Relevanter Content hat mit Sesshaftigkeit wenig zu tun. Inhalte, die von Nutzen sein wollen, schmiegen sich an unsere Bedürfnisse an und diese wiederum sind – wir kennen das – situationsflexibel. Am Anfang steht jemand, dessen Smartphone zu langsam reagiert, vielleicht hüstelt auch der Staubsauger oder man entdeckt im Spiegel eine neue Falte. Manche googeln sofort, was man da tun könnte und ob sich das beheben lässt. Oder sie verfangen sich gedanklich nostalgisch im Gestern, das sicherlich besser war. Begleiten wir jene Menschentypen, die in diesen Momenten ein Bedürfnis entwickeln – ein Konsumbedürfnis. Das kann von solchen Ereignissen ausgelöst sein, manchmal entsteht es aber auch einfach beim Herumsurfen. Dann treibt uns eine vage Vorstellung erst viel später zu einer Kaufabsicht.
So geht es sowohl Ihnen als auch Ihren Kundinnen und Kunden. Um potenzielle Kundschaft in jeder Phase ihres Interesses abzuholen, wird oft das Modell der Customer Journey, also der Kundenreise, verwendet. Denn in jeder Phase dieser Reise bis hin zum Kaufabschluss (und darüber hinaus) haben wir übergeordnete Bedürfnisse und offene Fragen rund um das Produkt oder die Dienstleistung, die uns interessiert. Will man aber nicht nur wissen, wo in ihrer Reise sich Kunden befinden, sondern auch gleich maßgeschneiderte Inhalte liefern, muss man Content-Strategien mit dem Modell der Kundenreise kombinieren. Das Resultat ist die Content Journey.
Content Journey – das Beste beider Welten ^
Die Kundenreise glänzt darin, komplexe Prozesse der Kundeninteraktion zu beobachten und zu veranschaulichen. Hier können Berührungspunkte des Konsumenten mit einer Marke oder einem Produkt kundenzyklus- und kanalübergreifend modellhaft dargestellt werden.
Mit punktgenau relevantem Content können Marken hervorragend Aufmerksamkeit für ein Produkt erzeugen und Expertenstatus in ihrem Gebiet entwickeln. Neben der Content-Qualität ist aber eben auch erfolgsentscheidend, welche Inhalte wann und auf welchem Kanal eingesetzt werden.
Um das zu planen, startet man die Content Journey. Damit werden Content-Marketing-Elemente auf die Struktur der Customer Journey übertragen. Die Zielgruppe erhält so im richtigen Moment den passenden Inhalt. Ohne gutes Timing nützt nämlich auch der beste Content wenig. Wenn mir als künftiger Kunde noch gar nicht klar ist, ob ich für die geplanten Wanderungen überhaupt in eine neue Wind-und-Wetter-Jacke investieren sollte, dann kommt die gut gemeinte Detailinfo über die Materialzusammensetzung bei der Softshell Wind Shield Jacket von der Firma XY eindeutig zu früh. Man möge mich bitte erst mal davon überzeugen, dass und warum ich mir überhaupt eine neue zulegen sollte.
Timing ist alles! ^
Die Zielgruppe ist keine Schulklasse, die sich gemeinsam vom Eintritt zum Abschluss bewegt. Denn andere Menschen, die an Wanderjacken interessiert sind, googeln zwar genauso wie ich das gleiche Produkt, wissen aber bereits, dass sie eher eine wärmespendende, wasserabweisende Regenjacke brauchen als ein hauchdünnes Wind Shield Jacket gegen raue Gipfelstürme.
Mit Content-Einheitsbrei, der von Anfang an ALLES beinhaltet – vom stimmungsvollen Video-Appetithappen bis hin zur detailreichen Produktinformation inklusive Gebrauchsanweisung – kommt man deswegen nicht weit. Jedes Stadium der Kundenreise braucht einzigartigen Content, der sich vom Stadium davor und von jenem danach unterscheidet. Am Anfang interessiert es mich deshalb nicht sehr, wie die Materialzusammensetzung beschaffen ist. Hier bin ich offener für ein stimmungsvolles Video, das eine gesellige Wandergruppe zeigt, die trotz Wetterkapriolen eine gute Zeit am Berg erlebt.
