Kai Hillebrandt, frisch gekürter Vorsitzender des ZVEI Fachverbandes Consumer Electronics, unterstrich in seinem Grußwort, das Branchentreffen habe seine Bedeutung insbesondere darin „Themen mit Menschen – Menschen mit Branchen und Branchen untereinander zu vernetzen. Der Dialog gebe somit wichtige Orientierungshilfe.“
Und daran mangelte es wahrlich nicht. Aktuelle Strategien und Konzepte präsentierten die Verbundgruppen ElectronicPartner und Euronics. Einen ersten Erfahrungsbericht zum Thema Elektronische Preisauszeichnung ESL (Electronic Shelf Labels) gab es aus dem Hause Saturn. Trotz aller guten Ansätze, ganz ohne Hürden ist die Zukunft dennoch nicht. Da gibt es einen Mitspieler, der dem Handel das Leben unnütz schwer macht: Das Kartellamt. Auch diese Thematik griff der Branchendialog auf. Doch zuerst zu den Praxisthemen aus dem Handel.
Karl Trautmann, Vorstand ElectronicPartner, umriss die EP:Qualitäts-Offensive, die seine Verbundgruppe seit 2014 konsequent nach vorne treibt. Bei diesem Konzept verpflichten sich die Mitglieder der Marke EP: auf einheitliche Kriterien bei Ladenbau, Warenwirtschaft, Marketingkonzept sowie Sortimentsgestaltung. Hinzu kommen ein konsistenter Außenauftritt und klar definierte Prozesse innerhalb der Marke EP: (infoboard.de berichtete).
Knapp 400 Mitglieder tragen mittlerweile das Konzept mit und diese, so Trautmann, „machen mehr Umsatz als die ehemals 750 EP:ler zu Anfang 2014.“ Trautmann sparte nicht mit Erfolgszahlen. So haben die mitmachenden EP: Mitglieder ihren Umsatz um 8 Prozent in 2016 steigern können, diejenigen Fachhändler, die bereits das neue Ladenbaukonzept umgesetzt haben, konnten gar ein Plus von 12,3 % erzielen. Somit liegen die EP: Fachhändler knapp 18% über dem von der GfK ermittelten Durchschnitt für den Kanal Fachhandel. Denn laut GfK hat der Fachhandel im gleichen Zeitraum rund 9% Umsatz eingebüßt. „Diese Händler“, Trautmann überzeugt, „haben einen Scheck eingelöst, den Wechsel für eine erfolgreiche Zukunft quer geschrieben.“
Doch Trautmann machte auch deutlich: „In der Poolposition mit der Marke EP: zu sein, bedeutet auch in Teilen die Aufgabe der unternehmerischen Selbstständigkeit, bedeutet der Schwarm bewegt sich in die gleiche Richtung, bedeutet aber auch, dass alle die mitmachen, dafür sorgen, dass die Geschichte am Ende erfolgreich verläuft.“ „Wer sich so aufstellt, hat auch als Fachhändler in einer immer schneller werdenden Welt, exzellente Überlebenschancen. Fachhandel ist Lebensqualität, Fachhandel gehört in jede Fußgängerzone und in jede Stadt“, bekräftigt Trautmann.
Mit den Worten „Euronics ist der festen Überzeugung, dass der stationäre Handel einen Mehrwert, eine Zusatzfunktion im Handel heute bietet, die andere Marktteilnehmer und andere Kanäle so nicht bieten können“, unterstreicht auch Benedict Kober die Bedeutung des Fachhandels heutzutage. Ein entscheidendes Instrument, um die Stellung des Handels zu festigen ist für den Sprecher des Vorstandes der Euronics Deutschland eG, das Konzept CCR (Cross Channel Retail) seiner Verbundgruppe. „Von Anfang an, sei das primäre Ziel von CCR, die Zuführung zum stationären Handel gewesen.“ Schmunzelnd ergänzt er: „Wir wollten nie Deutschlands größter Paketversender werden.“
Bereits auf dem Euronics Kongress Anfang April in Leipzig, dokumentierte Kober, die Erfolgsgeschichte des Euronics Marktplatzkonzeptes CCR. (infoboard.de berichtete). Und auch hier in Berlin konstatierte Kober selbstbewusst: „Wir sind erfolgreich, in dem was wir tun. Wir holen uns das zurück, was das Internet uns seinerseits weggenommen hat. Und wenn wir es besonders gut machen, packen wir noch was oben drauf.“
Offene Punkte auf seiner Agenda sind noch die verstärkte Prozessentlastung für die Mitglieder durch zentrale Dienstleistungen aus Ditzingen sowie die Optimierung von Strukturen bei den Mitgliedern. Will heißen: Auch die Euronics Zentrale liebäugelt mit gewissen Zwangsvorgaben an die Mitglieder, beispielsweise beim Warenwirtschaftssystem HIW sowie bei diversen Sortimentslistungen.
