Fünf Tage, fünf Städte (Frankenthal, Bielefeld, Frankfurt, Rheinbach und Neuss), fünf verschiedene Anlässe: An eine so intensive Branchen-Woche wie die vergangene kann ich mich kaum erinnern. Das Top-Thema indes war eine Veranstaltung, die erst im Spätsommer ihr Comeback gibt: die IFA. Eigentlich ein Grund für große, ungeteilte Vorfreude. Pauken und Trompeten also, denn das physische Comeback der Branchen-Leitmesse wird sehnlichst erwartet.
Indes: Die Stimmung ist im Keller, die Marke IFA beschäftigt sich vor allem mit sich selbst, demontiert sich – zumindest in der Außendarstellung – zeitweise von ganz alleine. Höhepunkt der dramatischen Entwicklung: Ende der Woche hat sich nach Informationen von infoboard.de die Messe Berlin von Messe-Macher Jens Heithecker getrennt. Auf unsere Nachfrage bei der Messe Berlin gab es zwar keine offizielle Bestätigung, aber eben auch kein Dementi. Eine Pressemitteilung wurde indes noch für diese Woche angekündigt. Da gerät selbst das Ausscheiden von BSH-CEO Dr. Carla Kriwet zur Randnotiz. Die Nerven liegen blank. Meine Eindrücke einer außergewöhnlichen Woche:
Montag, 25. April: “Eine Messe auf Abruf”
Schnell noch ein gesundes Frühstück, bevor es zur HEPT-Premiere nach Frankenthal in der Pfalz geht. Zum Siebträger-Kaffee liefert die FAZ eine Schlagzeile (wie einen Hintergrund-Bericht) zur IFA, die für mächtig „Puls“ sorgt. „Eine Messe auf Abruf“ ist eine Geschichte „aus einer Zeit, in der Tradition wenig wert ist und die Zukunft der Messen unsicher“. Kurz vor dem Jubiläum, 2024 feiert die als „Internationale Funkausstellung“ gestartete Messe ihr 100. Jubiläum, gibt es zwischen der Berliner Messe als Ausrichter auf der einen und der gfu als branchenstarker Mit-Veranstalter auf der anderen Seite mächtig Bambule.
Hintergrund ist der im kommenden Jahr auslaufende Veranstaltervertrag zwischen beiden Beteiligten, der bislang stets ohne Nebengeräusche verlängert wurde. Vorbei! Bereits am 2. März berichtete der Newsletter des „Berliner Tagesspiegel“ über einen „Wirtschaftskrimi“ rund um die IFA, verbunden mit der aus Berliner Sicht verständlichen wie bangen Frage: „Verliert Berlin die IFA?“
War der Beitrag Anfang März vermutlich noch Durchstechereien der Berliner Politik geschuldet, nannte die FAZ am vergangenen Montag Ross und Reiter: BSH Europa-Vertriebschef Volker Klodwig, der bekanntlich seit dem vergangenen Jahr auch gfu-AR-Vorsitzender ist, sagte im Gespräch mit der FAZ: „Mir war klar: Nach dem Motto, wir machen einmal im September in Berlin das Licht an, das reicht nicht mehr aus.“ Man habe genau geprüft, was es zu verändern gelte. Und man kam offenbar zu dem Ergebnis – verdammt viel.
Dass der Beitrag in der FAZ einen Tag vor Sitzungen von BVT und ZVEI in Berlin und zwei Tage vor der (virtuellen) internationalen Pressekonferenz zur IFA erschienen ist, wird wohl mehr einer Strategie, denn dem Prinzip Zufall geschuldet sein. Klodwig zur FAZ: „Wir glauben, dass es in der alten Struktur nicht geht.“ Während die Berliner Landespolitik über „Intrigen“ und „Erpressung“ zürnt, hat die gfu nach Medienberichten mit dem Veranstalter Clarion Events einen neuen Partner in der Hinterhand, mit dem man die IFA gemeinsam als Veranstalter stemmen will. Die Messe Berlin würde dann wohl nur noch die Messefläche zur Verfügung stellen können. Und als wäre das nicht schon Sprengstoff genug, könnte laut „Tagesspiegel“ der Ex-Messe-Chef Christian Göke im Hintergrund die Strippen ziehen.
Klodwig gibt sich derweil in der FAZ mal versöhnlich („Mein persönlicher Wunsch: 100 Jahre IFA 2024 in Berlin ist der Best Case.“), mal knallhart („Wenn man nicht zu einer Lösung kommt, sind wir aufgefordert, dieses Format auszuschreiben, eventuell international.“).
Bei der HEPT-Premiere 2022 in Frankenthal ist vordergründig von der Berliner Aufregung nicht viel zu spüren. Im Gegenteil, hier zeigt die mit Jura, Liebherr und Miele komplett vertretene Berliner Messehalle 2, wie Premium geht und wie man es an den Fachhandel adressiert. Derweil checken die Industrie-Vertreter wie Top-Händler ihre Reisepläne für die Sitzungen von BVT und ZVEI tags darauf in Berlin.
Dienstag, 26.April: “Nur ein Gerücht …”
Geweckt werde ich durch eine Nachricht auf WhatsApp: Jens Heithecker, IFA Executive Director und Executive Vice President der Messe Berlin Group, soll bei der Messe Berlin auf dem Absprung sein. Versehen wurde die Nachricht mit dem Intro „Nur ein Gerücht …“.