Grundsätzlich bewegen wir uns in der Content Journey vom unspezifischen unbranded Content hin zu den detailreicheren markenbetonten Inhalten. Gleichzeitig sollte der pure Unterhaltungsfaktor nach und nach abnehmen – zugunsten eines sachlichen Informationswerts. Denn genau so ticken wir Menschen, wenn wir auf eine Kaufentscheidung zusteuern: Wir gehen oft erst einem vagen Gusto nach, ohne genau zu wissen, was wir wollen oder suchen, und machen Schritt für Schritt unser Bedürfnis konkreter. So bewegen wir uns von einer großen Auswahl hin zu einer kleineren. Wir ziehen den Kreis unseres Interesses immer enger – hoffentlich auch mithilfe von relevantem Content, der uns bei dieser Reise begleitet und unterstützt – und kommen in die Nähe unseres Ziels.
Bevor wir „ins Schwarze treffen“ und im Shop auf „Kaufen“ klicken, wollen die meisten von uns gut informiert und gut überzeugt sein von dem Produkt, das möglichst keine Fragen mehr aufwirft. Wir wollen es verstehen, uns darauf freuen und sicher sein, dass es das beste und passendste ist aus dieser riesigen Fülle an Auswahl. Es geht nicht um irgendeine Wanderjacke – es muss beim Kauf „meine“ Jacke sein, weil sie perfekt zu meinen Bedürfnissen passt. Und wir erinnern an dieser Stelle auch daran: Am Anfang der Customer Journey war dieses Produkt noch gar kein Bedürfnis; nicht einmal ein halbwegs konkreter Wunschgedanke.
Das Ende der Reise? ^
Die Content-Reise ist also geglückt, die Jacke ist unterwegs zu mir. Behagliche Wanderungen stehen mir damit (hoffentlich) bevor. Ende der Reise? Mitnichten! Jetzt geht es erst so richtig los. Der wichtigste und spannendste Teil der Reise kommt nämlich nach Kaufabschluss. Wer jetzt als Unternehmer einpackt und denkt, die Arbeit sei getan, irrt gewaltig.
Es braucht jetzt Content-Maßnahmen, die die Customer Journeys möglichst konsistent gestalten und den Kunden Mehrwert bieten. Strategien mit langer Wirkungsdauer sind gefragt. Gut, dass der Content-Marketing-Prozess auf Langfristigkeit ausgelegt ist. Wie wäre es mit einer neuen Wandertour als Vorschlag für den Produkt-„Test“? Wie wäre es mit Ausrüstungstipps als Belohnung dafür, wenn die Kundschaft in einem angebotenen Produkttest Feedback gibt?
Genau am vermeintlichen Endpunkt der Reise ist es also besonders wichtig, die Kundschaft mit passendem Content dauerhaft für sich zu gewinnen. Ehrliche Kundenmeinung ist schließlich das authentischste – und daher effektivste – Kommunikationsmittel. Die Menschen fühlen sich als mündige Kunden ernst genommen. Sie können etwas zurückgeben und haben das Gefühl, auch mit einer kritischen Aussage gehört zu werden.
Wer es schließlich mit der optimalen Content Journey schafft, Kunden in individuelle Markenbotschafter zu verwandeln, legt den Grundstein für nachhaltige Kommunikation mit ihnen. Die Reise beginnt gerade erst.
Autor: Harald Kopeter, Storytelling-Experte, Keynote-Speaker, Buchautor und Unternehmer aus Graz / Österreich www.haraldkopeter.com
Quelle: E-Mail Marketing Forum vom 3. Dezember 2018