Story

eCommerce-Tag NRW: Kunde. Kunde. Kunde!

Geht’s im Handel jetzt ans Eingemachte? Folgt man einer ganz neuen Studie des NRW-Wirtschaftsministeriums („Handelsszenarien Nordrhein-Westfalen 2030“) über die Herausforderungen des Einzelhandels im digitalen Zeitalter, kann einem angst und bange werden. Bei bis zu 20.000 Einzelhändlern in NRW kann in den kommenden zehn Jahren das Licht für immer ausgehen, das negativste Szenario geht gar von einem Kahlschlag von über 25.000 Geschäften aus. Dass das für die Attraktivität der Innenstädte wie für den Handel mit Hausgeräten, der neben dem Buchhandel und den Modegeschäften am meisten vom Onlinehandel durchgerüttelt wird, massive Folgen hat, das liegt auf der Hand.

Vorgestellt wurde die Studie anlässlich des eCommerce-Tages NRW, veranstaltet vom NRW-Ministerium für Wirtschaft und Digitalisierung vergangene Woche in Köln. Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: „Es gibt keinen Grund für Schwarzmalerei, aber viele Gründe zum Handeln.“ Sicher, die Studie hat nicht den Anspruch, dass die Zukunft genauso eintreffen wird, und visionäre Szenarien gibt es im Zeitalter der digitalen Transformation zuhauf, indes: Mit dem Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) waren ausgewiesene Experten am Start, die ihren Finger am Puls des Handels mit seinem Wohl und Wehe haben.

Zahlen zum Onlinehandel ^

In der Multichannel-Falle ^

Und schon einmal, im Jahr 2017 in der Wuppertaler Stadthalle, hat eine zentrale Botschaft des eCommerce-Tages ziemlich ins Schwarze getroffen. Dr. Andreas Brill, Geschäftsführer von Business4Brands in Duisburg, warnte vor ziemlich genau zwei Jahren vor der Multichannel-Falle im eCommerce. Denn: Der organisatorische Aufwand und die Kosten steigen, der Ertrag ist angesichts erdrückender Konkurrenz durch Player wie Amazon oder Alibaba eher gering. Brill damals im Exklusiv-Gespräch mit infoboard.de: „Mit Multichannel erhöhe ich meine Komplexität, verschlechtere meine Kostenbasis, steigere damit aber nicht überproportional meinen Umsatz. Im besten Falle schiebe ich meine Umsätze von einem Kanal in den anderen – meistens kommt am Ende weniger heraus.“ Nebenbei bemerkt: Wollte das bei MediaMarktSaturn vor zwei Jahren eigentlich keiner wahrhaben?

„Es gibt keinen Grund für Schwarzmalerei, aber viele Gründe zum Handeln“, NRW-Wirtschafts- und Digitalminister Pinkwart.

Zurück in die Gegenwart: Angetrieben von der Digitalisierung durchläuft der Einzelhandel einen tiefgreifenden Strukturwandel: der Onlinehandel wächst, gleichzeitig nimmt die Urbanisierung mit Vehemenz zu. Welche Zukunftsszenarien ergeben sich daraus für den Handel? Und wie lässt sich der digitale Wandel erfolgreich gestalten? Über diese Fragen tauschten sich im Kölner „New Yorker Dock.One“ Vertreterinnen und Vertreter aus Handel, Politik, Wirtschaft und Verbänden mit Wirtschafts- und Digitalminister Pinkwart einen Nachmittag lang aus. Pinkwart: „Ziel ist es, die Zukunftsfähigkeit des Einzelhandels zu stärken. Die Städte und Geschäfte werden sich verändern. Aber ich bin mir sicher, dass ein lebendiger und attraktiver Einzelhandel auch im Jahr 2030 die Menschen in die Geschäfte ziehen wird.“

Dr. Stephan Fanderl, Vorsitzender der Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof, beschrieb seine Vision vom vernetzten Marktplatz der Zukunft.

2030 in NRW bis zu 20.000 Läden weniger? ^

In der von Boris Hedde und Dr. Markus Preißner vom IFH Köln vorgestellten Studie „Handelsszenarien NRW 2030“ wurden Prognosen für vier mögliche Entwicklungen von Handel und Städten bis zum Jahr 2030 hergeleitet. Als wahrscheinlichste Entwicklung stellen sich dabei die Szenarien „Der smarte Handel“ und „Der vernetzte Handel“ dar, die allerdings beide von einer signifikant sinkenden Anzahl an Geschäften ausgehen. In diesen Szenarien ist mit einem Rückgang der Geschäfte in NRW um bis zu 20.000 zu rechnen, das negativste Szenario geht gar von einem Rückgang von über 25.000 aus.

Borris Hedde (IFH) und Wirtschaftsminister Pinkwart (v.l.) stellten die Studie zu den Handelsszenarien 2030 vor.

Abhängig ist der tatsächliche Rückgang an Geschäften letztlich auch davon, inwieweit es dem stationären Handel gelingt, innerhalb der Customer Journey des Konsumenten relevant zu bleiben und Kunden zu binden. Grundvoraussetzung: Digitale Sichtbarkeit und Services, aber eben auch exzellente Performance vor Ort in punkto Sortiment, Service, Beratung und Ladengestaltung.

