Muttergesellschaft von MediaMarkt und Saturn am vergangenen Dienstag schwindelerregend in die Höhe. Kein Kunststück, wenn man aus dem tiefen Tal der Tränen – der Kurs rauschte im Horror-Jahr 2018 mit drei kassierten Gewinnprognosen um rund 70 % in den Keller – kommt. Kein Kunststück auch, wenn in den kommenden Wochen und Monaten massiv verschlankt, gekürzt und gespart wird, nein: werden muss!

Die eilig einberufene Presse-Telefonkonferenz am vergangenen Dienstag hatte nur eine Botschaft: Die Komplexität muss raus aus dem Ingolstädter Elektronikriesen. Beteiligungen werden beendet (Streamingdienst Juke) oder auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft (Plattform Flip4New), die European Retail Alliance, die der Einkaufsmacht der Internet-Giganten die Stirn bieten sollte, vorerst auf Eis gelegt. Ob sie jemals wieder auftaut?

Ein Flop, den kaum einer kennt: Streamingdienst Juke.
Ein Flop, den kaum einer kennt: Streamingdienst Juke.

Jetzt wird zentralisiert, wo es nur geht. Und das kostet – vor allem in der Hauptverwaltung in Ingolstadt – eine dreistellige Zahl an Arbeitsplätzen. 500 sagen einige Quellen, andere sprechen gar von 700 Arbeitsplätzen. Die Düsseldorfer Ceconomy-Zentrale hat das schon hinter sich: 30 der einst 90 Arbeitsplätze wurden rasiert. Shareholder hören solche Botschaften gerne.

„Wir werden unsere Ertragskraft deutlich stärken“, Karin Sonnenmoser, CFO Ceconomy.
„Wir werden unsere Ertragskraft deutlich stärken“, Karin Sonnenmoser, CFO Ceconomy.

Kein Spirit. Keine Vision. ^

Branchen-Experten und die Redaktion von infoboard.de lässt die Telefonkonferenz vom vergangenen Dienstag eher ratlos zurück. Da hat das neue Ceconomy-Führungsduo Jörn Werner (CEO) und Karin Sonnenmoser (CFO), sekundiert vom MediaMarktSaturn CEO Ferran Reverter, seinen ersten großen Auftritt, mithin die Chance auf einen Neuanfang, dem, so schmerzhaft die Einschnitte auch sein mögen, immer ein Zauber und ein Feuer innewohnt. Heraus gekommen ist ein seltsam grau anmutendes Grundseminar in Betriebswirtschaftslehre. Nirgendwo Spirit, keine Leidenschaft, keine Visionen, kein Zukunftsprogramm – stattdessen ein reines Kostensenkungsprogramm im – wenn man so will – „Back Office“ des Konzerns.

Entscheidend ist aber auch auf dem Platz, am Point of Sale: Eine Strategie für die Zukunft? Wie geht es in den Märkten und auf den Großflächen, die im Zuge der digitalen Transformationen wie tonnenschwere Mühlsteine um den Hals hängen, weiter? Bleiben alle Märkte bestehen? Was kommt Online, was passiert Offline? Vier grundlegende Fragen, die sich nicht nur der Handel und die Industrie stellen. Die Antwort: Null – und das ist aufgerundet.

Plattitüden & Floskeln ^

Stattdessen Plattitüden und Floskeln und eine gewaltige Portion an Euphemismus („herausforderndes Geschäftsjahr“, „Anpassungen“), an dem jedes Phrasenschwein seine hellste Freude hätte. Beispiele gab es genug: „Wir müssen jetzt vom Reden ins handeln kommen“, „Wir müssen Prozesse verschlanken, schnellere Entscheidungen ermöglichen und Kosten senken.“, „Wir straffen Prozesse, konsolidieren Funktionen und überprüfen unsere Venture-Aktivitäten“, Wir bringen die Grundlagen in Ordnung und schaffen die Basis für eine nachhaltig profitable Zukunft“ oder „Wir transformieren unser Geschäftsmodell und heben die versprochenen Potenziale“. Wer so redet und agiert, dem muss das Wasser wirklich bis zum Hals stehen.

Das Gros der dreistelligen Stellenstreichungen trifft die Hauptverwaltung in Ingolstadt.
Das Gros der dreistelligen Stellenstreichungen trifft die Hauptverwaltung in Ingolstadt.

Der Kunde im Mittelpunkt des Handels? Genial! ^

Es geht noch schlimmer: „Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt unseres Handelns.“ Unabhängig davon, dass dies – von den Einkaufskooperationen und Verbundgruppen bis hin zur Industrie – der wohl der am meisten strapazierteste Satz der vergangenen 15 Monate ist: Ja, was denn sonst??? Nur mit dem Unterschied, dass das bei den anderen Marktteilnehmern ganz anders klingt. Bei einem Benedict Kober von Euronics spürt man die Leidenschaft für die Branche mit jedem Atemzug, beim ElectronicPartner-Duo Friedrich Sobol / Karl Trautmann kommt österreichischem Schmäh, leise Ironie und Wortwitz hinzu.

Point of Emotion? Hier nicht. ^

Aus Ingolstadt indes kam eine Dreiviertelstunde lediglich nüchternes Controlling durch die Leitung. Nix mit Emotion am viel zitierten „Point of Emotion“. Dabei weiß doch beinahe jeder BWL-Student, dass man ein Unternehmen nicht allein mit Kostensenkungen alleine sanieren kann. Hinzu kommt: Beim Thema Personalabbau: meistens gehen die Falschen (freiwillig).

