Wer sich der Digitalisierung verschließt, wird von ihr überrannt, sagt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Dem Handel bläst der Wind dabei immer heftiger ins Gesicht. Was hat die Digitalisierung für Auswirkungen auf den Händleralltag? Wo sind die Geschäftsfelder der Zukunft, die Erfolg und Rendite versprechen? Einer, der sich auskennt und nicht nur gegenüber infoboard.de kein Blatt vor den Mund nimmt, ist Wolfgang Hanses, Inhaber von Euronics Hanses in Sinzig am Rhein – ein klassisches Fachgeschäft für Unterhaltungselektronik und Haustechnik.
Streng genommen dürfte es den Laden von Wolfgang Hanses eigentlich gar nicht mehr geben, jeder Unternehmensberater würde allein aufgrund der Standortbedingungen abwinken. Die goldenen Zeiten in Sinzig – gelegen an der „goldenen Meile“, der Ahrmündung in den Rhein auf halbem Wege zwischen Bonn und Koblenz – sind lange vorbei. 60 Geschäfte haben in den vergangenen zehn Jahren hier dicht gemacht, weiß Hanses. Die Frequenzrückgänge seinen überall greifbar. Und einfacher ist das Wirtschaften für die, die es noch gibt, auch nicht geworden. Ein Knäuel an kleinen, kopfsteinbepflasterten Sträßchen führt zwar aus dem Kern von Sinzig heraus, aber nur eines hinein (wenn man es denn gefunden hat). Parkplätze vor der Ladentür? Ein Glücksspiel. Dabei ist die Erreichbarkeit eine der tragenden Säulen, auf denen der Handel steht.
Doch betritt man erst einmal das Ladenlokal von Euronics Hanses ist das alles vergessen. Der Optimismus, die pure Lebensfreude, die Wolfgang Hanses, verstärkt durch einen leichten rheinischen Slang, ausstrahlt, steckt an. Und seine Themen und Thesen machen wach, rütteln auf, geben Mut! Freilich steht und fällt der Erfolg auch mit einer Unternehmerpersönlichkeit wie dieser. Hanses ist ein Verkaufstalent und Kommunikationsexperte, wie die Branche nicht viele hat. Die Rolle des Verkäufers in der heutigen Zeit, der Preisverfall und sinkende Margen bei Elektrogroßgeräten sind zwei Top-Themen, die ihn nicht kalt lassen.
Womit kann ich als Händler heute Geld verdienen? Hanses hat die Antwort für sich gefunden, wobei er natürlich auch als Top-Referent sowie Inhaber und Geschäftsführer der „Schule für Erfolg“ (s-f-e) ein zweites wirtschaftliches Standbein aufgebaut hat. Der Verkaufsprofi zeigt auf seinen rund 300 Quadratmetern zu 90 % Elektrohausgeräte. Früher dominierte hier die Braune Ware, heute setzt er auf preisstabile Sortimente wie Einbaugeräte und Kaffee-Vollautomaten (Jura und Nivona vor allem, aber auch ein wenig De’Longhi). Hanses: „Wer als klein- und mittelständischer Anbieter auf dem Markt bestehen möchte, braucht ein Produktspektrum, das auf die Zielgruppe und die Marktanforderungen ausgerichtet ist.“
[incor name=”hanses-02″]Da die Lebenszyklen technischer Geräte immer kürzer werden, Innovationen und neue Trends sich immer schneller auf den Markt bewegen, ist es bei der Auswahl des Produktangebotes erforderlich, ein Höchstmaß an Flexibilität zu zeigen. Das bedeutet auch: Markttrends frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Bei der Produktspezifizierung sei darauf zu achten, dass die Alleinstellungsmerkmale des Fachhändlers sehr ausgeprägt wirken müssen. Hanses Rat: Der Fachhändler sollte zunächst einmal sein eigenes Stärkenprofil entwickeln, um daraus sein Produktportfolio zu erstellen. Heißt: „Die Stärken stärken!“
[incor name=”hanses-03″]Nicht im Internet (dazu später) sieht Hanses das größte Problem der Branche, vielmehr: „Die größte Herausforderung der Branche ist der Preisverfall.“ Wenn A-Marken immer öfter zum Preis von B-Marken zu haben seien, dann habe das unmittelbare Auswirkungen auf Marge und Rendite. „Eine gute Wertschöpfung im Fachhandel ist mit den bisherigen Vermarktungsmechanismen nur noch schwer realisierbar.“ Hanses hat aus diesem Dilemma – „ohne Dienstleistung könnte ich zumachen“ – einen überzeugenden Ausweg gefunden: „Hier wird Dienstleistung gelebt!“ Klingt erst mal nach einem Allerweltssatz, der aber schnell mit Leben und überzeugenden Inhalten gefüllt wird.
