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Dritte Insolvenz ein „Befreiungsschlag“? Das Galeria-Drama geht weiter

Die dritte Insolvenz der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof binnen nicht einmal vier Jahren ist eine schallende Ohrfeige für alle Beteiligten: für die Belegschaft natürlich, für den schillernden Eigentümer und die vorherigen Sanierer vor allem, für die Innenstadt-Akteure und Stadtplaner und für den Steuerzahler, denn der Bund hat ja in der Vergangenheit reichlich Überlebenshilfe (680 Mio. EUR) zugeschossen. Und dennoch spürt man fast überall ein Aufatmen, wird fast unisono kolportiert, das die neuerliche Insolvenz „ein Befreiungsschlag“ sein könnte.


Vor einem Jahrzehnt übernahm Rene Benko Karstadt. Er führte die Warenhäuser nach der Übernahme von Galeria Kaufhof 2018 unter einer Marke zusammen.

Ein Befreiungsschlag? Genau. Denn erstens lief das zurückliegende Weihnachtsgeschäft operativ deutlich besser als erwartet. Und zweitens hofft man mit einem Eigentümerwechsel, so es denn potente Interessenten – es fallen immer wieder Namen wie Breuninger oder die bereits involvierte Central Group aus Thailand – gibt, der Zerschlagung zu entkommen und einen echten Neustart ohne die Fesseln des jetzigen, ebenfalls insolventen Eigentümers Signa hinzubekommen.

Immerhin: Die Filialen sowie das Online-Geschäft sollen in vollem Umfang fortgeführt werden. Das aktuelle Führungsteam und der vorläufige Insolvenzverwalter wollen den Sanierungsweg gemeinsam beschreiten. Gemeinsamer Wunsch: „Galeria Karstadt Kaufhof wird in Zukunft für innovativen Handel in deutschen Innenstädten stehen und für seine Kundinnen und Kunden vor Ort da sein“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.

Der aktuelle Galeria-Prospekt aus dieser Woche.

Im 1. Quartal 2023/24 über Vorjahr

Fakt ist: Galeria Karstadt Kaufhof ist mit seinen über 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Markt erfolgreich und hat das 1. Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 über dem Vorjahresquartal abgeschlossen. Die aktuell zahlreich aufpoppenden Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigen Galeria indes massiv, behindern das laufende Geschäft und schränken durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die künftige Entwicklungsmöglichkeit stark ein.

Um sich aus dieser Situation zu befreien und eine erfolgreiche Zukunft für Galeria Karstadt Kaufhof zu sichern, hat das Unternehmen am 9. Januar 2024 beim Amtsgericht Essen einen Insolvenzantrag gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Stefan Denkhaus bestellt.

Das Galeria-Management mit CEO Olivier Van den Bossche sowie CFO und Arbeitsdirektor Guido Mager wird den Prozess gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter aktiv begleiten. Und auch die wesentlichen Leistungsträger aus Galerias Führungsteam haben erklärt, den gemeinsamen Weg weiter mitzugehen.

Die erfolgreiche Strategie der starken lokalen Ausrichtung, die sich insbesondere in den vergangenen Monaten bewährt hat, wird vom Galeria-Management fortgesetzt. Ziel ist die Fortführung von Galeria. Mit der Befreiung aus den durch Signa gesetzten Rahmenbedingungen strebt Galeria einen Eigentümerwechsel an. Gespräche mit potenziellen Investoren sind dazu bereits angelaufen. Erste Gespräche haben offenbar gezeigt, dass das Warenhausgeschäft von Galeria in deutschen Innenstädten und Einkaufsmetropolen nach einem solchen Befreiungsschlag hoch attraktiv sein kann.

Der aktuelle Galeria-Prospekt aus dieser Woche.

„Aus der Umklammerung befreien“

Stefan Denkhaus, vorläufiger Insolvenzverwalter von Galeria: „Galeria Karstadt Kaufhof hat sich unter der Führung von Olivier van den Bossche und Guido Mager intensiv Gedanken über die Verfahrensart gemacht und sich für ein Regelverfahren entschieden. Ich denke, dass diese Entscheidung klug war, um den Befreiungsschlag zu dokumentieren. Das Management hat bereits viel erreicht und wird deshalb den Sanierungsprozess mit mir im Team führen. Ich baue auf diesem Vertrauen auf, auch wenn ich naturgemäß beide erst seit kurzem kenne. Die Insolvenzen der Signa-Gruppe haben die gute Entwicklung von Galeria konterkariert und bedrohen das Unternehmen. Dem Management blieb deshalb kein anderer Weg, als das Unternehmen im Zuge einer Insolvenz aus dieser Umklammerung zu befreien. Wir werden gemeinsam mit aller Kraft daran arbeiten, den begonnen Weg unter besseren Rahmenbedingungen weiter fortzusetzen und Galeria als Unternehmen zu erhalten. Eine Zerschlagung ist ausdrücklich nicht Ziel des Verfahrens.”

CEO Olivier Van den Bossche ergänzt: „Galerias operativer Erfolg wird durch die Rahmenbedingungen der alten Eigentümerstruktur belastet. Wir sehen in dem heutigen Tag ausdrücklich einen Befreiungsschlag. Jetzt zählt allein, was Galeria weiterbringt. Wir müssen die Signa-Mieten, teure Dienstleister, das Service-Center in Essen und die Effizienz unserer Logistik konsequent auf Kurs bringen. Unsere Filialen und Vertriebsmannschaft funktionieren bereits gut und auch unser Online-Geschäft haben wir in die Profitabilität geführt. Jetzt sind unsere Ziele Eigentümerwechsel und Lösung aus der Umklammerung.”

Wichtiger Frequenzbringer für die Innenstadt

Für die Städte ist Galeria Karstadt Kaufhof ein extrem wichtiger Ankerhändler in den Zentren: Für die Versorgung der Menschen in den Städten ist Galeria Karstadt Kaufhof essenziell und die umliegenden Fachgeschäfte und Gastronomiebetriebe brauchen den großen Nachbarn als Frequenzbringer für die Innenstadt. Und auch in der Hausgeräte-Branche gehen die Blicke mal wieder nach Essen: Im aktuellen Prospekt dieser Woche wirbt Galeria bei Kleingeräten u.a. mit Braun, Bosch, Siemens und WMF, bei Großgeräten mit AEG, Bauknecht, Bosch und Siemens.

Welch ein Hohn schließlich dieses Detail: Es sind, Stand heute, noch nicht einmal alle Filialen geschlossen, deren Aus im vergangenen Sommer beschlossen wurde – und schon steht vermutlich eine weitere Schließungswelle bevor. Aus einst 172 Filialen wurden zunächst 131, im Fortgang der zweiten Insolvenz erfolgte die Verschlankung auf 92 Warenhäuser. Die nächste „Filial-Diät“ ist wohl unausweichlich. Kolportiert wird, dass aktuell 60 Filialen profitabel seien.

Weitere Staatshilfen stehen aktuell hingegen nicht zur Debatte. Sie sind auch vor dem Hintergrund der ohnehin knappen Haushaltslage unrealistisch. „Ich bin davon überzeugt, dass Warenhäuser und der stationäre Handel im Allgemeinen eine Zukunft haben. Die Menschen wollen weiterhin in die Innenstadt kommen, denn das Einkaufserlebnis vor Ort bleibt etwas Besonderes“, sagt Alexander Bartz, SPD Bundestagsabgeordneter für das Oldenburger Münsterland.

Matthias M. Machan

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