Doch das ist nur die Ruhe vor dem Sturm! „2017 ist ein entscheidendes Jahr für die Branche“, sagt Werner Scholz, Geschäftsführer der ZVEI Hausgeräte-Fachverbände, im Exklusiv-Gespräch mit infoboard.de in Frankfurt. In puncto Energielabel, Verbraucherrecht und Öko-Designrichtlinie werden in Brüssel und Berlin wichtige Weichen gestellt. Scholz: „2017 wird ein sehr politisches Jahr für die Branche. Die Auswirkungen werden Markt und Handel 2018 und 2019 deutlich zu spüren bekommen.“
Kleingeräte: Ein sexy Markt ^
Im Gespräch mit infoboard.de hält sich Scholz nur kurz mit dem Rückblick auf das Jahr 2016 auf. Der Gesamtmarkt habe mit drei Prozent im Plus gelegen: „Eine Punktlandung!“ Trotz eines politisch höchst turbulenten Jahres mit überraschenden Wahlausgängen wie beim Brexit-Votum und der US-Wahl sowie zahlreichen geopolitischen Krisen lag die Hausgeräte-Industrie auf Kurs.
Wie wird 2017? Scholz verweist auf den Brexit. „Den hatte keiner wirklich auf dem Schirm.“ Und 700 Millionen EUR – so hoch ist in etwa der jährliche Export an Hausgeräten aus Deutschland ins Vereinigte Königreich – ist eine Ansage. Wie solle man da jetzt wirklich verlässliche Prognosen für 2017 liefern?
Und dennoch: Scholz blickt optimistisch auf das gerade begonnene Jahr und kalkuliert mit einem Plus zwischen ein und drei Prozent. „Die Konjunktur ist gut, der Hausgerätemarkt boomt.“ Das liege am Bauboom generell und den damit einher gehenden neuen Küchen. Da sind stylische wie intelligente große Hausgeräte einfach ein Muss. Und die Kleingeräte leben vor allem von der Kreativität der Branche in Sachen Design, Funktionalität und immer stärker auch Vernetzung. Scholz: „Die Kleingeräte sind einfach ein sexy Markt.“
Reskalierung: Künftig könnte das B das neue A+++ sein ^
Keine Kaffeesatzleserei indes ist der Blick in die Zukunft der Energieeffizienz-Klassen, denn deren Reskalierung steht vor der Tür. Sie kommt bald und sie kommt mit Wucht! Scholz: „Es ist eine Generalrevision des Labels, und sie wird alle betreffen!“ Wichtigste Änderung: Die Plus-Klassen fallen alle weg, die Energie-Effizienzklasse A soll – so der EU-Plan – erst einmal leer bleiben. Auf den Punkt gebracht: Zum Zeitpunkt einer Revision oder Neueinführung eines Produktlabels würde die Klasse B wohl das neue A+++, damit für eine gewisse Zeit das Maß aller Dinge.
Am 21. März wird es in Brüssel – wahrscheinlich – zunächst zur Rahmenrichtlinie in Sachen Reskalierung der Großgeräte-Label eine finale Abstimmungsrunde geben. Die Rahmenrichtlinie wird dann kaum vor Oktober 2017 in Kraft treten. Für Anfang 2018 rechnet Scholz dann mit der produktspezifischen Skalierung. Und die Produktlabels, die beschleunigt einer Regulierung zugeführt werden, sind ein offenes Geheimnis: Kühlschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen und Wäschetrockner. „Das kommt schnell“, ist sich Scholz sicher. Nach einer einjährigen Übergangsfrist wird es wohl Anfang 2019 soweit sein. Scholz: „Auch wenn der Handel wichtigeres zu tun hat: Das Umlabeln im Handel wird kommen. Und da geht es dann um Tage.“ Denn so eine Umlabelung bzw. die nicht fristgerechte Umsetzung sei eine lukrative Spielwiese für Anwälte und Abmahnvereine.
Physikalische Grenzen erreicht ^
„Das wird einen erheblichen Aufwand und eine große Herausforderung für Industrie und Handel werden“, prophezeit Scholz und meint einerseits den logistischen Aufwand, für die sechs Monate vor dem eigentlichen Stichtag das alte und neue Label vorzuhalten, andererseits aber auch die Kommunikation an den Verbraucher. „Wie erzähle ich es meinem Kunden, wenn aus A+++ ein B wird?“, fragt sich nicht nur Scholz. Das hat man auch in Berlin auf dem Schirm, die Bundesregierung wird dazu eigene Kampagnen fahren (müssen).
