Weltweit die Nummer 1, doch in Deutschland bislang unter „ferner liefen“ – damit soll bei Haier unter der Ägide des neuen Geschäftsführers Thomas Wittling nun Schluss sein. Mit einer konsequenten Premium-Strategie, der ausschließlichen Konzentration auf die weiße Ware und einer engen Zusammenarbeit mit dem Handel möchte die Deutschland-Tochter des chinesischen Konzerns nicht nur signifikant wachsen, sondern sich in Deutschland auf Rang 5 der Hausgeräte-Anbieter katapultieren. Wie das gelingen soll, erläuterte Wittling – nach rund 100 Tagen im neuen Amt – Ende Mai in Frankfurt.
Wittling, seit Januar für die DACH-Region als Geschäftsführer bei Haier verantwortlich, umriss bereits Ende April im Hintergrundgespräch mit infoboard.de, das klar definierte Ziel „den Riesen Haier in Deutschland zum Laufen zu bringen“. Dafür ist die Portokasse wie das Portfolio an Hausgeräten (mit 40.000 Modellen!) bei den Chinesen gut gefüllt.
Der Blick auf die weltweilten Marktanteile zeigt, dass die Marke Haier mit einem Wert von 10,5% das Ranking unter den Hausgerätemarken mit großem Abstand vor LG und Samsung anführt. Haier ist laut „Euromonitor International“ weltweiter Marktführer bei Kühlgeräten (21,2 % Marktanteil nach Stückzahlen im Jahr 2017) und Waschmaschinen für den Hausgebrauch (16,5 % Marktanteil nach Stückzahlen). Mit seinen 73.000 Beschäftigten erwirtschaftete das erst 1984 gegründete Unternehmen aus Quindao im vergangenen Jahr einen Umsatz von 37,2 Mrd. US-Dollar, davon entfielen rund 27 Mrd. US-Dollar auf den Hausgeräte-Markt. „Mehr als doppelt so viel wie die BSH“, merkte Wittling in Frankfurt an.
Allein in den vergangenen acht Jahren hat sich der Umsatz von Haier weltweit verdoppelt, was u.a. auch der Übernahme der Hausgeräte-Sparte von General Electric im Jahr 2015 geschuldet ist. Im vergangenen Jahr legte der Haier-Umsatz weltweit um 31 % zu. Und auch im 1. Quartal 2018 liegen die Chinesen mit satten 15 % im Plus. Zielsetzung ist eine weitere Verdopplung des Umsatzes. Wittling: „Das ist asiatische Mentalität.“ Diese Umsatzverdopplung könne aber nicht aus dem eigenen Wachstum heraus erfolgen. Bedeutet: Haier wird auch künftig Marken hinzukaufen.
Entsprechend ambitioniert sind denn auch die Ziele für den deutschen Markt. Um 20 Prozentpunkte stärker als der Markt will Wittling hierzulande wachsen, sich in den kommenden Jahren gar als Nummer 5 auf dem deutschen Markt (nach der BSH, Miele, Electrolux/AEG und Whirlpool/Bauknecht) etablieren. Eine Kampfansage, die nicht nur bei Samsung, LG und Beko mit Interesse verfolgt werden dürfte. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, erteilt Haier nicht nur der Billigschiene eine unmissverständliche Absage, auch die Unterhaltungselektronik und Smartphones werden in Deutschland aus den Regalen des Handels verschwinden.
Haier unternimmt mit seinem Portfolio genau zur richtigen Zeit einen Re-Start in Deutschland. Größere Waschmaschine, wie Haier sie produziert, liegen genauso im Trend wie Kühlgeräte mit größerem Volumen. „Das passt. Zudem ist Haier Premium“, formuliert es Wittling in Frankfurt selbstbewusst. Aktuell werden Haier-Geräte mit einem Preisindex von über 100 verkauft, bis zum Jahr 2022 ist ein Preisindex von 140 angepeilt. Ein Ziel, dass man mit geballter Produktkompetenz in puncto Qualität, Innovation und Design sowie fachkundiger Manpower – allen voran Vertriebsleiter Peter Stenzel und Marketingchef Daniel Wild – erreichen will.
Aktuell gibt es freilich noch reichlich Luft nach oben: Das betrifft das Marken-Image als Premium-Hersteller genauso wie eine gestützte Markenbekanntheit von 50% oder die Listung im Handel. Um das „große Potenzial der Marke“ auf dem deutschen Markt zu entfalten, hat Wittling mit seinem Team einen großen Werkzeugkoffer im Gepäck: So wird die Kommunikation der Marke Haier in Deutschland komplett neu aufgesetzt, u.a. erstmals auch mit TV-Spots. Der Messestand auf der IFA soll „deutlich größer“ werden, über eine Beteiligung an der Küchemeile A 30 in Ostwestfalen, konkret an der „area30“ in Löhne, sei man für das Jahr 2019 im Gespräch.
Präsentationsfolien
Vor allem aber wurde die Erweiterung der Distribution in Richtung traditioneller Handelskanäle eingeleitet. „Streicheleinheiten“ für den Handel bieten Verkaufsschulungen und eine Trainingsakademie sowie signifikante Verbesserungen in Logistik und Service, wohl wissend, dass dies auch Bausteine für das Premium-Konzept sind. Bis zu 500 neue Handelspartner sollen im Jahr akquiriert werden, 1.000 Händler sollen bis zum Jahr 2020 vom neuen Fachhandelskonzept „Brilliance“ profitieren. Und: Ein neues PoS-Konzept wird künftig den Premium-Charakter der Marke unterstreichen.
Im Fokus steht jedoch die Kernkompetenz, der Ausbau des Produktsortiments in den hochpreisigen Marktsegmenten. Das betrifft die Küche (Kühlen, Einbaugeräte wie Backofen-Set und Induktion sowie Weinklimaschränke und Geschirrspüler ab 2019) wie die Waschküche. Mit der Haier Duo Dry lassen sich beispielsweise zwölf Kilo Wäsche flexibel bewältigen. Die obere Trommel kann beispielsweise 4 Kilo Buntwäsche aufnehmen, während sich in der unteren Trommel 8 Kilo Kochwäsche einem Wellness-Programm inklusive Trockner unterziehen. Die beiden unabhängigen Trommeln können dabei gleichzeitig betrieben werden.
Das ist zwar nicht brandneu und war so auch schon auf der IFA zu sehen, wurde aber bislang (während alle über Samsung-Sockenklappe sprachen) nicht ausreichend kommuniziert. Wittling: „Wir müssen unsere Alleinstellungsmerkmale künftig deutlicher kommunizieren.“ Und weiter: „Erst durch Qualität werden Innovationen zu Premium.“
Dass es Haier mit Premium ernst meint, zeigen auch die exklusiven Locations, in denen das Unternehmen in diesen Wochen mit ausgesuchten Fachhändlern (30 – 40 je Standort) ins Gespräch kommen will: In Frankfurt, Hannover, Düsseldorf und München wurden durch die Bank renommierte Sterne-Restaurants gebucht. Den ersten großen Aufschlag hat Haier dann am kommenden Wochenende anlässlich der Euronics Summer Convention auf Mallorca.
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