Tricksen Hersteller beim Staubsauger-Stromverbrauch? Gibt es Manipulationen in unserer Branche wie bei VW? Gazetten wie Welt, FAZ oder der Fernseh-Sender N-TV waren voll des Themas, hatten ihr gefundenes Fressen. Hintergrund war ein Streit zwischen Dyson und der BSH Hausgeräte GmbH.
Ungewöhnlicher Rummel für unsere Branche? Vielleicht in der medialen Lautstärke. Geplänkel zwischen Herstellern gehören zum Wettbewerb, sind Teil des Marktgeschehens. Doch diesmal macht Dyson als Schuldigen im Kern das EU-Label aus, das nach Vorstellung des britischen Anbieters zu praxisfremd sei. Na ja, die durchaus temperamentvollen Vorstöße eines James Dyson sind hinlänglich bekannt.
Aber was ist, wenn ein renommierter auf Staubsauger spezialisierter Anbieter gegenüber infoboard.de sinngemäß äußert: „Schlechtere Saugleistungen seien durch die Kriterien beim EU-Staubsaugerlabel nota bene vorprogrammiert. Mit der kommenden Eco-Designrichtlinie werde man sogar per Gesetz daran gehindert, in der Praxis bewährte, effiziente Technologie in den Markt zu bringen. Das war des Guten zuviel. Infoboard.de begab sich daher auf Spurensuche.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist die EU-Richtlinie zur Energieeffizienz von Staubsaugern in Kraft. Inzwischen machen viele Streitigkeiten Schlagzeilen – auch infoboard.de berichtete. ( 25.10. / 28.10. und 24.11.15). Eigentlich nicht verwunderlich, denn die Gründe dafür wurden sowohl in Studien zur Verordnung als auch in der Verordnung selbst dokumentiert. Im sperrigen Amtsdeutsch liest sich das wie folgt:
„Anmerkung 1: Wegen des Einflusses von Umgebungsbedingungen infolge der Änderungen der für die Prüfung verwendeten Prüfmaterialien mit der Zeit und ihrer Herkunft und der Geschicklichkeit des Prüfers können für die meist beschriebenen Verfahren verlässliche Ergebnisse erzielt werden, wenn für eine vergleichende Prüfung eine Anzahl von Geräten zur gleichen Zeit im gleichen Labor durch den gleichen Betreiber angewendet werden.“
[incor name=”label-01″]Verordnetes Chaos
Dieses Zitat stammt aus der EU-Verordnung, die zur Kennzeichnung von Staubsaugern mit dem Energieeffizienz-Label geführt hat. Sie hat mittlerweile zu mehr oder weniger großem Hickhack in der gesamten Staubsaugerszene, aber auch in und mit den Gremien in Brüssel geführt.
Reproduzierbare, nachprüfbare Ergebnisse auf den Label-Auszeichnungen? Vergleichbarkeit der Aussagen verschiedener Hersteller? Sichere, konsistente Orientierung für die Verbraucher? Angesichts des oben stehenden Zitats schon de jure nicht möglich!?
[incor name=”label-02″]Nebenkriegsschauplatz Dyson vs. BSH
Ohne vorgreifen zu wollen: Selbst wenn Dyson mit seinem Vorstoß Erfolg haben sollte, in einer überarbeiteten Verordnung den Füllungsgrad von Staubsaugerbeuteln bzw. die Leistungsanpassung für kontinuierlich gleiche Saugkraft zu berücksichtigen, sind die in der Anmerkung beschriebenen Probleme der Reproduzierbarkeit nicht vom Tisch. Das System krankt derzeit schon im Kern.
Das war schon vor dem Verfassen der EU-Verordnung bekannt: Das vorbereitende Gutachten des renommierten schwedischen Instituts Intertec Semco hatte bereits 2007 ausgewiesen, dass eine Verordnung zur Energieeffizienz zwar erstrebenswert, aber letztendlich wissenschaftlich nicht zu untermauern sei.
Das führte uns zu der provokanten Frage an die Hersteller, ob die EU-Energieeffizienzrichtlinie angesichts fehlender Reproduzierbarkeit der Messergebnisse nicht eigentlich eine komplette Luftnummer sei – was entweder nicht beantwortet wurde oder mit „Das kann man so nicht sagen.“ Was wiederum alles bedeutet kann.
