Samsung, Philips, unglaubliche 14 Jahre bei De’Longhi und seit einiger Zeit in beratender Funktion bei Graef: Kaum einer kennt die SDA-Branche besser als Helmut Geltner – der ideale Gesprächspartner zum infoboard.de-Jubiläum.
Über Marktrends und Verbraucherwünsche, wie sich der Handel in Zukunft aufstellen sollte und seine Freundschaft zu Giuseppe De’Longhi.
Ich bin mir sicher die Antwort zu kennen, als guter Gastgeber dennoch die Frage: Tee oder Kaffee?
Die Antwort wird Sie ganz sicher kaum überraschen: Ich bevorzuge Kaffee.
Wie trinken Sie Kaffee am liebsten?
Unter der Woche trinke ich am liebsten ein paar starke Espressi über den Tag verteilt. Am Wochenende gönne ich mir zum Frühstück schon mal einen Cappuccino.
Und dazu ein stilles Mineralwasser, wenn ich richtig informiert bin …
Natürlich, ein stilles, gekühltes Mineralwasser gehört für mich zu jedem Kaffee fest dazu.
Früher haben Sie das „Hohe Lied“ auf die Vollautomaten gesungen. Mit Blick auf Ihren heutigen Beratungskunden: Warum landen Kaffeekenner immer öfter beim Siebträger?
Daran lässt sich ein klarer Trend ablesen: Die Menschen sehnen sich heute nach echten, ehrlichen Produkten, mit denen sie ihrer Individualität Ausdruck verleihen können. Und dazu zählt eben auch authentischer Kaffeegenuss, bei dem man selbst noch Hand anlegt und der schmeckt, wie vom Barista persönlich gemacht.
Geschmacklich ist sowas einzigartig. Aber natürlich hat auch der Kaffee aus einem qualitativ hochwertigen Vollautomaten immer seine Berechtigung, vor allem da er etwas mehr Convenience bietet und der Kaffee sich meistens schneller zubereiten lässt – zumindest, wenn der Vollautomat rasch aufwärmt und alle Fächer und Tanks gut befüllt sind.
Samsung, Philips, unglaubliche 14 Jahre bei De’Longhi und jetzt auch schon einige Jahre in beratender Funktion bei Graef. Sie sind eine treue Seele …
Das kann man sicherlich so sagen. Ich habe immer auf Kontinuität gesetzt, im Privatleben wie im Beruf. Ich war nie ein Mensch, der den schnellen Mammon angestrebt habt, sondern eher auf langfristige Erfolgsstrategien setzt, die Firmen strategisch und möglichst dauerhaft nach vorne bringen.
Gab es bei Ihrer Berufswahl je einen Plan-B?
Nein, den gab es nie. Ich habe 1978 im Außendienst bei Nordmende angefangen und war sofort von der Branche fasziniert. Ich habe einfach Consumer Electronics im Blut und bin bis heute sehr zufrieden damit.
Was waren für Sie die herausragenden Ereignisse und Entwicklungen in der vergangenen Dekade?
Ich glaube, die wichtigste Erkenntnis ist: Der Markt verändert sich permanent. Es gibt einen stetigen Wandel in der Technologie und auch in der Handelslandschaft. Deshalb muss man als Manager, aber auch als Company in der Branche immer flexibel und veränderungsbereit sein und Trends genau beobachten.
Vor vielen Jahren haben beispielsweise erst die großen Elektroketten den Markt total verändert, dann kam der große Wandel in Richtung Online-Business. Wer in solchen disruptiven Situationen nicht up-to-date ist oder nicht neu denken kann, der fällt schnell zurück. Dafür hat man ja auch das eine oder andere Beispiel gesehen in den letzten Jahren.
Aktuell ziehen nun immer mehr smarte Produkte in unseren Alltag ein. Das empfinden manche noch als Hype, doch meines Erachtens setzen sich technologische Innovationen mit hohem Nutzwert immer am Markt durch. Manchmal dauert es halt nur ein wenig.
