Ist Click & Collect nun eine Fata Morgana und deutlich überschätzt? Oder werden tatsächlich bis 2017 mehr als 75 Prozent aller Online-Shopper diese Einkaufsform bevorzugen, wie es PlanetRetail behauptet? Eine rosige Zukunft gilt vielen als ausgemacht. Der Handel tut aber genug dafür, um das zu vermeiden.
Fakt ist, dass über Click & Collect schon längere Zeit intensiv diskutiert wird. Nicht wenige Marketing-Manager werden das Thema inzwischen als längst erledigte Aufgabe von der Agenda gestrichen haben. Wahrscheinlich, weil sie nicht bei sich selbst einkaufen. Dabei haben sie kaum mehr als die technischen Prozesse im Griff. Lokalfürsten zeigen den nationalen Anbietern, wie man beides meistert: Technik und Menschlichkeit.
Warum sich Kunden für Click & Collect interessieren
Bereits im vergangenen Jahr hat das ECC Köln die Motive der Kunden für Click & Collect untersucht. Demnach sprechen einige ganz handfeste Gründe für die Abholung der Waren direkt vor Ort. An erster Stelle wird die Ersparnis der Versandkosten genannt, gefolgt von der (erhofften) geringeren Wartezeit im Vergleich mit der Postfiliale oder Abholstation.
Click & Collect könnte viele Chancen bieten
Der Kunde wählt aus dem Angebot des Online-Shops und holt sich seine Bestellung direkt in der Filiale des Händlers vor Ort ab, statt sein Paket an der Haustür in Empfang zu nehmen. (Fast) wie von selbst taucht ein Bestandskunde also am POS auf. Eigentlich eine riesige Chance für den Händler. Denn hier könnte der Kunde auf besondere Aktionen aufmerksam gemacht werden. Oder Hinweise auf Produkte des Cross- und Up-Selling erhalten (“Ich sehe gerade, Sie haben sich XY gekauft! Kennen Sie eigentlich auf YZ, das sich ganz toll als Ergänzung eignet?”). Dazu müssten die Verkäufer indes auch wissen, was denn der Kunde bestellt hat.
Die Realität ist häufig eher trist
Click & Collect im Handel ist überwiegend eine ernüchternde Erfahrung. Jegliche Chancen auf die Umsetzung einer Omnichannel-Strategie verschenken etwa C&A oder Conrad Electronic. In der Filiale von C&A bei mir vor Ort gibt es keinerlei Hinweise darauf, an welcher Kasse ich denn die Ware erhalte. Und das Abholen besitzt den gleichen Charme wie der Besuch einer Postfiliale. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen habe, prüft ein Verkäufer eine Liste, setzt ein Häkchen und holt mein Paket. Noch eine Unterschrift und das war’s. Guten Tag und guten Weg.
Das war’s auch mit dem Cross-Selling, denn die Ware ist in einem Paket verpackt. Der Verkäufer kann den Inhalt nicht sehen. Und hat somit auch keine Möglichkeit, mit mir ins Gespräch zu kommen. Wohl nicht ohne Grund überschreibt der ECC eine Meldung zu seiner aktuellen Studie “Cross-Channel im Umbruch” in Hinblick auf Click & Collect mit “Gewünscht aber nicht verstanden”. Denn obwohl ein Artikel in der Filiale vorrätig ist, werden bei den meisten Händlern Logistikprozesse in Gang gesetzt, die dann zu Lieferzeiten zwischen 3 und 5 Werktagen führen.
Statt dass lieferbare Jeans für meinen Sohn also rasch von einem Mitarbeiter vor Ort zusammengepackt werden und C&A binnen weniger Minuten den Vollzug des Einkaufs vermelden kann, wird ein schmuckloses Paket auf die Reise geschickt, das wie jede andere Sendung auch transportiert wird. Und der Click & Collect Kunde darf sich im Zweifel auch in eine Schlange an der Kasse einreihen.
Zeitersparnis als möglicher Grund für die Kunden scheint als Motivation für die Shopverantwortlichen wohl ausgeschlossen. Breuninger, C&A, Conrad, Cyberport, Douglas, Ernstings Family, Hornbach, Hugendubel, Media-Markt, Saturn oder Tchibo sind die bekanntesten Vertreter für Shopping per Click & Collect. Und bei ihnen allen läuft das “Einkaufserlebnis” auch mehr oder weniger ähnlich ab.
Das liegt unter anderem auch daran, dass einige Unternehmen erst einmal die technischen Hürden anpacken. Denn damit der Kunde im Shop auch sehen kann, dass der gewünschte Artikel in der Filiale in der Nähe vorhanden ist, muss der Warenbestand nicht nur zentral in der Warenwirtschaft hinterlegt sein, sondern der Shop auch die Option besitzen, diese Daten auszuwerten und anzuzeigen. Das ist längst nicht in jedem System der Fall.
Und je mehr Systeme beteiligt sind und die Zahl der Variablen steigt (Zahl der Artikel, Standorte), desto aufwändiger werden die dahinterstehenden Prozesse. So ist Click & Collect derzeit ein Kompromiss aus technischen Möglichkeiten und kosteneffizienten Prozessen.
Click & Collect von Konen lernen!
Zugegeben, der Vergleich zwischen dem Münchener Traditionskaufhaus Konen und den Dickschiffen der Branche mag unfair sein. Das Modehaus hat ein klar definiertes Einzugsgebiet und ein ebenso umrissenes Sortiment. Aber in Sachen Click & Collect macht das Unternehmen alles richtig. Die Vorteile für den Kunden sind klar kommuniziert:
- Einkauf bereits nach 1 Stunde abholbereit.
- Die Ware kann direkt in einer Kundenlounge anprobiert werden.
- Änderungen oder Retouren lassen sich unmittelbar vor Ort vornehmen.
In diesem konkreten Fall dürfen sich die Online-Kunden wohl für etwas Besonderes halten. Und das wohl zu recht.
Comspot – ein Händler aus Hamburg macht es vor
Auch beim Apple-Reseller Comspot aus Hamburg, der bundesweit sieben Filialen unterhält, ist Click & Collect ein positives Einkaufserlebnis. Ist ein Artikel in der Niederlassung vorrätig, zeigt der Shop dies direkt an. Und die Abholung der Ware eröffnet Verkäufern und Kunden auch die Chance auf einen Dialog. “Die Mighty Mouse wird Ihnen viel Freude machen! Haben Sie auch schon Akkus dazu gekauft oder möchten Sie sich einmal die Ladestation ansehen?” – so lief ein Gespräch mit dem Verkäufer in einem Testkauf ab. Perfekt.
Autoren: Olaf Kohlbrück und Stephan Lamprecht. Artikel entnommen dem eMap Whitepaper Omnichannel von etailment, Deutscher Fachverlag Frankfurt. www.etailment.de