[incor name=”label-03″]Teilweise Einigkeit in der Branche
Wie zu erwarten, waren die Reaktionen extrem unterschiedlich. Einen gemeinsamen Tenor gab es jedoch: Der Versuch, Staubsauger effizienter zu machen, das ewige Leistungswettrüsten zu beenden und den Verbrauchern eine Orientierungshilfe zu geben, wird von allen Herstellern begrüßt. Egal, ob die Sprecher hauptsächlich für Staubsauger mit oder ohne Beutel stehen – oder gar für beide Arbeitsweisen.
Doch dann hören die Gemeinsamkeiten schnell auf. BSH fühlte sich angesichts der Vorgänge rund um die Gerichtsverfahren nicht in der Lage, entsprechende, weitergehende Antworten zu geben. Von anderen angeschriebenen Herstellern kamen vergleichsweise dürre Statements mit dem Hinweis auf die „Orientierungshilfe durch vergleichbare Werte“, klärende Antworten oder gar Einladungen zu Hintergrundgesprächen waren eher dürftig.
[incor name=”label-04″]Sebo stand Rede und Antwort
Nicht so Sebo. Der Staubsauger-Spezialist aus Velbert beantwortete die Anfrage nach einem Statement direkt mit einer Einladung zum ausführlichen Gespräch mit Geschäftsführer Achim Liffers, Vertriebsleiter Marvin Müller und Alina Zöllner/Marketing. Nach einem intensiven Blick ins Messlabor und hinter die Kulissen der Messung für das EU-Energieeffizienzlabel gaben Liffers und Müller bereitwillig Auskunft über ihre Standpunkte zu Rahmenbedingungen und Auswirkungen der Verordnung und der EU-Designrichtlinie auf die Entwicklung auf den Staubsaugermarkt für Konsumenten.
Zu Beginn des Gesprächs stellte Liffers klar heraus, er begrüße ausdrücklich die Bestrebungen der Kommission zur Begrenzung der Leistungswerte. Sehr ausführlich beschrieb er dann die schon in der Anmerkung vom Anfang dieses Artikels genannten Probleme, die bei den Messungen zum EU-Label auftreten – und heute den Herstellern das Leben wegen nicht gegebener Reproduzierbarkeit schwer machen.
[incor name=”label-05″]Schlechtere Staubsauger vorprogrammiert
Er geht davon aus, dass die Verordnung zum Energieeffizienzlabel und die Eco-Designrichtlinie für Staubsauger über kurz oder lang zu schlechteren, in der Praxis untauglicheren Geräten führen werden. Zum Teil hat das schon angefangen: Für eine gute Bewertung im Sinne des Labels müssten die Hersteller schon heute Düsen beilegen, die sich zu stark an den Boden ansaugen und damit unbequeme, vielleicht sogar lästige Schubkräfte mit sich bringen. Oder es gibt gut bewertete Hartbodendüsen, die aber wegen der vorgeschriebenen Testbedingungen nur im Labor etwas taugen, in der Praxis aber nur den Schmutz vor sich her schöben.
2017 werde sich diese Situation noch verschärfen, wenn die maximal erlaubte Leistung noch einmal heruntergefahren und Grenzwerte für Effizienz und Emissionen weiter verschärft werden. Die Endkunden erhielten auf Dauer immer schlechtere Produkte – und vor allem beträfe das auch die professionellen Sebo-Kunden, die inzwischen auch mit der EU-Verordnung konfrontiert würden.
[incor name=”label-06″]Praxis vor Labor
Sebo bemühe sich zwar immer darum, Geräte zu entwickeln, die in der Praxis gute Ergebnisse liefern, nicht nur im Labor. Doch mit der kommenden Eco-Designrichtlinie werde man per Gesetz daran gehindert, in der Praxis bewährte, effiziente Technologie in den Markt zu bringen. Teilweise seien die dann erforderlichen Grenzwerte endgültig nur noch zu erreichen, indem in der Praxis völlig untaugliche Bauteile beigelegt werden, beispielsweise Düsen, die aufgrund zu hoher Ansaugkräfte nur noch über den Boden hoppeln oder kaum noch zu bewegen sind.
In den Augen von Liffers tue Brüssel den Kunden keinen Gefallen: Im Gegenteil, es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass uniforme, frustrierende, weil nicht praxistaugliche Geräte auf den Markt kommen. Er stellt daher die Frage, ob das der Sinn einer Regulierung sei.