Ihr Nachname endet zwar nicht auf De’Longhi, aber fast. Binnen weniger Jahre schmiedeten Sie die Deutschland-Dependance des italienischen Konzerns zur mit Abstand erfolgreichsten Tochter weltweit. Und innerhalb von 14 Jahren steigerten Sie mit Ihrer Mannschaft den Jahresumsatz in Deutschland von rund 11 Mio. EUR auf 226 Mio. EUR im Jahr 2014. Zugespitzt: Den Jahresumsatz von 2001 erreichte De’Longhi 2014 binnen zwei Wochen. Was war das Erfolgsgeheimnis?
De’Longhi ist ein internationaler Konzern, aber am Ende werden Geschäfte doch immer zwischen Menschen gemacht. Ich habe den Unternehmer Giuseppe De’Longhi immer bewundert, der mit visionärer Kraft das Unternehmen zu dem gemacht hat, was es heute ist. Mit ihm hatte ich immer einen sehr guten, direkten Draht und wir haben äußerst produktiv zusammengearbeitet. Auch bis heute verbindet uns gegenseitiger Respekt und eine echte Freundschaft.
Ansonsten hat der Erfolg nichts Geheimnisvolles, sondern war einfach der Lohn solider und effizienter Arbeit und einer konsequenten strategischen Ausrichtung. Wir haben uns zu meiner Zeit bei De‘Longhi immer auf die Kernsegmente fokussiert, in denen wir marktführend waren oder eine gute Chance darauf hatten. Mit starker Werbestrategie – viele Jahre standen wir für 60 % der Werbeaufwendungen im gesamten Kaffeemarkt – haben wir uns aggressiv am Markt positioniert.
Zudem hatten wir immer ein sehr offenes Auge für Trends, Features und Verbraucherwünsche und waren dem Wettbewerb damit oft einen Schritt voraus. Und ganz wichtig waren uns immer exzellente Beziehungen zum Fachhandel. Das war die Basis des Erfolgs.
Was ist die DNA von Helmut Geltner?
Ich sehe mich als grundehrlich, ausdauernd, fleißig, voll engagiert und mit einem gewissen Ehrgeiz ausgestattet. Ich bin ein verlässlicher Partner, ziehe nie Menschen über den Tisch und denke immer langfristig. Ich will Geschäftspartnern auch nach ein paar Jahren noch in die Augen schauen können. Deshalb habe ich auch ein sehr konstantes Netzwerk. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht auch eisenhart verhandeln kann. Ich glaube, diese Tatsache würde mancher meiner langjährigen Weggefährten ergänzen wollen.
Wie charakterisieren Sie Ihre Freunde?
Ich denke, ich gelte als verlässlich, verbindlich und loyal. Mit Oberflächlichkeit, Schwadronieren, Angeberei oder bloßem schönen Schein habe ich dagegen nichts am Hut. Und dass ich gerne und viel arbeite, das haben all meine Freunde auch schon gelernt.
Was würden Sie von den Mitbewerbern am liebsten über sich hören?
Oh, ich bin nicht so vermessen, mir einzubilden, dass die Mitbewerber über mich persönlich sprechen. Erfolg ist ja immer eine Teamgeschichte. Was mich aber freuen würde, wenn sie sagen, dass ich an meinen jeweiligen Arbeitsstätten immer Tempo gemacht und die Unternehmen ein Stück vorangebracht habe.
Womit beginnt heute Ihr Arbeitstag und wann?
Mein Arbeitstag beginnt eigentlich immer gleich: Mit einem gesunden Müsli und einem leckeren Kaffee gegen acht Uhr morgens.
Und wie geht es dann weiter?
Ich sitze weniger am Schreibtisch als früher, bin viel unterwegs und eigentlich immer am Telefon oder Laptop. Ich versuche, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben und die Markttreiber von morgen zu identifizieren. Vor allem in den Bereichen Design und Technologie und gerade auch international, zum Beispiel in China und den USA, woher die meisten neuen Trends stammen. Und wenn ich zwischendurch Zeitpotenzial habe, versuche ich es für Netzwerkpflege zu nutzen.
Was macht Ihren Erfolg bis heute aus? Sicher ein gutes Gespür für Marktrends und Verbraucherwünsche – aber das reicht ja noch nicht aus …
Nein, aber das ist ein essentieller Teil, genau wie Veränderungsbereitschaft und Flexibilität. Ich habe mich immer als einen sehr analytischen Manager betrachtet, der mit seiner Liebe zu Zahlen und Fakten sowie deren genauer Interpretation manch einen zur Weißglut gebracht hat. Und dennoch geht es am Ende um eins: Den Kunden mit Emotionen für den Kauf von Produkten zu begeistern. Da hat mir mein Marketing-Background und auch mein Bauchgefühl für manche Marktentwicklungen oft sehr geholfen.
