von Bernd Röthlingshöfer, Chefredakteur Werbepraxis aktuell
Warum kosten manche Weine 1,99 Euro und andere mehrere Hundert Euro pro Flasche? Genau das fragten sich auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung. Ihr Ergebnis: Am Geschmack liegt’s nicht, sondern am Geldbeutel der Konsumenten. Vielleicht wird Sie dies jetzt überraschen, aber selbst in der teuersten Flasche Wein steckt in der Regel nicht mehr Herstellungsaufwand als 10 €.
Bei Blindverkostungen können die Experten teure Weine von billigen nicht unterscheiden – und dennoch existieren Preisunterschiede von mehreren Hundert Prozent. Was die Experten herausgefunden haben: Das symbolische Kapital macht’s. In teuren Weinen steckt mehr symbolisches Kapital: Geschichten, die ihren Preis begründen.
Teure Weine sind nicht ohne solche Storys denkbar. Winzer, die teure Weine verkaufen, verweisen auf ihre Unternehmensgeschichte, die Besonderheiten der Lage und der Bodenbeschaffenheit oder erzählen detailliert von Ernte- und Herstellungsmethoden.
Auch wenn sich diese kaum von anderen Winzern unterscheiden – die Geschichten kommen beim Konsumenten gut an. Und sie ermöglichen es, für die Flasche Wein einen höheren Preis zu erzielen.
Der zweite Porsche in der gleichen Straße sei eine Katastrophe, soll der Porsche- Vorstandsvorsitzende Schulz in den 80iger Jahren gesagt haben. Wer teuer sein will, muss sein Produkt verknappen. Auch Winzer reduzieren daher ihre Ernteerträge und schneiden einen Großteil der noch unreifen Reben weg. Eine solche bewusste Reduzierung der Ernte lässt sich natürlich auch gut als Qualitätspflege darstellen. Limitierte Sondereditionen sind übrigens ein guter Weg, in die Strategie der Premiumpreise einzusteigen.
Aber auch hier dürfen Sie den Aufbau des symbolischen Kapitals mit Storytelling nicht vergessen!
Beispiel:
Die Notizbücher der Marke Moleskine können erst durch symbolisches Kapital ihren hohen Preis rechtfertigen. Sie verkaufen sich als das Notizbuch, das berühmte Künstler benutzt haben. So ziert jedes Notizbuch eine farbige Bauchbinde, auf der der kurze Satz steht: „Moleskine® – das legendäre Notizbuch von Picasso, Hemingway und Chatwin“.
Im Notizbuch selbst befindet sich ein Beipackzettel, der Auskunft über die Geschichte des Moleskine-Notizbuchs gibt.
Wenn Sie dauerhaft höhere Preise erzielen und dabei glaubwürdig bleiben wollen, sollten Sie von Preisaktionen die Finger lassen. Hohe Preise und gelegentliche Rabattaktionen bringen Ihre potenziellen Käufer dazu, erst dann einzukaufen, wenn die nächste Aktion läut. Und im Kopf der Verbraucher verfestigt sich das Bild eines höherwertigen Artikels auf diese Weise nicht.
Wählen Sie eine Preiserhöhung zunächst nur für:
Beachten Sie dann, dass Sie in der Werbung für diese Produkte das sogenannte symbolische Kapital aufbauen müssen. Die detaillierten Erläuterungen zum Produkt müssen die Rechtfertigung des hohen Preises liefern – das Beispiel Moleskine zeigt es auf perfekte Weise. Höhere Preise erhöhen auch die Wahrnehmung Ihres Produkts
Bereits vor einigen Jahren zeigten Studien aus den USA, dass sich ein Produkt durch höhere Preise mehr Wahrnehmung verschaffen kann:
Die Erklärung: Bei Produkten, die deutlich teurer sind als die des Wettbewerbs, fragen sich die Kunden, was diesen Preisaufschlag rechtfertigt. Bieten Sie dann diesen Kunden ein Alleinstellungsmerkmal oder eine vernünftige Erklärung, wird der höhere Preis akzeptiert. So sind zum Beispiel Bioprodukte oder Naturkosmetik häufig doppelt so teuer wie Produkte konventioneller Hersteller. Ihr Alleinstellungsmerkmal sind dann die rein natürlichen Anbaumethoden oder die Inhaltsstoffe.
Quelle: marketing-trendinformationen.de vom 31. Juli 2015
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