Marktforschung

Der Markt für Personal Health startet durch

Digitale Gesundheitstechnologie wird zum Massenmarkt – und eröffnet etablierten Geräteherstellern vielversprechende Einstiegschancen. So sind acht von zehn Deutschen daran interessiert, ihre Gesundheit und Aktivitäten digital zu erfassen und nachzuverfolgen, etwa per Smartwatch oder App.


Ob Puls, Blutzucker oder Fitness: 44% der Menschen in Deutschland kontrollieren nach einer aktuellen Befragung mindestens vier gesundheitsrelevante Kennzahlen regelmäßig über eigene Geräte. In China und den USA gilt dies bereits für mehr als 60% der Bevölkerung, wie eine Verbraucherbefragung der Branchenorganisation gfu und der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt.

Bezogen auf ihre Gesundheitsdaten bringen Verbraucher den Innovationstreibern aus dem Start-up Segment am wenigsten Vertrauen entgegen. Für klassische Gesundheits- und Elektronikanbieter stehen die Türen dieses dynamisch wachsenden Marktes indes offen.

Die App HealthManager Pro von Beurer vereint Produkte aus den Bereichen Blutdruck, Gewicht, Blutzucker, Aktivität, Sauerstoffsättigung, Schlaf, Temperatur und Trinken und verschafft einen Überblick über die persönlichen Gesundheitswerte.

Alltägliche Begleiter

Sie sind unauffällig, wissbegierig – und melden jede Unregelmäßigkeit in Körper und Geist: digitale Gesundheitstools und Apps. Die Smartwatch schreibt ein EKG und erstellt ein Schlafprotokoll, das Telefon zählt jeden Schritt und kann aus dem Nutzungsverhalten eine nahende Depression erkennen. „Digitale Gesundheitsanwendungen sind als alltägliche Begleiter in der breiten Bevölkerung angekommen“, sagt gfu Geschäftsführerin Dr. Sara Warneke.

Warneke weiter: „Die Nutzungsraten steigen rasant, immer neue Anwendungen treffen den Nerv gesundheitsbewusster Verbraucher.“ Laut einer Prognose von Oliver Wyman werden bis 2033 weltweit sieben von zehn Menschen ihre eigene Gesundheit digital umfassend beobachten und nachverfolgen.

44% der Deutschen messen schon heute mindestens vier Vitalwerte in Eigenregie, in Großbritannien sind es 45%, in den USA sind es mit 60% und in China mit sogar 67% deutlich mehr. Die Konsumentenbefragung zeigt darüber hinaus: Menschen nutzen die digitalen Begleiter weitgehend unabhängig von ihrem Geschlecht oder Gesundheitszustand. „Die Zeiten, in denen Nutzer als überdrehte Fitnessfreaks belächelt wurden, sind jedenfalls vorbei“, sagt Warneke. „Es geht den Menschen um Früherkennung, Vorsorge und Eigenverantwortung.“ Die gesteigerte Achtsamkeit könne zudem das Gesundheitssystem entlasten.

„Digitale Gesundheitsanwendungen sind als alltägliche Begleiter in der breiten Bevölkerung angekommen“, Dr. Sara Warneke, gfu Geschäftsführerin.

Große Experimentierfreude

Zählen physiologisch und psychologisch relevante Daten zum Schlaf, Blutzuckerspiegel oder dem Trink- und Essverhalten bereits zum Standard, so beschäftigen sich erste Monitoring-Anbieter auch mit Temperaturmessung über Ohrhörer oder der automatisierten Analyse von Ausscheidungen.

„Der Erfolg der Apple Watch und vergleichbarer Wearables hat das Feld bereitet“, sagt Dr. Martin Schulte, Partner der Strategieberatung Oliver Wyman und Co-Autor der Studie. „Nun treiben Start-ups das Thema mit originellen Gadgets und viel Innovationskraft voran.“ Ein Blick auf die Finanzierungsrunden von Personal Health-Start-ups zeugt vom Aufschwung: 2022 flossen 1,2 Mrd. US-Dollar in den Sektor – doppelt so viel wie 2018 und nahezu eine Verzehnfachung gegenüber 2015.

Dennoch: Der Oliver Wyman-Experte sieht die kleinen Trendsetter im Nachteil, wenn es gilt, den eröffneten Massenmarkt zu erobern. „Jetzt ist stattdessen die richtige Zeit für etablierte Marken aus der Haushalts- und Verbraucherelektronik gekommen, um mit ihrer Bekanntheit in die Lücke zu stoßen und das geweckte Interesse zu bedienen.“

Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der gfu, präsentierte zusammen mit Dr. Martin Schulte, Partner der Strategieberatung Oliver Wyman, die Studie „The Heartbeat of Progress“.

Eine Frage des Vertrauens

Der Grund: „Die Experimentierfreude ist auch auf Anwenderseite groß, doch die dauerhafte Nutzung der Apps und Tracker bleibt vor allem eine Frage des Vertrauens“, sagt Schulte. „Mehr als die Hälfte der Befragten weltweit erachten den Bereich Personal Health als noch zu wenig reguliert und sorgen sich um die Integrität ihrer Gesundheitsdaten.“

Start-ups haben mit der größten Skepsis in Sachen Datenschutz zu kämpfen: Nur 32% der Menschen vertrauen ihnen laut Studie. Hersteller von Medizintechnik erzielen dagegen mit 61% in der Umfrage die höchsten Vertrauenswerte. Auch Technologieunternehmen wie Apple und Amazon (59%), bekannte Marken aus der Fitness- und Wellnessbranche sowie Handelskonzerne (beide 54%) genießen weitaus mehr Vertrauen. „Große Marken können jetzt über Zukäufe und Kooperationen geschickt einen Fuß in den attraktiven Digital-Health-Sektor setzen“, sagt Schulte.

Auch ältere Nutzer profitieren

Zwei Altersgruppen machen am stärksten Gebrauch von den Gesundheitsgadgets: zum einen 26- bis 35-jährige Millennials, zum Anderen die über 65-Jährigen. „Digitalaffine Menschen über 65 zählen zu besonders fleißigen Anwendern. Sie ersparen sich etwa mit Blutzuckermessungen manchen Arztbesuch und profitieren auch von Medikamenten-Erinnerungs-Apps oder Sturzsensoren“, kommentiert Warneke die Ergebnisse.

Die Studie offenbart auch einen Blick ins Jahr 2030 über eine spezielle Abfrage in der Generation Z, also den heute 18- bis 25-Jährigen. 69% dieser Menschen erwarten, dass sie in sieben Jahren üblicherweise das essen werden, was ihnen ihr Smartphone empfiehlt. Ebenso viele vertrauen darauf, dass sie dank digitaler Hilfsmittel weniger oft krank werden.

Mehr noch: 54% halten es für wahrscheinlich, dass ein Gerät in der Toilette ihre Ausscheidungen auf gesundheitlich relevante Parameter hin kontrollieren wird. Und 43% nehmen an, dass im Jahr 2030 ein implantierter Chip ihre Gesundheitsdaten überwachen wird. „Diese erstaunlich weitgehenden Erwartungen zeigen, mit welcher Dynamik das Thema Personal Health unseren Alltag erfasst“, sagt Martin Schulte. Und: „Wir sind gut beraten, die Vorteile zu nutzen, aber die Risiken ebenfalls im Blick zu behalten.“

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