Allerdings fragt sich nicht nur Scholz, ob das Energielabel für die Verbraucher noch die entscheidende Rolle spielt: „Welchen Wert hat das Label eigentlich noch beim Verbraucher?“ Und: „Zahlen mittlerweile nicht andere Eigenschaften viel stärker auf den Wert einer Marke ein?“ Für die Kunden treten das Design, die Qualität der Geräte inklusive Haltbarkeit und – ganz wichtig – der Service immer stärker in den Vordergrund. Vor allem beim Thema Waschen sind die physikalischen Grenzen mittlerweile erreicht. Mehr Einsparung sei allein aus Gründen der Physik kaum denkbar. Und: Mit Spucke kann man nicht spülen. Der Satz kommt zwar nicht von Scholz, wohl aber von einem der führenden Branchenvertreter im Vier-Augen-Gespräch.
Kommt: Verschärftes Verbraucherrecht ^
Ein weiteres Top-Thema im Jahr 2017 ist die Verschärfung des Verbraucherrechts. Während in Brüssel noch diskutiert wird, richtet man sich in Berlin auf die Vorreiter-Rolle ein. Die Bundesregierung stellt hierfür jedenfalls verstärkt Ressourcen bereit. Zur Disposition stehen sowohl die Beweislastumkehr als auch die zweijährige Gewährleistung. Die Stoßrichtung: Der Verbraucherschutz soll signifikant ausgeweitet werden. Da lässt der VW-Skandal schön grüßen. Die Industrie steht seither unter Generalverdacht.
Auch wenn, so Scholz, der Vorwurf der geplanten Obsoleszenz bei Elektrogeräten „vom Tisch“ ist, bleibt ein latenter Vorwurf im Raum stehen: Hausgeräte seien nicht mehr so lange haltbar wie vor 20 Jahren. Bestätigt auch das Umweltbundesamt in einem Strategiepapier aus dem Oktober 2016 laut einer in Auftrag gegebenen und vom Öko-Institut und der Uni Bonn durchgeführten Studie. Demnach stieg beispielsweise der Anteil der Haushaltsgroßgeräte, die aufgrund eines Defekts bereits innerhalb der ersten fünf Jahre ersetzt wurden, von 3,5 % im Jahre 2004 auf 8,3 % im Jahr 2013. Zudem seien einer Verbraucherbefragung im Rahmen dieser Studie zu den Produktgruppen Waschmaschinen, Fernseher, Notebooks, Wasserkocher und Handmixer rund ein Drittel der Befragten unzufrieden mit der Lebensdauer der Produkte.
Ein bürokratisches Monster ^
Stellt sich die Frage: Wie lange soll ein Elektro-Hausgerät generell halten? Und vor allem: Kommt da eine Pflicht-Hersteller-Garantie zur Haltbarkeit auf die Branche zu? Das ist zumindest eine der Kernempfehlungen des Umweltbundesamtes: Hersteller sollten verpflichtet werden, eine Aussage für die von ihnen garantierte Lebensdauer des Produktes zu machen, die so genannte „Herstellergarantieaussagepflicht“. Das klingt sperrig und ist es auch. Wird ein längerer Garantiezeitraum als „null“ angegeben, besteht eine materielle Garantie, an die die Hersteller gebunden sind.
Wird hier ein weiteres bürokratisches Monster geschaffen? Klar, das Kriterium des Energieverbrauchs lässt sich vergleichsweise gut messen. Bei der Haltbarkeit von Hausgeräten indes sind Zweifel angebracht. „Es sind keine Verfahren vorstellbar, die hinreichend genau und verlässlich aufzeigen könnten, ob ein Gerät nun zwölf oder 15 Jahre lang halten wird. Eine Scheingenauigkeit hilft niemandem“, sagte Dr. Reinhard Zinkann, Vorsitzender des Fachverbandes Elektro-Haushalt-Großgeräte im ZVEI, bereits vor einem Jahr.
Stromverbrauch kann man messen, die Haltbarkeit nicht. Aber um etwas (gesetzlich) zu regeln, muss man es exakt messen können. Das geht bei Hausgeräten nicht. Messen lassen sich allenfalls bestimmte Anforderungen bei ausgewählten Kernbauteilen. Doch eine Waschmaschine besteht aus über 1.000 Einzelteilen. Wer mag da bestimmen, wie lange die einzelnen Teile, erst recht im Zusammenspiel miteinander, halten? Mehr noch: Wie soll die zwingend notwenige Marktüberwachung in Sachen Haltbarkeit erfolgen? Scholz: „Ohne eine effiziente Marktüberwachung ist eine Regulierung nicht denkbar.“