Markt & Branche

„Genau das, was Severin jetzt braucht …“

Severin wird das Jahr 2024 mit neuem Schwung und dem klaren Ziel, die nächste Phase an Wachstum einzuleiten, beginnen. Dr. Joyce Gesing und Gerhard Sturm, der neu in das Unternehmen kommt, werden Severin ab dem 2. Januar 2024 als Co-CEOs führen. Sturm, ein ausgewiesener internationaler Vertriebs- und Marketingexperte mit langjähriger Erfahrung in Markenunternehmen wie L’Oréal, Sony und Grohe, wird zudem zum Sprecher der Geschäftsführung ernannt. infoboard.de Chefredakteur Matthias M. Machan sprach mit Dr. Joyce Gesing über die Severin Top-Personalie, Kontinuität in der Markenführung, Vertrauen in den Fachhandel sowie die nächsten Schritte auf dem Weg zur echten Konsumentenmarke.


Liebe Joyce Gesing, Sie haben nicht nur die Transformation von Severin beherzter denn je angestoßen, Sie haben die Marke auch ein Stück weit neu erfunden, ihr neues Selbstbewusstsein eingehaucht. Und nun ziehen Sie sich zum Jahreswechsel, zumindest gefühlt, in die zweite Reihe zurück. Was sind die Gründe dafür?

Wir sind sehr stolz auf das Erreichte der letzten Jahre und konnten sowohl ein sehr gutes Wachstum erreichen als auch unsere Positionierung im Markt und bei unseren Kunden wieder deutlich verbessern. Ein Rückzug von mir in die zweite Reihe ist das aber nicht!

Wir haben uns bewusst für ein Co-CEO Modell entschieden, da es um Teamplay auf Augenhöhe geht. Der Vertrieb, die Marke und das Portfolio haben jetzt eine gute Basis auf der Gerhard Sturm aufsetzen kann. Für mich ist das die Chance, noch mehr den Fokus auf die Weiterentwicklung unserer Partnerschaften in der Fertigung und in der Supply Chain zu legen, mich um den Ausbau der Supply Chain in Europa, die globale Infrastruktur auch für das internationale Wachstum sowie auf die Optimierung unserer Organisation, Prozesse und Strukturen zu konzentrieren.

Unser erster Eindruck: Die Chemie stimmt! Dr. Joyce Gesing und Gerhard Sturm werden sich die Geschäftsführungsaufgaben als Co-CEOs von Severin künftig aufteilen.

Wohl kein zweites Unternehmen hat sich in den vergangenen 15 Monaten so radikal neu erfunden wie Severin: die Fesseln der Fabrik sind abgestreift. Unter Ihrer Führung ist Severin zur Konsumentenmarke mutiert, erntet für den neuen Kurs erste Meriten im Fachhandel. Für mich kommt da die aktuelle Entwicklung ein wenig überraschend …

Es war für uns von Anfang an klar, dass ein zweiter Geschäftsführer gesucht und jetzt zum Glück in der Person von Gerhard Sturm auch gefunden wurde. Ich bin ein klassischer Generalist und eine Transformations-Managerin ohne dedizierte Vorerfahrung in der Industrie oder im Marketing. Es ist toll, jetzt einen Vertriebs- und Markenprofi mit Erfahrung in der Industrie und in für uns relevanten Märkten im Unternehmen zu haben – das wird Severin helfen, den von Ihnen beschriebenen Veränderungsprozess bei Severin weiter zu beschleunigen.

„Die Kontinuität ist gewährleistet“

Zur erfolgreichen Markenführung gehört für mich auch eine gewisse Kontinuität der handelnden Köpfe, auch weil eine Marke viel mit Vertrauen zu tun hat. Severin ist nach meinem Gefühl jetzt erstmals überhaupt auf dem Weg, sich beim Fachhandel eine echte Vertrauensposition als Konsumentenmarke zu erarbeiten. Keine Angst davor, dass einige diese Kontinuität jetzt in Gefahr sehen?  

Die Kontinuität ist gewährleistet. Gerhard Sturm und ich werden in der Einarbeitung eng zusammenarbeiten. Wir haben schon die ersten Kundentermine gemeinsam geplant. Zudem hat er sehr gute, bestehende Kontakte bei wichtigen Kundenorganisationen. Wir haben uns bewusst für das Co-CEO Modell auf Augenhöhe entschieden, bei dem wir uns auch in der Zukunft wechselseitig vertreten wollen und können.

Und am Ende ist die Kontinuität ja auch im Team gewährleistet. Harald Kaiser beispielsweise steht für Severin seit über 40 Jahren. Er verantwortet bei uns seit letztem Jahr auch den deutschen Markt mit sehr viel positiver Resonanz und sehr guten Ergebnissen. Für Gerhard Sturm und mich gilt es, das Team von Harald Kaiser in Deutschland und international noch erfolgreicher zu machen – mehr Kontinuität geht dann wohl fast nicht.