[incor name=”label-07″]Dyson plötzlich positiv gestimmt
Dyson begrüßt das Label, das den eigenen Ansatz bestätige, dass auch weniger elektrische Leistung zufriedenstellende Ergebnisse bringen könne, wenn man – wie auch Dyson – die Bauteile entsprechend optimiert.
Allerdings ist der Erfinder der Cyclone-Technologie sicher, dass die Verbraucher das Label inzwischen hinterfragen, sowohl angesichts der von Dyson aufgeworfenen Fragen nach der Beutelbefüllung, als auch der Probleme bei der Reproduzierbarkeit der Messungen. Man gebe inzwischen immer den schlechtesten Wert von externen Messinstituten an, der aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen bei Messungen für das EU-Label herauskommt.
In Sachen Praxistauglichkeit prangert Dyson an, dass verschiedene Hersteller Düsen und Geräte gezielt auf das Energielabel hin entwickeln und Lücken in der Verordnung nutzen, um gute Messwerte zu erzielen. Zudem ist man unzufrieden, dass Testverfahren innerhalb der Norm genehmigt (Anm. d. Red.: und vorgeschrieben) werden, die nicht einmal annähernd an die Praxis heranreichen – und daher den Verbraucher in die Irre führen. Es sollte nicht um bessere Labelwerte gehen, sondern um bessere Nutzbarkeit.
Dyson zieht das Fazit, dass das Energielabel für Staubsauger eine wertvolle Orientierungshilfe sein könnte, wenn die Testbedingungen reproduzierbare und praxisgerechte Ergebnisse liefern würden, die auch den tatsächlichen Energieverbrauch in jedem Zustand des Staubsaugers widerspiegeln.
[incor name=”label-08″]Dirt Devil
Die Royal Appliance International GmbH mit den Marken Dirt Devil und Vax veröffentlichte ein Statement von Michael Grefkes, Director Marketing & Product Management. Dirt Devil begrüßt, dass mit dem Energielabel die Vergleichbarkeit von Staubsaugern verschiedener Hersteller auf einen Blick geschaffen wurde. Auf Basis von Messungen mit definierten Prüfparametern, die für alle Hersteller gleich gelten.
Er weist darauf hin, dass Dirt Devils Messwerte bei unabhängigen Prüfinstituten ermittelt werden, um größte Verlässlichkeit für Konsumenten und Handel zu schaffen. Darüber hinaus empfiehlt er allen Kunden, sich an den Auszeichnungen der Labels zu orientieren.
[incor name=”label-09″]AEG
Ausführlicher äußerte sich Andreas Gelsheimer, Product Line Manager Floor Care der Marke AEG. Das EU-Energieeffizienzlabel habe dazu geführt, dass sich die Kunden vor dem Kauf über mehr und andere Faktoren für die Leistungsfähigkeit eines Staubsaugers Gedanken machten, als nur auf die schiere Wattzahl zu schielen.
Nicht nur der Product Manager aus dem Hause Electrolux lässt die Frage offen im Raum stehen, wie gut, praxisgerecht und repräsentativ die Testverfahren wirklich sind, auch wenn sie für alle gleich gelten. Und dass andere Testverfahren sicherlich neue, ähnlich gelagerte Probleme mit sich bringen würden.
Die Verschärfung der Verordnung im Jahr 2017 werde man sicherlich mitgehen und entsprechend weiterentwickelte Modelle auf den Markt bringen. Dabei werde AEG allerdings das Hauptaugenmerkt auf die Praxistauglichkeit legen – vor dem sklavischen Einhalten irgendwelcher Normen, um ein möglichst gutes Label zu erzielen.
[incor name=”label-10″]Kampf gegen den Wind
Es ist ein Sturm in der Branche der Gerätehersteller, die mit gesaugter Luft durch Filter und Zyklonen sauber machen wollen. Und die sich mal hinter vorgehaltener Hand, mal offen fragen, ob bei Konzeption und Formulierung alles sauber gelaufen sei. Es wäre sicherlich begrüßenswert, wenn das EU-Label an einer zentralen Stelle für alle Modelle vergeben werden könnte. Dann wäre zumindest eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben. Bis dahin kämpfen alle Hersteller gleichermaßen gegen den Wind, der ihnen derzeit aus unterschiedlichsten Richtungen entgegenbläst.
Frank Rößler / ad