Ob Graef oder De’Longhi: Beide Unternehmen kommunizieren den Genuss …
Genuss bedeutet für mich, sich Zeit für die schönen Dinge im Leben nehmen. Also eine bewusste, gesunde Ernährung mit leckerem Kaffee, nachhaltigem Essen, ohne Junkfood. Abends auch gerne mal ein Glas guter Wein. Und in den letzten Jahren habe ich entdeckt, wie viel mehr Geschmack und Haltbarkeit in am Stück gekauften Lebensmitteln steckt, die man sich dann frisch zubereitet. Außerdem entlastet man so die Umwelt von manch unnötigem Plastikmüll, das ist für mich – aber auch für eine wachsende Zahl an Konsumenten – ein wichtiges Argument.
Wie bauen Sie ein Markenimage auf? Da kann man ja viel verkehrt machen…
Da kann man sehr viel falsch machen. Eine Consumer Brand muss man langfristig aufbauen, das heißt, man benötigt die richtige Strategie für die anvisierte Zielgruppe. Der Markenkern und die wichtigsten Markenelemente müssen klar definiert und für alle nachvollziehbar sein.
Nächster Schritt ist die richtige Kommunikation auf den geeigneten Kanälen. Dies kann für jede Marke und für jedes Produkt anders aussehen, da gibt es keine standardisierte Lösung, sondern nur individuelle Überlegungen. Und wenn man es geschafft hat, ein Markenimage aufzubauen, dann geht die Arbeit erst richtig los.
Denn eine starke Marke will permanent gepflegt werden. Man darf sie nicht überdehnen, sondern muss immer auf Qualität im Produkt und Konsistenz in der Markenführung achten.
Auf Ihrer Website steht: „Die langjährige Managementerfahrung gestattet mir eine scharfe Analyse auch komplexer Marktzusammenhänge. Gleichzeitig werden durch raffinierte Perspektivwechsel aus grauen Entlein stolze Schwäne.“ Graef beispielsweise war nie ein graues Entlein, hatte immer schon reichlich Familienspirit. Und dennoch: Heute ist das Unternehmen ein stolzer Schwan. An welchen Stellschrauben haben Sie da mitgedreht?
Graef ist ein wirklich tolles Unternehmen: ein klassisches, langfristig orientiertes Familienunternehmen, das viel Wert auf nachhaltiges Wachstum und generationenübergreifende Unternehmensführung legt. Die Familien Graef und Schmidt sind mustergültige Unternehmer, bodenständig und sympathisch, aber zugleich innovativ und wachstumsorientiert. Das ist eine spannende Kombination.
Johanna und Franziska Graef sind ambitionierte und durchsetzungsfähige Managerinnen, die schon in jungen Jahren wissen, was sie wollen und klare Ziele haben. Hier bin ich in erster Linie als Berater und Coach tätig und helfe ihnen, sich breiter aufzustellen und die langfristige Strategie mitzuschärfen. Die Rollenverteilung in der Familie ist hervorragend, die Generationen arbeiten reibungslos und effizient zusammen.
Mein Einfluss auf den Erfolg der letzten Jahre beschränkt sich da sicherlich auf gewisse strategische Leitlinien, die wir gemeinsam eingezogen haben, um Kernprodukte und Wachstumsbereiche zu identifizieren. Und natürlich habe ich, nach 40 Jahren in der Branche, ein gutes Netzwerk, mit dem ich sicher die eine oder andere Tür für das Unternehmen geöffnet habe.
Was waren in den vergangenen Jahren die großen Themen der Branche?
Aus meiner Sicht das ganze Thema Online mit allen begleitenden Diskussionen wie Beratungsklau, Preisstabilität, digitale Markenpflege usw. Da ist schon eine disruptive Welle durch die Branche gerauscht, die immer noch nicht abgeebbt ist.
Welche Trends sehen Sie im Markt für Hausgeräte auf uns zukommen?