[incor name=”hanses-04″]Hanses betreibt als Schlüssel zum Erfolg die aktive Vermarktung von Dienstleistungen wie Garantieversicherungen, Finanzierungen, Leasing, Reparaturen, Handy-Verträge, Strom-Tarife und, und, und. Allen gemeinsam: Es sind Dinge, die Hanses im Einkauf erst mal nichts kosten – aber Geld bringen. Hanses: „Die Mitarbeiter müssen sensibilisiert werden, dass das Erbringen von Dienstleistungen im Fachhandel für den Kunden mit Kosten verbunden ist.“ Und: “Es ist zugleich ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Fläche. Der geschickte Umgang mit diesen Parametern ist für den Erfolg des Fachhandels von existenzieller Bedeutung.“
Die Kunden legen immer mehr Wert auf energiesparende Geräte, auf das Thema Vernetzung und Hausautomation. Mithin werden die Anwendungsmöglichkeiten deutlich komplexer. Das ist eine Chance für den Fachhandel: „Es entsteht in der Zukunft ein erheblicher Bedarf an Serviceleistungen – weg von der Reparatur hin zur Bedienung und Programmierung.“
Das funktioniert aber nur mit fachlich geschulten Mitarbeitern, für die die Kommunikation mit dem Kunden mindestens genauso wichtig ist wie das fachliche Wissen. „Es sollten mehr Akzente gesetzt werden, die beim Kunden Vertrauen aufbauen, Kundenwünsche wecken, Kundennähe und Kundenbindung herstellen.“ Während uns Wolfgang Hanses bei unserem Besuch in Sinzig Kleinigkeiten zeigt, die den Unterschied und damit den Erfolg ausmachen (aktives Zuhören, Blickkontakt halten, offene Hand zur Begrüßung), sieht der Verkaufsalltag in der Regel ganz anders aus.
[incor name=”hanses-05″]„Die Verkäufer sind vielfach überfordert“, spitzt es Hanses zu. Fachlich seien sie top, doch es seien eher Berater, denen von der Berufsschule bis zu den Schulungen der Industrie schlicht und einfach die Ausbildung in Sachen Kommunikation fehle. Der Verkäufer von heute müsse aber ein Kommunikationskünstler sein, der mit den Kunden eine emotionale Ebene findet.“ Die Kunden seien durch das Internet bestens vorab informiert. Wer da beim Verkauf gedanklich auf der Ebene von vor drei Jahren argumentiert, hat schon verloren. Das bedeutet auch: Offensiv – und nicht nicht ängstlich mit vorinformierten Kunden und damit auch den Internet-Preisen umgehen, den Mehrwert des Fachhandels mit all’ seinen möglichen Dienstleistungen herauststellen.
Für die erfolgreiche Ausrichtung eines Fachhandelsgeschäftes ist es unabdingbar, hohe Verkaufskompetenzen zu initiieren. Hanses: „Die meisten Händler sind technisch hochqualifiziert ausgebildet, verfügen auch über betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse, der Bereich Verkauf indes wird weder ausgebildet noch trainiert.“ Der Fachhändler wie seine Mitarbeiter sollten in der Lage sein, kunden- und nutzenorientiert zu argumentieren, lebendige Anwendungsbeispiele darstellen („Haben Sie an der Tankstelle schon mal über den Preis verhandelt?“) können und die Produkte oder Dienstleistungen bedafsorientiert anzubieten.
[incor name=”hanses-06″]Und das Internet? „Das Internet ist für uns Fachgeschäfte die Beilage, die wir früher in der Zeitung hatten“, urteilt Hanses. Klar, das Internet sei Pflichtfach – aber nicht für den Verkauf mit eigenem Händler-Shop. „Es kann nicht Ziel des stationären Händlers sein, gegen Amazon, eBay, Idealo & Co anzukommen.“ Diese haben sich so positioniert, dass diese Vermarktungsschiene für die meisten Fachhändler nicht mehr attraktiv ist. Für Hanses ist das Internet in erster Linie die Chance zur Kontaktanbahnung zu den Kunden in seiner Region zwischen dem Süden von Bonn, dem Norden von Koblenz sowie das Ahrtal hinauf.
Heute seien die Branchenverzeichnisse von Suchmaschinen abgelöst. Habe der Kunde erst einmal die Homepage des Fachhändlers gefunden, müsse er sehr rasch, besser: als Erstes, die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, idealerweise eine Telefonnummer des Händlers, finden. Die Homepage als Schaufenster und „landing page“ eben. Für Hanses ist das Internet das Schaufenster von heute, das längst den Flyer in der Tageszeitung ersetzt hat. Nach zwei Stunden Dialog und Meinungsaustausch mit Wolgang Hanses sind wir uns sicher: Die Zukunft gehört dem offensiven Fachhandel!
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