Dann gab Kober noch einen Ausblick auf die nahe Zukunft. Euronics habe sich das Großprojekt eines Endverbraucher CRM-Systems (Customer-Relationship-Management) vorgenommen. Kober schwant, diese Aufgabe könnte eine noch komplexere Herausforderung darstellen als die Implementierung des eCommerce-Marktplatzes CCR.
Schon längst keine Vision mehr, sondern bereits voll umgesetzt ist in der MediaMarktSaturn Retail Group das Thema „Elektronische Preisauszeichnung.“ Einen ersten Erfahrungsbericht dazu gab Carina Brederlow, Mitglied des BVT-Vorstandes und Geschäftsführerin von Saturn auf der Kölner Hohe Straße und von Saturn Connect.
Sie sieht durch die Digitalisierung am PoS in erster Linie eine deutliche Effizienzsteigerung. Denn durch die elektronische Preisauszeichnung entfällt für die Mitarbeiter das Ausdrucken, Zuschneiden und Anbringen des Preisschildes an der Ware. Das Verkaufspersonal gewinnt damit mehr Zeit für die Kundenbetreuung. Preise in Tankstellenmanier permanent zu ändern lehnt sie strikt ab. „Man wolle Kunden nicht verwirren, sondern diesen gerade das Vertrauen vermitteln, stets einen aktuellen und günstigen Preis zu bieten“, so die Kölner Saturn-Chefin.
„So viel Leistung muss sich auch lohnen“, macht Willy Fischel, Geschäftsführer des BVT Handelsverband Technik, deutlich. Seine Worte zielen in Richtung Kartellamt, das am liebsten Einheitskonditionen von den Herstellern einfordert. „Finden wir nicht gut“, bemerkt Fischel und vertieft: „Wir wünschen uns Vertragsfreiheit, wollen keine Schutzzäune, plädieren für eine gerechte umsatzbezogene Leistungshonorierung. Viel Sprengstoff, denn das Kartellamt kann diesen Satz nicht fehlerfrei aussprechen.“
Unterstützung bekam Fischel auf dem Branchendialog von Prof. Dr. Justus Haucap, Director Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf. „Kartellrechtlich „verordnete“ Einheitskonditionen für stationäre und Online-Händler sind praktisch nicht durchführbar. Sie führen zu einer Konzentration im Online- und Offline-Handel und schwächen den Wettbewerb der Vertriebskanäle als auch des Interbrand-Wettbewerbs“, ist sich der Ökonomie-Professor sicher.
Haucap wirft den Kartellbehörden vor, „ohne ökonomisch-theoretisches Fundament, eine sehr engstirnige Sicht von Vertikalbeschränkungen eingenommen zu haben und dies ohne eine auswirkungsbasierte Analyse. So drohe die aktuelle Praxis der Kartellrechtsdurchsetzung – insbesondere gegenüber Doppelpreissystemen – den Wettbewerb zu schwächen und nicht zu sichern.“
Wie die Situation entschärft werden kann und wie mehr Freiheit möglich ist, zeigt ein Blick auf das Kartellgebaren in unserem Nachbarland Holland. Die niederländische Wettbewerbsbehörde geht davon aus, je stärker der Wettbewerb unter den Marken und Anbietern ist, desto mehr Spielraum haben die Anbieter in ihrem Konditionensystem.
Haucap fordert daher, „dass das Kartellamt die bisherige Einstufung von Doppelpreissystemen als „bezweckte Wettbewerbsbeschränkung“ aufgibt.“ Darüber hinaus macht er deutlich, „eine nicht umsatzabhängige pauschale Leistungshonorierung ist eher praxisfremd und widerspricht dem Anreizgedanken der ökonomischen Theorie, d.h. eine absatz- und umsatzabhängige Leistungshonorierung muss weiterhin möglich sein.“
Nur so ist der Director des Institutes for Competition Economics überzeugt, dass der Handel eine barrierefreie Zukunft hat und dass sich dessen Anstrengungen im Endeffekt auch wirklich lohnen.
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