Von Matthias M. Machan
Natürlich bekommt man in der Gewürzmühle Engels allerlei ausgesuchte Feinkost: hochwertige Öle und Essige, Senf, Tee, Heilkräuter, Backzutaten – ein kulinarisches Arkadien. Hierzulande seinesgleichen indes sucht die ungeheure Bandbreite an exotischen Gewürzen. Gerade jetzt, in den Tagen vor Weihnachten, ist das heimelige Fachgeschäft gegenüber des St. Quirinus-Münsters im Herzen der Neusser Innenstadt mit seinem liebevollen Stilmix aus Kolonialwaren- und Tante-Emma-Laden und den vielen geheimnisvollen Schubladen und Schütten ein Sehnsuchtsort für Feinschmecker und Plätzchenbäcker. Das unter Denkmalschutz stehende Haus aus dem Jahre 1847, das von der Familie mit viel Liebe restauriert wurde, passt hervorragend zur Firmenphilosophie. Vanille und Zimt, Kardamom und Sternanis, Zitronat und Korinthen, Feigen und Datteln, Nougat und gar Marzipan, das vom Block geschnitten wird, beflügeln derweil die Weihnachtsbäckerei.
Natürlich ist in diesen Tagen Hauptsaison im gerade einmal 60 Quadratmeter großen Ladenlokal. Das nur einen Steinwurf entfernte Stammhaus der Gewürzmühle Engels dient mit weiteren 300 Quadratmetern als Lager, in dem auch viele der fast 400 Gewürze als Mischungen frisch zusammengestellt werden. „Wir bringen Würze in Ihr Leben“, erzählt Gewürz-Sommeliere Manja Freistühler augenzwinkernd, die das Traditionsgeschäft in der vierten Generation zusammen mit ihrem Mann Marcus betreibt, während sich die fünfte Generation in Gestalt von Sohn Marten Freistühler um die Digitalisierung und den Aufbau eines Online-Shops kümmert. Die Bandbreite der Gewürze reicht von Lavendel aus der Provence, Oregano aus Peru, Kardamon aus Guatemala oder diverse Pfeffersorten wahlweise aus Vietnam, Kambodscha oder Indien bis hin zu Majoran – der kommt aus Thüringen.
Vom Stammhaus der Familie in der Hymgasse wird bis heute der Großhandel betreut. Hier stellt Marcus Freistühler die Gewürzmischungen her, die beinahe die Hälfte des Sortiments ausmachen. Klassisch sind Mischungen für Gulasch oder eine Gewürz-Kombi für den Christstollen. Auf eine Weltreise der Gewürze begibt sich, wer eine All’Arrabiata-Mischung für Pasta- und Tomatensoßen, arabisches Baharat für Couscous oder Eintöpfe oder Za’atar für Reisgerichte, Hummus und Tajine kauft. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist die Gewürzmühle Engels aber für ihr Curry. „Die Qualität der Ware ist das A und O, da gibt es für uns keine Kompromisse“, betont Marcus Freistühler, der jede bestellte Charge auf ihre Qualität hin überprüft. Pestizidbefall hier, Ernteausfall dort: „Hochwertige Qualitäten zu bekommen wird immer schwieriger“, sagt das Ehepaar Freistühler. Doch genau diese hochwertige Qualität ist die Nische, in der sich neben den großen, nationalen Gewürzmarken aus dem Supermarkt einträglich leben lässt.
Die Gewürzmühle Engels ist ein Unternehmen, wie man es so wohl kein zweites Mal mehr in Deutschland findet. „Wir können uns in puncto Qualität die Rosinen aus der Welt der Gewürze heraussuchen. Verbunden mit einem vernünftigen Preis haben wir mit unserem Angebot ein echtes Alleinstellungsmerkmal“, erzählt Manja Freistühler, deren Gewürzseminare sich außerhalb von Corona-Zeiten einer großen Nachfrage erfreuen. „Beratung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit“, fügt sie ergänzend hinzu. Das wissen auch die Kunden, die das Geschäft zu etwa 80% gezielt, also nicht als Laufkundschaft, aufsuchen und dafür nicht nur aus Neuss, sondern auch aus dem benachbarten Düsseldorf, aus Mönchengladbach oder Köln anreisen. „Wir kleinen Händler sind momentan echte Trendsetter“, freut sich Manja Freistühler.
Die Wurzeln des engagierten Familienbetriebs reichen zurück bis in das Jahr 1919. Gründer Johannes Engels stammte aus einer rheinischen Bäckerdynastie. Aus einem anfänglichen Gewürz-Großhandel für Bäckereien und Metzger machte dann Johannes Engels’ Tochter Maria, verheiratet mit Wilhelm Freistühler, ein florierendes Einzelhandelsgeschäft, geschätzt bei Gewürzhändlern wie Kunden. „Wir haben Stammkunden, die schon seit den 1960er Jahren beliefert werden“, erzählt Marcus Freistühler. Tradition wird in der Gewürzmühle Engels großgeschrieben. Dennoch hat hier nirgendwo Patina oder Staub angesetzt. Im Gegenteil. Wer dem Unternehmen beispielsweise auf Instagram folgt, bekommt mehrfach die Woche Anregungen für lukullische Mitbringsel und kulinarische Kreationen, die durch die Gewürze der Gewürzmühle Engels geadelt werden.
„Weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse, mehr Regionales, es ändert sich gerade einiges beim Konsum“, erzählt Manja Freistühler. So fallen typische Gewürze, für eine Leberwurst etwa, weg. Dafür sind Grillgewürze beinahe ganzjährig ein Renner. In diesen Tagen jedoch sind, wie alle Jahre wieder, die Klassiker zur Weihnachtszeit gefragt: Marzipan, Zimt, Spekulatius und gerne auch ein Honigkuchengewürz.
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