Ich denke, vernetzte Produkte werden sich weiter durchsetzen. Ansonsten konstatieren wir einen Trend hin zu hochwertigen Produkten, weg von billigen „Me-too“-Produkten. Die Verbraucher suchen authentische, reelle Produkte mit echten Storys, die ihnen hohe Qualität und ein gutes Lebensgefühl bieten.
Die Beratungsleistung wird wieder wichtiger, die Menschen suchen nach Wohlfühlatmosphäre beim Kauf von hochwertigen Produkten. Sie wollen persönliche Erlebnisse und ihr Geld mit gutem Gefühl ausgeben. Und das wird sich sicher nach Corona noch verstärken. Also mehr emotionale Erlebniszentren und spannende Markenwelten wie das „Graef Mundwerk“ und weniger Grabbeltisch beim Discounter. Ich erwarte, dass sich die Rückbesinnung auf Qualität fortsetzen wird.
Und der Kaffeedurst ist immer noch ungestillt?
Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. Der Markt wird sich weiter gut entwickeln, gerade für Siebträger sehe ich gute Wachstumschancen. Ein Riesenthema ist die immer stärkere Spezialisierung und Diversifizierung im Kaffeemarkt. Die Verbraucher suchen nach spezialisierten Marken und Experten, die ihren hohen Ansprüchen gerecht werden. Es gibt immer mehr individuelle Geschmacksrichtungen und Trendgetränke, die ihre Fans und damit ihre Berechtigung haben. Die Kunden sind heute bereit, mehr Geld für ein hochwertiges Getränk zu bezahlen.
Die vergangenen drei Monate sind ohne Beispiel und Blaupause. Wie haben Sie den Shutdown im Handel erlebt und welche Schlussfolgerungen haben Sie daraus für Ihre Beratungskunden gezogen. Raus aus der Schockstarre und das Momentum nutzen?
Genau, jetzt ist die Zeit, in der man Konsumenten anlocken, aufklären und emotional begeistern muss – auch über originelle Themen und neue Lösungen. Jede Zeit hat ihre Chancen und erfolgreiche Unternehmen und Marken können sich schnell neuen Herausforderungen anpassen.
Die Schlagworte der letzten Jahre zeigen den Weg der Digitalisierung: E-Commerce, Multichannel, Click & Collect, Social Media, Point of Emotion. Alles Herausforderungen, denen sich der Handel stellen muss. Wohin wird der Weg gehen?
Der Handel muss aus meiner Sicht dringend innovativer werden und sich für neue Lösungen öffnen, sei es die In-Home-Beratung, die stärkere Vernetzung und ihre Chancen durch Service- oder Rezept-Apps oder neue Produkt-Erlebnis-Welten.
Gerade jetzt gilt mehr denn je: Man braucht Emotionen, um die Kunden zu überzeugen und Produkte zu verkaufen. Persönliche Vorführungen und maßgeschneiderte Einkaufserfahrungen werden wichtiger und wichtiger. Ich erwarte, dass der klassischste aller Werte – die individuelle Betreuung von Person zu Person – wieder mehr an Bedeutung gewinnt. Egal, auf welchen Kanälen und in welchem Umfeld. Und darin sollte eigentlich die Stärke des Fachhandels liegen, deshalb brauchen wir gut aufgestellte Händler.
Im Ruhestand kann man Sie sich kaum vorstellen. Was machen Sie, wenn es doch mal soweit sein sollte?
Glücklicherweise habe ich viele private Interessen, wie das Golfspielen, Reisen oder Motorradfahren. Ich arbeite aber tatsächlich viel zu gerne, um mich vollständig ins Privatleben zurückzuziehen. Deswegen werde ich wohl immer mein Ohr am Markt haben und die Branche noch lange begleiten.
Hand aufs Herz: Warum ist infoboard.de für Sie eine Pflichtlektüre?
Zehn Jahre – Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Echt toll, was hier entstanden ist. Ich hätte vor zehn Jahren nicht gedacht, dass mit infoboard.de wirklich ein Spitzen-Branchenmedium entsteht, das den Blick so nach vorne gerichtet hat. Diesen Mut und diesen Pioniergeist könnte unsere Branche häufiger verkraften. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung!