Lieber Herr Dehmel, als wir uns vor knapp zwei Monaten unterhielten, war die Bremsspur bei den technischen Konsumgütern schon deutlich zu erkennen. Dieser Trend dürfte sich in den vergangenen Wochen noch einmal massiv verstärkt haben. Wie sieht es aktuell auf dem TCG-Markt hierzulande aus?
Der Markt für technische Konsumgüter hält sich wacker. Auch zwei Monate nach unserem letzten Gespräch verzeichnete er von Januar bis August noch ein Umsatzplus von einem Prozent im Vergleich zu dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Da 2021 ein sehr starkes Jahr war und vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen ist das noch ein gutes Ergebnis.
Das Wachstum des Marktes wird nach wie vor von zwei Sektoren getrieben: Der Telekommunikationsbereich verzeichnete in den ersten acht Monaten des Jahres zwölf Prozent Umsatzwachstum. Auch Großgeräte konnten ihren Umsatz um drei Prozent steigern. Andere Sektoren entwickeln sich im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, wegen der Corona-Pandemie vergleichen wir aber in vielen Kategorien mit einem Allzeithoch.
Hand aufs Herz: Meteorologen langweilen sich, wenn sie immer das gleiche Wetter ansagen müssen, sich in der Wetterküche über Tage hinweg wenig tut. Wie ist das bei den Marktforschern? Der GfK Konsumklimaindex war ja viele Jahre eher eine waagerechte Linie, irgendwo gab es immer eine Wachstumsstory.
Jetzt setzte er und mit ihm die gesamte Konsumlaune infolge der Pandemie, dem Kriegsgeschehen und der Inflation zu einer nie zuvor gesehenen Talfahrt an, die historische Tiefststände im Rekordtempo reißt. Was bedeutet das für Ihre alltägliche Arbeit? Reichen da Ihre Datenbasis und Ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit aus oder muss man in dieser beispiellosen Krise als Marktforscher ganz anders agieren?
In der Tat erleben wir aktuell extreme Zeiten. Die Konsumenten sind vielen Entwicklungen ausgesetzt, die sie verunsichern. Das sieht man in unserem GfK Konsumklimaindex besonders stark. Mit zuletzt minus 36 Indexpunkten wurde im September der niedrigste Wert der Verbraucherstimmung seit der Wiedervereinigung gemessen.
Auch für die kommenden Monate prognostizieren wir weitere Rückgänge.
Als Daten- und Analyseunternehmen sind wir gefordert, mit den sich rasant ändernden Märkten und Kundenbedürfnissen Schritt zu halten. Trotz der volatilen Zeit müssen wir die komplexen Fragestellungen unserer Kunden beantworten und sie richtig beraten. Die größte Herausforderung für Unternehmen ist es aus meiner Sicht, schnell zu reagieren. Dafür sind unsere Kunden auf hochaktuelle Daten angewiesen, um neueste Trends und Veränderungen auf dem Markt zu identifizieren und entsprechend reagieren zu können.
Dafür nutzen wir unsere digitale Datenplattform gfknewron, die Markt- und Konsumentendaten vereint und KI-gestützte Prognosen und Handlungsempfehlung abgibt. Zudem bringen unsere Experten langjährige Erfahrung im Interpretieren und Auswerten von Markt- und Konsumentendaten mit und können Entscheider in Unternehmen bei ihren konkreten Fragestellungen und Herausforderungen unterstützen. Auf diese Weise werden gemeinsam fundierte Strategien entwickelt und vorausschauende Entscheidungen getroffen, um erfolgreich durch die aktuellen Krisen zu kommen.
Veränderte Rahmenbedingungen erfordern im Handel neues Handeln: Verändert hat sich nicht nur, was Konsumenten kaufen, sondern auch wo und aus welchem Antrieb heraus sie dies tun und was letztendlich ihre Kaufentscheidung beeinflusst. Welche Trends sehen Sie da?
Auch hier stützen wir uns auf Erkenntnisse aus unsere Datenplattform gfknewron. Mit gfknewron Consumer erhalten wir Insights dazu, welche Konsumenten etwas wo und warum gekauft haben.
Als größten Treiber für den Erstkontakt mit einem Produkt sehen wir derzeit die Empfehlungen von Freunden und Familie: 23% der Konsumenten wurden davon inspiriert. Gleichzeitig sprechen 55% nach dem Kauf mit ihren Freunden und ihrer Familie über das Produkt. Ein positives Image beim Käufer ist also enorm wichtig für Händler und Hersteller, um weitere Käufe zu generieren.
