Story

Entlassungen bei Severin: „Schock in Sundern“, oder die Transformation in Dauerschleife

Die WDR-Meldung am späten Dienstagnachmittag vergangener Woche ließ aufhorchen: „Schock in Sundern: Stellenabbau bei Hausgerätehersteller Severin.“


Die Maßnahmen sollen nach Informationen von infoboard.de alle Bereiche und Führungsebenen betreffen. Nach inzwischen vom Unternehmen bestätigten WDR-Informationen sollen rund 50 Mitarbeitende von den Kündigungen betroffen sein. Zuletzt hatte der Hausgerätehersteller in Sundern etwas weniger als 300 Beschäftigte.

Severin und Kaffee-Vollautomaten sind eine ganz eigene Geschichte, gefühlt hat sich das Traditionsunternehmen aus dem Sauerland aber nie so richtig vom gefloppten Launch des Kaffee-Vollautomaten S2 im Herbst 2011 erholt. Und so wurden wir zunächst auch nicht stutzig, dass der im vergangenen Jahr auf der IFA präsentierte Vollautomat nie aus dem Stadium der Prototypen herausgekommen ist, geschweige denn das Licht des Handels erblickt hat.

„Wir sind besonders stolz auf die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Fachhandel, die wir weiter ausbauen werden“, Severin CEO Gerhard Sturm.

Kein eBBQ, kein Kaffee-Vollautomat

Mit der Premium-Elektrogrillserie „Sevo“ war das anders, es wurde gar ein neues Marktsegment, eBBQ, aus der Taufe gehoben, inklusive aufmerksamkeits- wie reichweitenstarker, frecher Kampagne. Inzwischen wurde auch das Thema eBBQ in Sundern beerdigt, die Geräte im vergangenen Sommer geradezu verscherbelt. Die Liste der verstörenden Nachrichten ließe sich erweitern: Aktuell läuft im Markenerlebniszentrum und Werksverkauf „Die Fabrik“ ein Schlussverkauf, der weder etwas mit dem Jahresendgeschäft noch Black Friday zu tun hat. Nach Informationen von infoboard.de macht die „Fabrik“ demnächst dicht.

Und auch bei vielen Kontakten zu Führungskräften im Unternehmen im Marketing oder der Produktentwicklung heißt es immer öfter „kein Anschluss unter dieser Nummer“. Prominentester Abgang ist wohl Alexander Kolisch, Director Marketing, Digital & E-Commerce. Auch Sebastian Blome, Technology & Innovation Manager bei Severin und einer der „Väter“ der Filka hat das Unternehmen nach uns vorliegenden Informationen inzwischen verlassen.

Ein offenes Geheimnis ist: Severin schreibt, trotz nun schon seit Jahren andauernder Transformation, rote Zahlen, von einst (global) rund 3.000 Mitarbeitenden, war zuletzt nur noch ein Zehntel übriggeblieben. Im Jahresabschluss zum Geschäftsjahr 2022 – neuere Zahlen gibt es in der Öffentlichkeit nicht – wird ein Fehlbedarf von 17,5 Mio. EUR ausgewiesen.

Es gehe nun laut WDR um die „Optimierung interner Strukturen und Prozesse, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben“. Dazu zählen nach Angaben von Severin u.a. „die Straffung von Arbeitsabläufen, die Bündelung von Ressourcen sowie gezielte Investitionen in Zukunftsprojekte.” Die Anzahl der Kündigungen sei dabei auf ein Minimum beschränkt worden.

„Fit 4 Future“: Neben der Anpassung der Personalkostenquote auf ein marktübliches Niveau umfasst das Programm bei Severin Projekte zur Weiterentwicklung der Marke wie zur Stärkung des Produktportfolios.

„Ein Stück der DNA herausgerissen“

In der jüngeren Vergangenheit, konkret unter den letzten beiden CEOs, hatten viele Mitarbeitende wieder Zuversicht gefasst, wähnten sich mit ihrem Unternehmen wieder auf dem richtigen Kurs. Doch mehr als einmal haben wir aber vergangene Woche gehört: „Man hat das Gefühl, man hat Severin ein Stück der DNA und der Seele herausgerissen.“

Es ist noch gar nicht lange her, im Sommer 2022, da hieß es aus Sundern gegenüber infoboard.de selbstbewusst: „Wir sind eine Volksmarke!“ Man sei, nachdem in den vergangenen Jahren jeder Stein im Unternehmen umgedreht und vieles im Sortiment „ausgemistet“ wurde, in einer guten Ausgangslage. Mit der Transformation sei man „weit fortgeschritten“.