„Wir werden uns dann mit voller Kraft der Weiterentwicklung der Marke, dem kontinuierlichen Upgrade des Portfolios und der weiteren Internationalisierung widmen“, Dr. Joyce Gesing, CEO Severin.

Nochmals nachgehakt: Noch im März 2022 haben wir ein Foto mit dieser Bildunterschrift veröffentlicht: „Die neue Geschäftsführung von Severin: Dr. Joyce Gesing, Christian Strebl und Ulrich Cramer.“ Von diesem Trio ist keine zwei Jahre später niemand mehr auf der vordersten Kommandobrücke…

Wie gesagt, auf der vordersten Kommandobrücke stehen jetzt wieder zwei, statt eine –  und das ist auch gut so! Es gibt noch viel zu tun, um die Marke dahin zu bringen, wie wir uns das vorstellen und was unsere Kunden von uns erwarten – da hilft eine Doppelspitze sehr.

Die Sprecherrolle abzugeben, ist für mich eine Selbstverständlichkeit in dieser Konstellation. Gerhard Sturm übernimmt den Bereich Vertrieb und Marketing und damit auch die Kommunikation, das ist eng mit der Sprecherrolle verbunden. Es geht hier nicht um Hierarchie, sondern um die Verantwortung für die externe Kommunikation und Repräsentation der Marke und des Unternehmens. Trotzdem werde ich nicht völlig von der Bildfläche verschwinden – das wäre auch falsch …

Die Marke und ihre Wahrnehmung stärken

Die Personalie wird als der nächste logische Schritt gesehen, um Severin als international anerkannte Konsumentenmarke weiter zu stärken. Sollte man nicht erst einmal auf dem Heimatmarkt als echte Marke wahrgenommen werden?

Natürlich, da haben sie mehr als Recht. Deutschland ist weiter absolut im Fokus – immerhin steht Deutschland noch immer für unsere Wurzeln, aber auch fast 50% unseres Umsatzes.

In Deutschland geht es darum, die Marke und ihre Wahrnehmung zu stärken und zu entwickeln. Hier haben wir eine Markenbekanntheit von fast 70%, ein Gerät von Severin findet sich in fast jedem deutschen Haushalt. Es geht darum, dass die Marke als echte Konsumentenmarke anerkannt und gesehen wird – von den Konsumenten und unseren Handelspartnern. Daran arbeiten wir, und da müssen wir auch noch einige Beweise liefern.

Im Ausland indes sieht das anders aus. Dort ist es uns teilweise gelungen, die Marke als deutsche Premiummarke mit 130 Jahre Unternehmensgeschichte und einer nachweislich hohen „deutschen Qualität“ einzuführen. Dort geht es eher darum, diese Wahrnehmung zu stärken und schneller mehr Visibilität zu bekommen.

Auch wenn die Unternehmens-PR die Co-Geschäftsführung in höchsten Tönen preist, Ihr künftiges Aufgabenfeld als strategisch bedeutend identifiziert und „eine neue Phase des Wachstums und der Profitabilität“ ausruft: Ist das für Sie nicht dennoch ein Abschied auf Raten in Sundern?

Nein, ich fühle mich Severin und dem Team sehr verbunden, ich schätze Gerhard Sturm und freue mich auf die Zusammenarbeit. Es gibt also für mich aktuell keinen Grund, über einen Abschied nachzudenken.

Ich bin angetreten, um Severin nachhaltig erfolgreich zu machen. Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir das, was ich mir persönlich vorgenommen habe, erreicht haben. Es gibt noch viel zu tun – auch für mich persönlich.

Severin bezeichnet sich „als international bekannte Konsumentenmarke“. Wie wird dieser forsche Anspruch mit Leben gefüllt?

Wir haben die Vision, Severin wirklich zur anerkannten und klar differenzierten Konsumentenmarke global zu entwickeln. Das ist natürlich ein Weg und noch nicht erreicht. Aber man muss ja Ziele haben!

Wir werden Sie künftig eher im Flieger nach Asien sehen, denn auf einer Messe oder einer Branchen-Veranstaltung. Schmerzt Sie das?

Ich fühle mich dem deutschen Markt, unseren Kunden und auch dem Industrienetzwerk sehr verbunden. Ich habe in der kurzen Zeit so tolle Kontakte knüpfen dürfen und so viel Partnerschaft und Unterstützung erfahren. Das gebe ich, auch ganz persönlich, nicht auf!

Man wird mich auch weiterhin bei Messen, strategischen Kundenterminen und auch im Netzwerk sehen. Denn das Feedback aus dem Markt ist mir zu wichtig, auch für meine neuen Aufgaben. Für mich ändert sich da eigentlich nicht viel. Als Team – gemeinsam mit Gerhard Sturm – sind wir gut aufgestellt für die Zukunft.