Aber nicht nur das Warum ist interessant, auch das Wo: 29% der Verbraucher, die sich im ersten Halbjahr nur online informiert haben, haben ihren Kauf dennoch über Offline-Kanäle getätigt. Gleichzeitig hat mit 82% die große Mehrheit der Konsumenten, die sich nur offline informiert, auch über Offline-Kanäle gekauft.
Sogar bei Personen, die ihre Recherche online und offline betrieben, fand der Kauf bei 56% im stationären Handel statt. Stationäre Händler müssen die Beratungsstärke vor Ort so ausspielen, dass Konsumenten, die in den Laden kommen, dort auch kaufen.
Apropos Trends: Von welchen Strömungen & Stimmungen profitiert die Hausgerätebranche derzeit? Gibt es Produktgattungen, denen die aktuelle Krise nichts anhaben kann?
Der Markt für Kleingeräte verzeichnete in den ersten acht Monaten des Jahres ein Umsatzminus von 5%. Dennoch gibt es auch hier Wachstumschancen. Es sind weniger komplette Produktgattungen, die sich positiv hervorheben, sondern vielmehr bestimmte Produkte. Innovative Produkte, die einen klar erkennbaren Kundennutzen liefern, können weiterhin wachsen und sich auf entsprechend hohen Preispunkten durchsetzen.
Haushaltsgroßgeräte hingegen entwickeln sich im Vergleich zum Vorjahr noch positiv. Wir unterscheiden aber zwischen „Must Have“- und „Nice To Have“-Produkten: Geht ein Kühlschrank oder eine Waschmaschine kaputt, werden sie immer ersetzt. Bei weniger essenziellen Geräten, beispielsweise Wäschetrocknern sieht das anders aus. Dennoch konnten wir bei Einbauherden in diesem Jahr noch eine sehr positive Entwicklung sehen. Aber obwohl dieser Bereich seinen Umsatz bis August noch um 11% steigern konnte, lässt das Umsatzwachstum derzeit ebenfalls nach.
Energieeffizienz ist bei Großgeräten ein wichtiges Thema, getrieben von den stark steigenden Energiepreisen und dem Bedürfnis der Verbraucher, Geld zu sparen. Mit dem neuen Energieeffizienz-Label können sich Hersteller jetzt wieder vom Wettbewerb differenzieren. Entsprechend sehen wir sehr hohe Wachstumsraten bei Geräten mit den Klasse A und B bei Waschmaschinen, sowie für die Klassen A bis C im Bereich Kühlen.
Man liest immer wieder: Der Preiseinstieg funktioniert noch. Zudem auch der Highend-Bereich, beispielsweise bei Kaffeevollautomaten und Siebträgern. Deckt sich das mit ihren Zahlen?
Insgesamt verkaufen sich Preiseinstiegsprodukte aktuell nicht mehr so gut. Beispielsweise bei den Großgeräten oder Unterhaltungselektronik halten sich die Käufer im Preiseinstiegsbereich zurück. Personen, die Budget verfügbar haben, kaufen nach wie vor hochpreisig. Verbraucher mit geringem Budget verzichten aktuell eher.
Es ist aber auch zu erwarten, dass es in Zukunft wieder mehr Angebote und Aktionen geben wird. Das aktuelle Umfeld führt zu Kaufzurückhaltung und eine Gegenmaßnahme sind Aktionen. Diese werden sicherlich von vielen Konsumenten angenommen werden, die versuchen Preissteigerungen zu umgehen.
Händler müssen sich zielgerichtet fragen: Was motiviert meine Käufer konkret? Welche Werbung wirkt? Welche Touchpoints sind besonders effektiv? Aber selbst, wenn ich da meine Hausaufgaben richtigmache: Was kann ich als Händler, wenn die Rahmenbedingungen so mies wie derzeit sind, verbessern, um die Frequenz in meinem Laden zu erhöhen und im Idealfall trotz Krise den Umsatz zu steigern?
Händler sollten die aktuellen Entwicklungen aufmerksam beobachten und auf die Bedürfnisse der Konsumenten eingehen. Dazu gehört zum Beispiel, den Konsumenten aufzeigen, wie sie in der Energiekrise mit vernetzten und energiesparenden Produkten Geld sparen können.
Stationäre Händler können besonders durch Preise und Produktverfügbarkeit punkten: So gaben laut gfknewron Consumer in der ersten Jahreshälfte 53% der Konsumenten an, dass sie aufgrund der Preise beim stationären Händler gekauft haben und 50%, weil bei diesem das gewünschte Gerät verfügbar war.
Wie bereits erwähnt ist auch die Beratung ein echter Pluspunkt: 24% der Konsumenten gaben an, einen stationären Händler aufgrund der Qualität der Beratung weiterempfohlen zu haben. Gleichzeitig haben 29% der Konsumenten einen stationären Händler aufgrund unzureichenden Kundenservices nicht weiterempfohlen.
