Wer früher z. B. einen neuen Fernseher brauchte, ging zu einem Händler und ließ sich etwas Passendes empfehlen. Heute führt der erste Weg meist ins Internet: Welche Geräte gibt es, was passt für mich, wie sind die Bewertungen und welche Erfahrungen haben andere – Menschen wie ich – damit gemacht? Erst dann wird ein Händler gesucht, der das Gerät möglichst günstig verkauft. Das Beispiel zeigt: Die Entscheidungsreise der Kunden hat sich dramatisch verändert, und wir im Marketing müssen darauf reagieren. Daher ist die Analyse und Steuerung der Customer Journey aktuell einer der stärksten Marketingtrends.
Customer Journey ist das Nachzeichnen einer „Reise“, die ein Kunde erlebt. Üblicherweise unterscheidet man die Phasen (1) Aufmerksamkeit, (2) Interesse, (3) Informationssuche, (4) Kaufentscheidung und (5) Nutzung/Teilen von Erfahrungen. Doch es gibt mehr Journeys, z. B. Reklamations-, Vertragsverlängerungs- oder Abbesteller-Journeys. Wichtig ist, dass das Marketing in die Perspektive des Kunden wechselt, um aus seinen Augen auf das eigene Angebot zu blicken.
Am Anfang steht eine Bestandsaufnahme aller Berührungspunkte (Touchpoints), die dem Kunden auf seiner Reise begegnen. Touchpoints sind mehr als nur der Kanal (z. B. Webseite, Werbebanner, Telefonhotline). Sie sind der Kontakt eines Kunden mit seinem aktuellen Anliegen in einem Kanal: Also die Webseite beim Stöbern nach Angeboten, der Checkout-Prozess beim Kauf, die Telefonhotline bei einer Beschwerde oder der Werbebanner, der genau während einer Produktsuche erscheint. Solche Momente prägen das Markenerlebnis. Manche können, wenn es schlecht läuft, die Kundenbeziehung sogar dauerhaft ruinieren. Dies sind die „Moments of Truth“. Wenn Sie wissen wollen, wie bedeutsam Ihre Touchpoints sind, fragen Sie einfach Ihre Kunden!
Als nächstes geht es um das Verständnis der Kunden-Interaktionen entlang einer Journey. Um die Erlebniskette des Kunden greifbar zu machen, nutzt man am besten eine Mapping-Visualisierung. Den Journey-Phasen werden dabei Informationen zugeordnet wie z. B. die einzelnen Schritte des Kunden, die Touchpoints und die Kundenerlebnisse bei diesen Schritten. Dabei wird schon deutlich, wo Lücken bestehen und Touchpoints inkonsistent sind.
Nun können Sie Ihre Strategie erarbeiten: Zu allen Phasen der Journey sollen Kontaktpunkte mit einzigartigen Markenerlebnissen geschaffen werden, die genau zum Kundenbedürfnis passen. Digitale Kanäle wie Suchmaschinen, Banner, Facebook-Werbung, E-Mails oder Apps nutzen Keywords, Cookies, Tracking-Pixel und andere Trigger, um im richtigen Moment im richtigen Kanal die passende Botschaft auszuspielen. Selbst Webseiten und Shops lassen sich auf den aktuellen Bedarf eines Kunden hin personalisieren. Kniffliger wird es bei den Offline-Touchpoints. Doch zumindest am Point of Sale versprechen Location-basierte Technologien (Apps, Beacons, Geo-Fencing) zielgenauere Kunden-Interaktionen und innovative Erlebnisse.
Customer Journey Management braucht Daten. Daher müssen möglichst alle Touchpoints getrackt, Nutzerverhalten erfasst und Nutzer beim Kanalwechsel wiedererkannt werden – selbstverständlich im Rahmen des Datenschutzes. Webseiten, Online-und E-Mail- Kampagnen liefern bereits wertvolle Daten. Nun gilt es, die Kanäle integriert zu bewerten und zu optimieren. Dazu sollten Sie den Wirkungsbeitrag jedes Kanals kennen. Doch Vorsicht vor voreiligen Schlüssen, denn Kanäle haben unterschiedliche Rollen. Manche dienen typischerweise der Vorbereitung, andere dem Abschluss. So folgen einem Banner-Kontakt meist weitere Touchpoints, bevor eine Conversion erzielt wird. Geht ein Kunde dagegen direkt auf die Webseite, steht die Conversion oft unmittelbar bevor – allerdings nur, weil andere Kanäle die Vorleistung erbracht haben. Deshalb kann der Conversion-Erfolg fairerweise weder komplett dem ersten noch dem letzten Touchpoint zugeschrieben werden. Um das angemessen abzubilden, nutzt man sog. Attributionsmodelle.
Wer die Customer Journey zum Herzstück seines Marketings macht, braucht Technologie: eine Plattform, die alle (digitalen) Kanäle integriert, Touchpoints trackt, Steuerungs-Werkzeuge bereitstellt und Analysen liefert. Doch das allein reicht nicht: Wesentlich ist ein tiefes Verständnis für den Kunden und seine Bedürfnisse – und ein tiefer Wunsch, dem bestmöglich gerecht zu werden.
Autorin: Dr. Sabine Holicki, cki.kommunikationsmanagement, Mainz, www.cki-km.de
Quelle: E-Mail Marketing Forum, August 2017
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