Welche Ratschläge geben Sie Gerhard Sturm mit auf den Weg?

Für mich ist die Branche schnell meine berufliche Heimat geworden. Ich, als Seiteneinsteiger und „Newbie“, wurde so herzlich und offen aufgenommen. In dieser Branche zählt noch wirklich der Mensch und das Wort. Es gibt viele Unternehmer, die das Wort „Entrepreneur“ noch verdienen und mit denen man Geschäfte auf Augenhöhe macht. Man kann und muss sich gegenseitig vertrauen.

Genau deshalb ist für mich auch das Thema Vertrauen und Verlässlichkeit so wichtig. Man kann in dieser Branche noch viel bewegen, wenn man sich langfristig, nachhaltig im Handeln und partnerschaftlich verhält.

Die Branche ist aber auch hart umworben: Es gibt große Konzerne mit ihrer ganz eigenen Vorgehensweise und Marktmacht, ausländische Anbieter, mit einem anderen Selbstverständnis und anderen Qualitätskriterien, die andere Kostenpunkte darstellen können. Als Mittelständler hat man nur eine Chance: Eben wenn man sich als Marke differenziert und dann die Themen partnerschaftlich mit den Handelspartnern zum Leben bringt – dann gibt es noch Möglichkeiten für „Win Win“.

Warum ist Gerhard Sturm genau die Personalie, die Severin für den nächsten Schritt braucht?

Gerhard Sturm verbindet Vertriebs- und Markenkompetenz, Internationalität und Teamplay. Er hat Konsumentenmarken erfolgreich entwickelt und eingeführt, das ist eine große Bereicherung für das Unternehmen Severin.

Er ist es gewohnt mit großen Kooperationen auf Top-Entscheider Ebene die richtigen Akzente zu setzen und ist gleichzeitig bodenständig und anpackend, um im Mittelstand und auch den mittelständischen Strukturen Akzeptanz zu finden und wirken zu können. Und: Er hat erfolgreich Veränderungsprozesse durchgeführt, steht aber auch für Kontinuität und Nachhaltigkeit in seinem Handeln – genau das, was Severin jetzt braucht

Den Markenkern noch sichtbarer machen

Wie sehen denn die nächsten Schritte aus?

Wir werden den Markenkern von Severin noch klarer herausarbeiten, sichtbar machen und über alle Touchpoints hinweg für Konsumenten und Handelspartner erlebbar machen. Hier sind wir auf einem guten Weg, es sind aber noch weitere „Proofpoints“ notwendig.

Eine Marke in diese Richtung zu entwickeln, passiert nicht von heute auf morgen, hierfür benötigt es nachhaltiges Handeln und Konsequenz über einen längeren Zeitraum hinweg

Wie ist der aktuelle Stand der Transformation bei Severin? Wann ist diese endgültig abgeschlossen?

In Zeiten wie diesen muss man sich immer wieder anpassen und nachjustieren. Ein „fertig“ erlaubt die aktuelle Marktlage und Weltsituation wohl nicht (mehr). Aber die in 2022 definierten Arbeitspakete sind weitgehend abgeschlossen, in 2023 liegt der Fokus auf dem Abschluss der Aktivitäten im Bereich der IT und Digitalisierung sowie die letzten Investitionen am Standort in Sundern.

Wir werden uns dann mit voller Kraft der Weiterentwicklung der Marke, dem kontinuierlichen Upgrade des Portfolios und der weiteren Internationalisierung widmen – das sind aber Aspekte des normalen Geschäftsbetriebs.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Verbundgruppen aus, wo gibt es noch Aufholbedarf?

Wie sie wissen, hatten wir zwischenzeitlich keine Außendienstmannschaft auf der Fläche. Auch wenn wir mittlerweile hier wieder nachgelegt haben, sind wir noch nicht in allen Regionen auf einem für uns zufriedenstellenden Niveau.

Der Vertrauensaufbau und die Re-Etablierung von Kontakten dauert und muss erarbeitet werden. Auch arbeiten wir noch an der engeren Abstimmung zwischen den verschiedenen Kanälen in Bezug auf die Aussteuerung von Maßnahmen zur Unterstützung des Sellouts und Marketings.

Manchmal kommen Maßnahmen noch nicht schnell genug am POS an, um vollständige Wirkung zu zeigen. Das ist uns aber sehr bewusst. Hier arbeiten wir stark an Verbesserungen gemeinsam mit unseren Handelspartnern und den Kooperationen. Auch sind wir dabei unsere Replenishment- und Logistiklösungen an die Bedürfnisse des Handels weiter anzupassen.

Wir investieren zudem im Bereich Service und After Sales mit sehr guten Ergebnissen. Es macht Spaß zu sehen, wie die Maßnahmen hier aufgenommen werden und man gemeinsam die Zusammenarbeit auf eine andere Ebene heben kann.

Matthias M. Machan

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