Bloßer Warenverteiler? Das ist vorbei … ^

Wer sich bei den Händlern der einschlägigen Verbundgruppen umsieht und umhört, muss sich da mit Blick auf Sortiment und Service sicherlich kaum Gedanken machen. Aber Ladengestaltung, gar Erlebnishandel am viel zitierten Point of Emotion? Da wird die Luft – bis auf die üblich Verdächtigen, die beispielgebenden wie richtungsweisenden Leuchtturmhändler, von der es in jeder Kooperation einige gibt – schnell dünn. Wer sich heute in einem nüchternen Zweckbau mit nach Wert gestaffelten Wasserkochern oder Kühlschränken auf der Palette als schnöder Warenverteiler präsentiert, der muss morgen erst gar nicht mehr öffnen! Wetten dass…?

Denn Fakt ist: Toaster und Wasserkocher gibt es schnell und unkompliziert im Netz. Und der Kunde von heute denkt nicht in (Vertriebs-)Kanälen. Möchte ich diesen in mein Geschäft locken, muss ich mich – auch das ist eine Botschaft des eCommerce-Tages – als Innenstadt-Händler als Teil der Freizeitgestaltung meiner potenziellen Kunden begreifen und mich entsprechend inszenieren.

IFH-Geschäftsführer Boris Hedde: „Unabhängig davon, welches Handelsszenario eintritt, es ist offenkundig, dass Händlerinnen und Händler sowie Städte und Gemeinden schnell auf unterschiedlichen Ebenen aktiv werden müssen. Denn es ist nicht die Frage, ob sich etwas verändert, es ist bereits eine massive Veränderung da. Neben Aufgaben, die jeder der Akteure für sich selbst lösen muss, gilt es gemeinschaftlich die Zukunft des Handels und der jeweiligen Handelsstandorte zu gestalten.“

Vor allem aber gilt: „Lage, Lage, Lage ist vorbei, stattdessen lautet die Devise: Kunde, Kunde, Kunde!“ Für Hedde ist die Digitalisierung für den Händler kein Selbstzweck, sondern müsse sich auf den Nutzen des Kunden ausrichten. Hedde: „In einem immer brutaler werdenden Wettbewerb ist der Druck massiv da. Eine Fissler-Pfanne in den Laden zu stellen, das ist kein Handel.“ Gefragt sei vielmehr, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, Kreativität zu zeigen und mitunter auch Eigenmarken anzubieten.

NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart im Dialog. Links: Frank Rehme (Future City Langenfeld).

„Alle Macht geht vom Besucher aus!“ ^

Digitale Erfolgsgeschichten gibt es (nicht nur in NRW) eine Menge. Frank Rehme (gmvteam/ Future City Langendfeld) hat die Erfahrung gemacht, dass häufig zu lange an den etablierten Strukturen des Handels (und der Verwaltung) festgehalten wird: „Die Digitalisierung hält auch große Chancen für Stadt und Handel bereit.“ Dabei sei der Handel aber immer weniger Versorger und immer mehr ein Teil des Freizeitangebotes. Rehme: „Alle Macht geht vom Besucher aus!“

Sprach erfrischend Klartext und zeigte dem Wirtschaftsminister die Stadt der Zukunft: Marcus Diekmann, Chief Commercial & Digital Officer bei Rose Bikes.

Kein Blatt vor den Mund nahm Marcus Diekmann, Chief Commercial & Digital Officer bei Rose Bikes. 112 Jahre hat der Fahrradanbieter aus Bocholt, der mal als kleiner Händler in der Innenstadt gestartet ist, auf dem Buckel. Anno 2019 ist man – dank maximaler Bereitschaft zur stetigen Weiterentwicklung – mit 268 Mitarbeitern und 80% Online-Umsatz so digital und agil wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte.

„Ein altes blödes Geschäftsmodell …“ ^

Diekmanns Kernsätze haben branchenübergreifend Relevanz und kommen wie mit dem Vorschlaghammer – aber das ist geballte Leidenschaft für die Zukunft des Handels: „Die Zeit austauschbarer Sortimente und Services, intransparenter Preise, schlechter Beratungs- und Verkaufsdienstleistungen läuft ab. Sie wird ersetzt durch radikal neu gedachte und innovative Geschäftsmodelle. Zukünftig wird nur der überleben, der entweder groß oder mächtig genug ist oder in punkto Produkt und Service hochgradig kuratiert und spezialisiert.“ Die Eröffnung eines Onlineshops sei nicht zwingend die Rettung des eigenen Handelsgeschäftes, denn ein schlechtes Konzept von off- auf online zu übertragen das bringt null Effekt – aber noch mehr Kosten. Diekmann: „Wenn ich ein altes, blödes Geschäftsmodell auf online übertrage, bleibt es auch dort ein altes, blödes Geschäftsmodell.“

 

Matthias M. Machan

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