Für Händler lohnt es sich, eine enge und vertrauensvolle Beziehung zu den Kunden aufzubauen, um die Frequenz in ihrem Laden durch Kundenempfehlungen erhöhen zu können.
Wie können Händler gesicherte Informationen zur Zukunftsgestaltung erhalten? Mit gfknewron for Retail hat die GfK ja eine Plattform gelauncht, die Informationen über Märkte, Wettbewerber und Verbraucher in einer zentralen Datenbank zusammenführt. Technikhändler sollen damit neue Umsatzpotenziale entdecken und erschließen und „bessere Entscheidungen“ im Zielgruppen-, Touchpoint- und Category-Management treffen. Wie läuft das ganz konkret ab?
Zusätzlich zu unserer KI-gestützten Datenplattform gfknewron haben wir in diesem Jahr die Plattform gfknewron for Retail speziell für Händler von technischen Gebrauchsgütern entwickelt. Händler können sie unabhängig von ihrem Vertriebskanal, der Region oder der Größe des Unternehmens nutzen. Die einzige Bedingung ist, im Rahmen einer Partnerschaft mit uns am GfK Retail Panel teilzunehmen. Im Gegensatz erhält der Händler kostenneutral unser Basispaket und hat Zugriff auf zahlreiche relevante Marktdaten für die Zukunftsgestaltung.
Die Basis der Analysen und Empfehlungen für Händler bilden die größtenteils wöchentlichen Abverkaufszahlen von 130.000 Verkaufsstellen (auf Einzelartikelebene) sowie die Daten der weltweit größten Trackingstudie unter tatsächlichen Käufern technischer Gebrauchsgüter.
Wie entwickeln sich die Preise von technischen Konsumgütern aktuell?
Die Preisentwicklung ist sehr unterschiedlich. Es gibt einerseits Bereiche, in denen besonders bei den höherpreisigen Segmenten eher eine Reduktion der Preise zu beobachten ist. Ein Beispiel hierfür ist der TV-Markt. Andererseits sehen wir bei Produktbereichen mit einer hohen Innovationsrate, wie beispielsweise Smartphones oder Laptops, dass dort die neuen Generationen mit höheren UVPs als ihre Vorgänger starten.
Diese Entwicklung wird durch Innovation getrieben, aber sicherlich auch durch gestiegene Einkaufspreise. Besonders deutlich werden die Unterschiede am Beispiel Kühlgeräte. So sind in dieser Kategorie zwar bei 44% der 200 Top-Produkte die Preise im Juli gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen, bei 26% der Produkte ist der Preis hingegen gefallen.
Die Stärke des US-Dollars wird in naher Zukunft jedoch weiteren Druck auf die Preise ausüben. Das ist etwas, das der Konsument normalerweise gar nicht in Betracht zieht.
Die aktuellen Herausforderungen werden sicherlich noch eine Weile erhalten bleiben. Wie gut ist der Markt für diese Herausforderungen aufgestellt?
Wo Handel und Hersteller mittlerweile gut aufgestellt sind, ist das Thema Omni-Channel. Dem heutigen Konsumenten reicht nicht nur ein Verkaufskanal: Er kennt sich mit den verschiedenen Möglichkeiten aus und nutzt sie auch, unabhängig von Lockdowns.
Auch die Logistik bekommen Händler und Hersteller besser unter Kontrolle. Die Problematik bei Lieferketten und Verfügbarkeiten besteht zwar nach wie vor bei bestimmten Komponenten und Produkten, trotzdem ist zu erwarten, dass sich die Wogen langsam glätten werden.
Die größte Herausforderung ist derzeit sicherlich der Konsument und die sinkende Verbraucherstimmung. Dennoch gehen wir davon aus, dass Angebote in der Vorweihnachtszeit und zu Black Friday gut angenommen werden. Danach kommt es für die Händler und Hersteller darauf an, das richtige Produktportfolio anzubieten und den Kunden Möglichkeiten zum Sparen aufzuzeigen.
Abschließend: Sehen Sie einen Silberschweif am Horizont?
Es gibt viele Unwägbarkeiten, die den Markt schnell beeinflussen können. Doch in jeder Krise liegt auch eine Chance. Trotz vielfältigster Disruptionen in den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich immer wieder gezeigt: Händler und Hersteller mit starken Marken, mit innovativen Produkten und diejenigen, die auch während einer Krise investieren, sind gestärkt aus der Krise hervorgegangen und konnten sich schneller von dieser erholen als andere.
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