Markt & Branche

Alles wächst! Cocooning treibt Technik-Absatz

Zwar gehen der Handelsverband Technik (BVT) und die GfK angesichts des Teil-Lockdowns mit eher gemischten Gefühlen in das Weihnachtsgeschäft, indes: „Unsere Sortimente – vom Notebook über Gefriertruhen und Geschirrspüler bis hin zu Kochgeräten und Kaffee-Vollautomaten – sind Schlüsselsortimente“, so BVT-Geschäftsführer Steffen Kahnt anlässlich der alljährlichen Pressekonferenz vergangene Woche Dienstag.

Zwei Lockdowns und Homeoffice hätten dafür gesorgt, dass die Deutschen ihr Urlaubsgeld innerhalb der eigenen vier Wände investieren. Kahnt: „Die Menschen möchten für ihr Zuhause maximalen Komfort und Entertainment in bester Qualität.“  Die Deutschen werden im Jahr 2020 voraussichtlich 63,6 Mrd. EUR (+1,6%) für technische Gebrauchsgüter ausgeben.

Allerdings, so Kahnt, forderten die ausfallenden Weihnachtsmärkte die Händler erneut heraus. Dennoch könnte das Jahr 2020 für die Technik-Branche „sehr glimpflich“ enden. „Umsatzplus ja. Man muss aber auch die massiven Kosten für Hygienemaßnahmen und den Corona-bedingten organisatorischen Aufwand berücksichtigen.“

„Unsere Sortimente sind Schlüsselsortimente“, so BVT-Geschäftsführer Steffen Kahnt.

stay@home & die Folgen

Wie sich das „stay@home“ auf den Markt für Consumer Electronics und Home Appliances ausgewirkt hat, erläuterte Andreas Peplinski, Director of Market Insights Germany bei der GfK. So erholte sich der Markt für Elektrokleingeräte nach den Einbrüchen während des Lockdowns schnell. Insgesamt wurden im Zeitraum Januar-August diesen Jahres 11,7% mehr Umsatz generiert als im Vergleichszeitraum. Einen bedeutenden Beitrag zum Umsatzwachstum trug der Bereich Air Treatment bei. Vor allem reine Luftreiniger aber auch Geräte mit Kühlfunktion sorgten hier für den Aufwärtstrend.

Für den Bereich Bodenreinigung war der Trend zu hochwertigen Produkten ausschlaggebend für das Gesamtwachstum. So lagen bei Staubsaugern weiterhin vor allem akkubetriebene Stielsauger mit plus 23% sowie Roboterstaubsauger mit plus 13,4% im Trend. Noch auf kleinem Niveau entwickelten sich Nass-Trockensauger mit einem Umsatzplus von 19,9% positiv zum Vorjahreszeitraum.

„Mehr Internet, mehr TV, mehr gemeinsames Kochen – das ‚stay@home‘ hatte enorme Auswirkungen auf das Freizeitverhalten“, Andreas Peplinski, Director of Market Insights Germany GfK.

Echte Genuss-Investments

Ein klares Trading-Up war bei der Kaffeezubereitung zu beobachten. Neben den Espressovollautomaten mit plus 17% überzeugten auch die Siebträgermaschinen mit einem Umsatzanstieg von 30%. „Um auch im Homeoffice nicht auf Kaffeegenuss zu verzichten, haben sich viele Menschen hochwertige Kaffeemaschinen für ihr Zuhause gegönnt”, so Kahnt. Vor allem Geräte über 500 Euro beeinflussten die positive Entwicklung.

In den ersten acht Monaten des Jahres 2020 zählten zudem Küchenhilfen zu den Wachstumstreibern bei Elektrokleingeräten. Der Umsatz am Panelmarkt steigt auf 239 Mio. Euro, was eine Zuwachsrate von 32,4% bedeutet. Die positive Entwicklung war über alle Kategorien hinweg zu beobachten, hauptsächlich jedoch für Küchenmaschinen und Foodprozessoren (mit einem Umsatz-Plus von 198%!).

