Große bewegende Umwälzungen im Leben kündigen sich nicht mit Pauken und Trompeten an. Darum lohnt es sich, seiner Umgebung Achtsamkeit zu schenken und der eigenen Frau zu glauben. Zumindest lohnte es sich für Jason Chen aus Taipeh.
Der saß nämlich irgendwann in 2006 mit seiner Frau in einer der kleinen Kaffeebars in der taiwanesischen Hauptstadt und zerbrach sich den Kopf, wie er seine Firma retten könnte. Dabei hörte er im Hintergrund eine Frau, die den Barista um den Kaffeesatz bat – Kaffeesatz nimmt die schlechten Gerüche im Kühlschrank auf, ließ er sich belehren. „Och“, meinte seine Frau, „das wär doch was für dich. Du könntest so vielleicht deinen Körpergeruch loswerden. Kannst du das nicht in deine Textilfaser einbauen?“
Sie und ich, wir hätten es sicher erst mal mit Duschen versucht. Aber das Naheliegende ist nicht immer das geeignete Mittel, zumal gegen manche Gerüche nicht mal Langzeitdeos helfen.
Dementsprechend war Chen begeistert und schickte sofort seine Ingenieure los. Die wiederum mischten Kaffeesatz in die Polyesterfasern aus recycelten Plastikflaschen, fanden ein Verfahren, das sie patentieren ließen. Die Marke S.Café war geboren und rettete der Textilfima Singtex den Hintern.
Für ein T-Shirt werden drei Tassen Kaffeesatz und fünf PET-Flaschen gebraucht. Darum klappern in Taipeh jeden Tag Sintex-Lieferwagen Cafés, Kioske und Supermärkte ab und sammeln Kaffeesatz ein, bis zu 500 Kilo täglich. Inhaltsstoffe wie Phenole und Öle werden vor der Weiterverarbeitung des Kaffeesatzes entfernt, damit der Mensch nicht nach Kaffee riecht. Das braune Pulver wird dann mit den Flakes aus recycelten PET-Flaschen gemischt, erhitzt und durch eine Düse gespritzt – so entsteht ein Faden, aus dem dann Stoff gewebt wird. Der Abfall tausender Espressi und Caffè Latte hat Singtex auf diese Weise zu einem Liebling umweltbewusster Verbraucher gemacht.
Die Singtex-Textilen sind ein Renner bei Profi- und Freizeitsportlern, Firmen wie North Face, Asics, Timberland und Hugo Boss greifen auf die Kaffee-Textilien zurück. Seit Juni 2013 spielt auch die Fußballmannschaft FC Liverpool in den geruchsabsorbierenden Hüllen – spielt quasi in Kaffee-T-Shirts – und stattet ihre Fans damit aus.
Man sieht, man(n) muss nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und auf seine Frau hören.
Bild FC Liverpool Steven Gerrard
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