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„Die Küche ist die Seele des Hauses”

Die Küche ist nicht nur für Häberli die Seele des Hauses. Hier wird gegessen und geredet, gestritten und gespielt, Hausaufgaben gemacht, gelacht, geweint und geliebt. Foto: AMK
„Die Küche ist zentraler Ort und Angelpunkt des Wohnens und wird es auch bleiben“, Alfredo Häberli. Foto: Mirjam Kluka
„Die Küche ist zentraler Ort und Angelpunkt des Wohnens und wird es auch bleiben“, Alfredo Häberli. Foto: Mirjam Kluka

Der Schweizer Designer Alfredo Häberli hat für die Messe LivingKitchen die Future Kitchen „Sense & Sensuality“ entwickelt. Als zentraler Raum eines ganzheitlichen Wohnensembles dient sie laut Häberli auch in Zukunft als wichtiges Bindeglied für das soziale Leben. Die zum Teil weit nach vorne gedachte Küchenausstattung werden die Besucher per Augmented Reality erleben können. Im Interview erläutert der in Argentinien geborene Designer, warum die Küche so wichtig für unsere Wohnkultur ist.

Sie haben eine besondere Beziehung zur Küche – als Produkt wie als Lebensraum – und haben nun für die LivingKitchen ein ganzheitliches Raumensemble mit Zukunftscharakter entworfen, mit der Küche im Zentrum.

Für mich ist das eine Ehre. Gleichzeitig versetzt mich die Anfrage zurück in die Kindheit, weil ich in Restaurant und Hotel aufgewachsen bin. Ich habe mehr Zeit in der Küche verbracht als im Wohnzimmer. Für mich ist diese Situation, bei der ich quasi aus der Vergangenheit in die Zukunft schaue, enorm spannend.

Stellt es eine große Herausforderung dar, etwas gestalterisch vorwegzunehmen, was gesellschaftlich noch nicht gelebt wird?

Ich arbeite kontinuierlich daran, diese Zukunftsküche zu entwickeln. Dabei möchte ich sie bewusst auf eine gewisse Abstraktionsebene bringen, weil die Zeit, in der wir leben, unglaublich schnell vorangeht. Diese Küche wird die nahe Zukunft thematisieren.

Future Kitchen Zeichnungen
Future Kitchen Zeichnungen

Was ist in Zukunft in der Küche wirklich wichtig?

Für mich hat die Küche als Seele des Hauses, eigentlich als Feuerstelle, um die man drumherum sitzt, eine extrem wichtige soziale Komponente. Zum anderen wird aber auch die Idee des Degrowth, also von der Reduzierung des Wachstums und der Zurück-Beschränkung auf Wichtiges, ein ganz zentrales Thema sein. Erste ansatzweise Auswirkungen sehen wir derzeit in verschiedenen Bereichen der Autoindustrie und der Mobilität insbesondere in Verbindung mit der Sharing-Idee: Teilen – etwa das Teilen von Space, Aktionen, Mobilität – wird sehr wichtig werden. Und ich glaube, das wird auch die Küche tangieren.

Welche Möglichkeiten eröffnen sich für die Gestaltung der Küche?

Ich der Küche ging es designtechnisch in den letzten Jahren ja hauptsächlich um die Ästhetik des Ganzen, ums Verstauen und um die Integration von Geräten. Das sind sehr komplexe Anforderungen – ähnlich wie im Bad –, wodurch sich aktuelle Entwicklungen gegen einen relativ festen formalen Kanon durchsetzen müssen und weniger dynamisch verlaufen. Doch hier gibt es jetzt eine große Offenheit für Veränderungen, auch aufgrund neuer Technologien.

Welche Herausforderungen stellen sich dem Design bei der Aufgabe, die Küche räumlich und funktional den heutigen Bedürfnissen anzupassen?

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Küche stark verändert. Sie hat sich geöffnet zu allen Wohnräumen und Raumsituationen – auch wieder ähnlich wie beim Bad. Wir sehen auch Tendenzen, die Küche als Schutzzone zu begreifen, in der man sich vor allem wohlfühlen können soll, beim Kochen, beim Anrichten, beim Essen.

Gleichzeitig haben wir die Küche unter der Woche und die Küche am Wochenende – und die übernehmen ganz verschiedene Funktionen! Am Wochenende hat man mehr Zeit, man agiert bewusster beim Anrichten und beim Essen im sozialen Umfeld, mit der Familie und mit Freunden. Unter der Woche geht man damit ganz anders um. Zudem wird die Küche das Spannungsmoment vom Analogen zum Digitalen künftig noch viel stärker aufnehmen.

Alles fließt: Die modernen Küchen sind offen und ohne Mauern …
Alles fließt: Die modernen Küchen sind offen und ohne Mauern … (Fotos: AMK)
… die Grenzen zwischen Kochen und Wohnen lösen sich auf.
… die Grenzen zwischen Kochen und Wohnen lösen sich auf.

Wird sich die Bedeutung der Küche mit der Digitalisierung grundlegend wandeln?

An der Küche sehen wir, dass die Dinge, die wirklich wichtig sind, Bestand haben. Das Zuhause ist für mich dafür fast das beste Beispiel. Nahrung an sich ist für uns Menschen das eigentlich ursprünglichste Motiv. Darin unterscheiden wir uns gar nicht so sehr von den Tieren. Auch wir fragen uns: Wann komm ich zum Essen, wie komm ich zum Essen, was für ein Essen bekomme ich? Das ist lebensnotwendig, ist essentiell. Schon darum ist für mich die Küche ein Kernbereich des Wohnens und wird es auch bleiben.

Inwieweit wird sich die Rolle der Küche als Familienmittelpunkt angesichts des allgemeinen Trends zur Individualisierung verändern?

In meiner Vorstellung war die Küche immer das Bindeglied. Darum sage ich auch: Die Küche ist die Seele des Hauses. Zur Küche gehört für mich auch der Esstisch. Schon während des Studiums haben wir die besten Ideen, die besten Modelle am Küchentisch entwickelt. Dafür braucht man noch nicht einmal eine große Tafel – es reicht schon der einfachste, kleinste Küchentisch, um zu skizzieren oder ein Modell zu basteln. Am selben Tisch wird das Essen angerichtet, gespielt, Hausaufgaben gemacht. Für mich ist die Küche unmittelbar angedockt an diesen Tisch. Die Küche ist zentraler Ort und Angelpunkt des Wohnens und wird es auch bleiben.

(Dank den Industrie-Partnern Samsung oder Schott Ceran werden Besucher die Küchenausstattung und eine Reihe von Küchengeräten, die Alfredo Häberli als Zukunftsszenarium entworfen hat, sowohl real als auch virtuell erleben können – als Augmented Reality.)

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