Auf dem Weg zur EK nach Bielefeld (um mir ein Update über die Strategien des Mehrbranchenverbundes am Vorabend der EK FUN zu holen), die nächste Schlagzeile: „Carla Kriwitt verlässt die BSH“. Und man fragt sich: Was ist da in München los. Denn innerhalb kurzer Zeit werfen zwei Vorstandsdamen das Handtuch: CEO Carla Kriwet und COO Silke Maurer. Kriwet war gerade einmal zwei Jahre für die Münchner tätig. Kaum Zeit, um Spuren zu hinterlassen. Dennoch überrascht die lakonische BSH-Pressemitteilung: Nicht ein einziges Wort des Dankes und der Anerkennung. Die Sitten werden rauer.
Mittwoch, 27. April: “Vergeudete Lebenszeit”
Heute geht es zur Groupe SEB nach Frankfurt. Ich freue mich auf Gespräche und vor allem auf ein physisches Wiedersehen u.a. mit Katrin Kohn (Brand Communication Coordinator) und Angelo G. Luce (Product Manager Beverage). Und die Vorfreude wird nicht enttäuscht: Selten zuvor bin ich so tief in die Themen der Bodenpflege (Rowenta), Grillen (Tefal) und Kaffee (Krups) eingestiegen.
Selbst als Kaffee-Experte war mir nicht bewusst, dass man gut und gerne eine halbe Stunde kurzweilig wie informativ über die Vor- und Nachteile (herausnehmbarer) Brühgruppen bei Kaffee-Vollautomaten philosophieren kann. Mächtig was dazu gelernt, mächtig Company-Spirit der Groupe SEB getankt. Mehr darüber im kommenden Branchen-Newsletter.
Verpasst habe ich dadurch die „IFA Digital Press Conference 2022“. Aber habe ich wirklich was verpasst? Die Kollegen von moebelnews.de beklagten sich im Nachgang über eine halbe Stunde „vergeudete Lebenszeit“ und eine Show, bei der der „Informationswert gegen Null“ ging. Und es stimmt: Das vorproduzierte Video, das ich mir im Nachgang angeschaut habe, strotzte vor (zumindest für die Fachjournalisten der Branche) Allgemeinplätzen, Banalitäten und Worthülsen.
Und auch ohne mein Wissen seiner Demission zum Ende vergangener Woche machte Jens Heithecker eine höchst unglückliche Figur. Fakten, Hallen-Belegung, Aussteller-Namen? Null. Und das ist aufgerundet… Lediglich der Hinweis, dass 15 der 20 Top-Aussteller zugesagt haben. Mehr ließ sich nicht vernehmen. Doch mit Allgemeinplätzen zu 5G, Smart Living, Digital Health, Sustainability & Co. lässt sich kein IFA-Feuer entfachen.
Dabei hätte man gerne mehr erfahren zu den Querelen zwischen der Messe Berlin und gfu, zu den konkreten Planungen des Branchen-Leitmesse IFA und ihrer Rückkehr zum neuen Normal. Fehlanzeige. Die anschließende deutsche Session mit Fragen und Antworten zur IFA eröffnete Moderator Marcus Tychsen mit den Worten: „Die echte IFA ist zurück. Die Leute sind gierig danach, unsere Produkte wirklich zu sehen.“ Stimmt!
Auf die Nachfrage zu den Vertragsverhandlungen zwischen Messe Berlin und der gfu antwortete Heithecker: „Nicht üblich ist, dass Vertragsgespräche mit Gerüchten in der Öffentlichkeit verbunden sind. Aber Gespräche mit der gfu über die Fortführung der IFA, was wir verändern müssen, wie wir die IFA strategisch positionieren müssen, das ist das eine was läuft. Gleichzeitig arbeiten wir – und dies ist viel wichtiger – an der IFA 2022. Und da sind wir auf einem guten Weg.“
Auch bei den Pressekollegen scheint das Gerücht um Heitheckers Zukunft, um die sich eine Nachfrage drehte, angekommen zu sein. Heithecker: „Aus gutem Grund haben wir noch nie über meinen Arbeitsvertrag gesprochen, und so halte ich es auch weiterhin. Aber was ich sagen kann, ich arbeite mit vollem Engagement wie immer jetzt an der IFA 2022, bin in Gedanken bereits bei den IFA‘s, die folgen werden. Soweit ist alles, wie sie es kennen. Sie werden mich zur IFA wieder erleben!“
Freitag, 29. April: Klare Worte des EP-Vorstandes
Gestärkt durch reichlich Branchen-Optimismus am Vorabend (Branchentalk der EK zur Eröffnung von „electroplus küchenplus Karl“ in Rheinbach) geht es zur gut besuchten Premiere des Kongresses von ElectronicPartner für die Marken EP: und Medimax. Starke Workshops, klare Worte der beiden Vorstände Karl Trautmann und Friedrich Sobol an Politik und Industrie (insbesondere Miele und Samsung bekamen in Sachen D2C ihr Fett weg) und ein Branchen-Gefühl wie in Vor-Corona-Zeiten sorgen für Glücksmomente.
Was mir währenddessen fast pausenlos durch den Kopf geht, ist die Mitteilung eines (ranghohen) Industrie-Vertreters im Vier-Augen-Gespräch: Die Messe Berlin habe sich von Jens Heithecker getrennt. Und wie man hört, soll sich diese Trennung nicht im Einvernehmen, sondern so abgespielt haben, wie man es aus Filmen und Erzählungen kennt.
Bleibt zu hoffen, dass die Marke IFA, bei der derzeit auch ein Zweijahres-Rhythmus engagiert diskutiert wird, keinen weiteren Schaden nimmt. Und Heithecker? Seine Worte vom Mittwoch vergangener Woche hallen irgendwie nach: „Ich bin in Gedanken bereits bei den IFA‘s, die folgen werden …“ Die spannendsten Geschichten schreiben in diesen Tagen nicht die IFA-Aussteller, sondern die IFA selbst. Ende offen, Fortsetzung folgt.