Wir erinnern uns: Seit der vollständigen Übernahme von Severin durch die Unternehmerfamilie Knauf im Jahr 2018 befindet sich Severin in einem umfassenden Transformationsprozess. Das Ziel für 2024 war: Wieder profitabel zu sein und unabhängig von weiteren strategischen Investitionen der Gesellschafter. Heute, zum Jahresende 2024, reibt man sich ob des damaligen Optimismus verwundert die Augen, und man fragt sich, was ist seitdem schiefgegangen?

Die Krise als Dauergast: Blick in eine Mitarbeiterversammlung im Jahr 2018.

Und noch ein Zitat aus 2022: „Severin soll sich von einer Handelsmarke mit nahezu Vollsortiment zu einer von Verbrauchern anerkannten Marke mit einem fokussierten Angebot entwickeln.“ Das wird schwierig für eine „Marke“, die nicht nur die Fertigung am heimischen Standort in Sundern aufgegeben, sondern auch den Produktionsstandort in China dichtgemacht hat. „Das erinnert jetzt eher an klassischen Import-Export“, ätzt ein Marktbeobachter.

Nachgefragt bei CEO Gerhard Sturm, der das Amt in diesem Jahr von Dr. Joyce Gesing übernommen hat: Muss sich der Fachhandel Sorgen um die Marke Severin machen? „Severin ist seit über 130 Jahren ein verlässlicher Partner für Geschäfts- und Endkunden. Unser Gesellschafter denkt langfristig, steht hinter Severin und investiert kontinuierlich in unsere Zukunft. Auch in herausfordernden Zeiten setzen wir auf Innovation und die Weiterentwicklung unserer Marke, um unsere Position im Markt weiter auszubauen.“

Eine Erfolgsstory: Die Severin Kaffeemaschine Filka ist ein Filterkaffee-Vollautomat, der in diesem Jahr in zweiter Generation auf den Markt gekommen ist.

Zukunftsfähigkeit stärken

Derzeit modernisiere man umfassend, u.a. durch die Einführung neuer IT-Systeme und erhebliche Investitionen in den Logistikstandort in Sundern. Sturm: „Diese Maßnahmen stärken unsere Zukunftsfähigkeit und verbessern die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Handelskunden erheblich. Wir sind besonders stolz auf die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Fachhandel, die wir weiter ausbauen werden.“ Die kontinuierliche Ausweitung des exklusiven Sortiments für den Fachhandel mit Produktinnovationen unterstreiche dies – wie jüngst geschehen mit dem Smokeless Raclette oder der „Filka“.

infoboard.de hat weiter nachgehakt. Nachdem die Produktion in Sundern ja bereits seit längerem eingestellt ist und man sich auch von der eigenen Produktion in China weitgehend verabschiedet hat, klingt das eher nach einer „Import-Export”-Firma und einem Abschied von dem Anspruch als Marke wahrgenommen zu werden …

Dazu Gerhard Sturm: „Mit unserer langfristigen Strategie konzentrieren wir uns verstärkt auf unsere Wettbewerbsvorteile: Innovation, Qualität, Nachhaltigkeit, Vertrieb und Logistik. Ein wesentlicher Schritt in diesem Prozess war die Übergabe der verbliebenen Eigenproduktion in China im Oktober 2024 an einen langjährigen, verlässlichen Partner, der für uns bereits erfolgreich eine Reihe anderer Produkte produziert.“

Eine organisatorische Neuausrichtung hin zu spezialisierten Produktionspartnern sei eine Entwicklung, die sich auch in anderen Industrien bewährt habe und sei notwendig gewesen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Severin weiter auszubauen. Sturm weiter: „Diese Entscheidung ermöglicht es uns, flexibler zu agieren, höchste Qualitätsstandards zu sichern und uns noch stärker auf Innovationsprojekte sowie Effizienzsteigerungen zu fokussieren.“

„Fit 4 Future“-Programm

Und wofür steht die Marke Severin künftig, was sind die Signale an den Fachhandel?

„Mit unserem ‚Fit 4 Future‘-Programm verfolgen wir eine klare Zukunftsstrategie, die uns durch gezielte Innovation, Effizienzverbesserungen und Markterweiterungen stärkt. Neben der Anpassung der Personalkostenquote auf ein marktübliches Niveau umfasst das Programm Projekte zur Weiterentwicklung unserer Marke und zur Stärkung unseres Produktportfolios – so schaffen wir eine solide Basis, um unsere Position im Markt nachhaltig weiter auszubauen.“

An den Fachhandel sendet Sturm abschließend ein klares Signal: „Wir sind ein Partner, der langfristig denkt und handelt. Mit einem erhöhten Fokus auf unsere Wettbewerbsvorteile – Marke, Innovation, Qualität, Nachhaltigkeit und Logistik – und gezielten Investitionen schaffen wir eine solide Basis für gemeinsamen Erfolg.“

Matthias M. Machan

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