Wann „später“ ist? Das fragen sich viele. Jetzt, gut drei Monate „später“, platzt offenbar auch den prominentesten Miteigentümern der kriselnden Elektronikhandelsholding der Kragen. Nach übereinstimmenden Medienberichten mehren sich verstärkt die Rufe nach einer neuen Strategie. „Eine Strategie muss auf den Tisch”, lässt sich ein Sprecher des Minderheitseigners Convergenta zitieren. Nun ist die Kritik von der Investmentgesellschaft Convergenta, hinter der die Erben des MediaMarkt-Gründers Erich Kellerhals stehen, wahrlich nichts Neues, und wirkt aktuell eher wie eine Fußnote in der jahrelangen Dauerfehde.
Entscheidender scheint, dass kurz zuvor auch Großaktionär Haniel angemahnt hat, das Interimschef Bernhard Düttmann die mehrfach angekündigten und immer wieder verschobenen Zukunftspläne auf den Tisch zu legen hat. „Die Zeit drängt”, zitiert das „Manager Magazin“ Haniel-Chef Thomas Schmidt. Kritik hagelt es zuhauf: Die Abhängigkeit von den stationären Filialen sei zu groß, das Onlinegeschäft sei immer noch nicht stark genug. Dabei trug Ceconomy laut einer Haniel-Pressemeldung aus den ersten April-Tagen mit 41 Milo. EUR wieder positiv zum Haniel-Beteiligungsergebnis im Jahr 2019 bei, nachdem im Vorjahr desaströse -707 Mio. EUR auf das Beteiligungsergebnis der Finanzbeteiligung an der Ceconomy AG entfielen.
Schmidt hat zugleich angekündigt, dass Haniel künftig mehr Einfluss auf die kriselnde Beteiligung nehmen wolle. Haniel ist mit einem Anteil von 22,7 % der größte Einzelaktionär bei Ceconomy. Die Kellerhals-Erben von Convergenta sind wiederum mit rund 21% an MediaMarktSaturn beteiligt. Was sagt Ceconomy zum Drängen seiner Aktionäre? Nur so viel: Man nehme „selbstverständlich Anregungen aus dem gesamten Aktionärskreis in seine strategischen Überlegungen auf“.
Indes: Eine neue Strategie, so sie denn irgendwann kommen mag, muss auch konsequent umgesetzt werden. Ein Convergenta-Sprecher wird mit den Worten zitiert, es sei „sehr entscheidend, dass hinter dieser Strategie alle Gesellschafter stehen und diese zügig umgesetzt und eng kontrolliert wird”. Das klingt auch für die Zukunft nicht nach Gesangsverein Harmonie. Wie auch, aufgrund der Unterbrechungen des stationären Geschäfts durch die verordneten Store-Schließungen im Zusammenhang mit Covid-19 Mitte März ging der währungs- und portfoliobereinigte Umsatz für das zweite Quartal um 6,6% zurück.
Auch sonst ist nirgendwo eine Friedenspfeife in Sicht. Bereits im März berichtete das „Manager Magazin“ von einem Brief, der als „Hilferuf“ an die Anteilseigner gerichtet und mit „Media Saturn Mitarbeiter“ unterzeichnet war und dabei ziemlich unter der Gürtellinie austeilte. Media-Saturn-Chef Ferran Reverter wird als „ideenloser Despot“, Ceconomy-CEO Bernhard Düttmann als „unnahbar wie ein Kaktus” bezeichnet. So weit, so vernichtend. Und so wild schlägt wohl auch nur um sich, dem das Wasser mindestens bis zum Hals steht.
Denn wahr ist auch: Ceconomy und MediaSaturn sind nicht durch höhere Gewalt in die Krise geschlittert. Eine unheilvolle Mischung aus überforderten Managern, wohl zu nachsichtigen Aufsichtsräten sowie Anteilseignern, die zuvorderst ihre (durchaus legitimen) Eigeninteressen verfolgen, hat die Mutter von MediaMarkt und Saturn in den letzten Jahren vor die Wand gefahren.
Wo geht’s zum Ausweg aus der Misere: Seit weit mehr als einem Monat sind alle Läden wieder geöffnet, aber Einkauf mit Distanz und Nase-Mundschutz fühlt sich trotz Mehrwertsteuersenkung fad und schal an. Und so leidet auch die Ceconomy-Aktie auf eher beklagenswertem Niveau volatil weiter.
Es gibt ja auch zu vielen unbeantwortete Fragen: Kann ich mit einem mittlerweile durchaus passablen Online-Ansatz die Flaute im stationären Geschäft kraftvoll beheben? Wie kommen die Konsumenten durch die Coronakrise? Denn, wer Existenzangst hat, der spart, wo er kann. Vor allem aber: Wie groß wird die Kaufkraft der Konsumenten nach dieser Krise, deren Ende nicht abzusehen ist, sein?
Doch alle, die jetzt möglicherweise schon die Totenmesse auf die MSH lesen und frohlocken, weil man selbst in den Wochen, als MediaMarkt und Saturn geschlossen hatten, durch den Lieferanteneingang mit Kühltruhen und Home-Office-Equipment den besten März oder April der Unternehmensgeschichte schrieb, sollten bedenken: Für die Innenstadt-Frequenzen sind die Märkte von Saturn und MediaMarkt durchaus systemrelevant.
Kein Mittelzentrum wird es schadlos überstehen, wenn binnen weniger Wochen erst Galeria Karstadt Kaufhof und anschließend MediaMarktSaturn ihre Filialen verrammeln würden. Dann dürften für lange Zeit nicht wenige Fußgängerzonen so aussehen wie zu Zeiten des Lockdowns. Und das trifft dann alle!
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