Hinein also ins BWL-Seminar: „Ceconomy und MediaMarktSaturn treiben Transformation voran und straffen Strukturen“, ist die Pressemeldung vom Anfang vergangener Woche überschrieben. Bedeutet unter anderem, dass die jährlichen Sach- und Personalkosten um 110 bis 130 Millionen Euro reduziert, die Zentral- und Verwaltungseinheiten reorganisiert werden sollen. In einem ersten Schritt wurde ein Effizienzprogramm aufgesetzt, das dazu dienen soll, Prozesse und Strukturen in der gesamten Organisation zu straffen und die Kosten zu optimieren. „Wir reduzieren die Komplexität und definieren eindeutige Verantwortlichkeiten. So können wir uns stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Kunden konzentrieren und legen den Grundstein, um in Zukunft nachhaltig und profitabel wachsen zu können“, so CEO Jörn Werner.

Einsparungen, die kosten … ^

Die Einsparungen der jährlichen Sach- und Personalkosten um 110 bis 130 Mio. Euro sollen ab dem Geschäftsjahr 2020/21 voll wirksam werden. Zur Umsetzung des Programms werden im laufenden Geschäftsjahr 2018/19 voraussichtlich Kosten in Höhe von rund 150 bis 170 Mio. Euro anfallen. Die Prognose für das Geschäftsjahr 2018/19, die vor Portfolioveränderungen sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit der Neuausrichtung von Strukturen und Geschäftsprozessen in Verwaltungs- und Zentraleinheiten erfolgte, bleibt unverändert. „Aufgrund der erheblichen Einsparungen gehen wir davon aus, dass sich die Aufwendungen für das Programm in weniger als eineinhalb Jahren vollständig amortisiert haben“, sagte CFO Karin Sonnenmoser.

Und was macht Ferran Reverter, der neue CEO von MediaMarktSaturn? Wenn es stimmt, was in manchen Medien kolportiert wird, wollte der Spanier die Premium-Marke Jura konzernweit auslisten, wohl, weil die Schweizer nicht in die Niederlande liefern. Zumindest für den deutschen Markt wäre dies ein schlichtweg undenkbares Unterfangen, dass auch genauso schnell ad acta gelegt wurde. Zu wissen, wie der Heimatmarkt eines Unternehmens tickt, ist ein unschätzbarer Vorteil. Wo dies nicht der Fall ist, kann es schnell den Bach hinuntergehen, insbesondere Kaufhausketten und Brauereien wissen davon ein Lied zu singen.

Saturn bleibt als Marke bestehen.
Saturn bleibt als Marke bestehen.

Fokussierter agieren ^

Reverter ist sich sicher: „Mit der Reorganisation werden wir viel schneller, agiler und fokussierter agieren und unsere Aktivitäten konsequent auf die besonders zukunftsträchtigen Felder ‚Digitales Wachstum‘, ‚Services & Solutions‘ sowie ‚Category & Supply Chain Management‘ ausrichten. So schaffen wir die Grundlage, um unser operatives Geschäft zu stärken und gezielt weiterentwickeln zu können.“

Das Kosten- und Effizienzprogramm ist in zwei Säulen gegliedert: Die erste Säule bündelt alle Projekte zur Reorganisation der Zentral- und Verwaltungseinheiten der Holdinggesellschaften von Ceconomy, MediaMarktSaturn und der deutschen Landesorganisation. Bei MediaMarktSaturn werden zudem Aufgaben von Märkten und von Landesorganisationen in die Ingolstädter Holding verlagert und dort zusammengeführt. Die in der Tochtergesellschaft Redblue gebündelten Marketingaktivitäten werden strategisch neu ausgerichtet. Im Zuge der Umsetzung dieser Maßnahmen wird auch der Vorstand verkleinert. Dr. Dieter Haag Molkenteller, bislang verantwortlich für Recht, Compliance und Risikomanagement, scheidet zum 31. Mai aus dem Gremium aus.

In der zweiten Säule werden vor dem Hintergrund der stärkeren strategischen Fokussierung verschiedene Optionen für einzelne operative Einheiten von Ceconomy und MediaMarktSaturn geprüft. Dazu gehören die Liveshopping-Plattform iBood und die Beteiligung von MediaMarktSaturn an der Re-Commerce Plattform Flip4New. Das Geschäft der Retail Media Group zur Vermarktung von Kundendaten wird beendet. Das Kosten- und Effizienzprogramm soll in den nächsten 18 Monaten umgesetzt werden und bis Ende des Geschäftsjahres 2019/20 abgeschlossen sein.

Liegt auf Eis: die European Retail Alliance.
Liegt auf Eis: die European Retail Alliance.

Wie geht’s weiter? ^

Absolut im Dunklen bleibt dabei zunächst einmal, wie es nach den Aufräumarbeiten bei MediaMarkt und Saturn weitergehen soll. Auch wenn eine Bestandsgarantie für Saturn auf dem deutschen Markt abgegeben wurde: Sinn macht das nicht wirklich! Warum muss es zwei Marken unter einem Dach geben, wenn die Produkte überall gleich sind, nur die Werbung halt ein wenig anders anmutet. Vielleicht werden ja doch die Kaufhaus-Dinos Karstadt und Kaufhof zur Blaupause für MediaMarkt und Saturn. Von den sattsam bekannten und (viel zu) häufig verwendeten Schlagworten wie Agilität, Kundenzentrierung und Zentralisierung einmal abgesehen, blieb die künftige Strategie (bewusst?) vernebelt. Und so war gerade das, was nicht gesagt wurde, viel erhellender …

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