„Hamster“ treiben Markt für Großgeräte

Auch der Markt für Haushaltsgroßgeräte hat sich schnell vom Lockdown im Frühjahr erholt und liegt im Umsatz deutlich über Vorjahr. Hamsterkäufe und der Umstand, dass die Deutschen im Homeoffice mehr Mahlzeiten selbst zubereiten, haben zu einem erhöhten Lagerbedarf an Lebensmitteln geführt.

Dies zeigt sich in der weiterhin hohen Nachfrage nach Gefriertruhen (+49% im Umsatz gegenüber dem Vorjahr) und großen Standgefriergeräten (+44%). Ebenso bei Kühlgeräten, wo vor allem Side by Side (+29%) und großvolumige Multidoors (+60%) mit Top-Design deutlich zulegen.

Angesichts der Corona-Pandemie rückt auch das auch Thema Hygiene stärker in den Fokus. Waschmaschinen mit Dampffunktion konnten im Umsatz in diesem Jahr um satte 23% zulegen. In der Küche setzt sich der Siegeszug der Kochfelder mit integriertem Abzug fort (+20%), zumal aktuell mehr als gewöhnlich zu Hause gekocht wird. Generell zeigte sich bei smarten Haushaltsgeräten ein deutliches Wachstum. So legen smarte Backöfen um 75% zu. Auch Waschmaschinen wachsen nochmals um 19%, womit bereits fast jede fünfte gekaufte Waschmaschine smart ist.

Zwischen Kundenbindung und Sicherheitsbedürfnis

Die Lockdown-Phase im Frühjahr hat dem stationären Handel zugesetzt. Der sprunghaft angestiegene Bedarf für Home-Office- und Home Schooling-Produkte wurde zu einem großen Teil über die Online-Kanäle des stationären Handels und der Pure Player gedeckt. Vor allem größere Märkte waren durch die 800 m²-Regelung hiervon besonders betroffen.

Auch nach Beendigung der Geschäftsschließungen haben viele Kunden ihr Einkaufsverhalten der Situation in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Innenstädten sowie dem eigenen Sicherheitsempfinden angepasst: Der Online-Anteil am Gesamtmarkt mit Technik ist sprunghaft gestiegen.

„Vor allem kleinen und mittleren Betrieben ist es durch ihre Kundennähe und Kreativität sehr gut gelungen, auch während der Schließung der Ladenlokale den Draht zum Kunden zu halten und sie mit den benötigten Produkten zu versorgen. Die Dienstleistungsstärke und regionale Verwurzelung der Betriebe hat sich in dieser Phase ausgezahlt”, so der BVT-Vorsitzende Frank Schipper (Euronics XXL Lüdinghausen und stv. AR-Vorsitzender Euronics Deutschland). Und weiter: „Verstärkend kommt hinzu, dass sich viele Kunden auf das Kaufen vor Ort besonnen haben und mit einem neuen Lokalpatriotismus das Geschäft um die Ecke mit ihrem Einkaufsverhalten unterstützt haben.”

„Viele Kunden haben sich auf das Kaufen vor Ort besonnen und mit einem neuen Lokalpatriotismus das Geschäft um die Ecke mit ihrem Einkaufsverhalten unterstützt“, Frank Schipper.

Umsatz-Peak Ende Dezember?

Schipper glaubt an eine Jahresendrallye, vor allem „zwischen den Jahren“ werde es noch mal, auch mit Blick auf das nahende Ende der Mehrwertsteuer-Senkung, zu vorgezogenen Käufen kommen: „Da kommt ein Umsatz-Peak.“ Und danach? „Im Januar rechne ich mit einer kleinen Delle, da flattern die Jahresrechnungen in den Briefkasten und die Verbraucher kommen wieder im Alltag an. Insgesamt gehe ich aber optimistisch in die kommenden Wochen und Monate.“

Innerhalb der gesamten Branche hat es nach Einschätzung des BVT eine vorweggenommene, aber dauerhafte Verschiebung in Richtung E-Commerce gegeben, von der gleichermaßen der Online-Verkauf des stationären Handels und die reinrassigen Internetanbieter profitieren.

Matthias M. Machan

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