„Hier Eller, nix Amazon!“

Für einen kurzen Moment schnappte Andreas Haderlein nach Luft, rang um Fassung. Soeben hatte der Impulsgeber und kreative Kopf der „Online City Wuppertal“ vor rund 200 Einzelhändlern, Stadtmarketing-Fachleuten und Wirtschaftsförderern aus Nordrhein-Westfalen eine Stunde lang sein „Multichannel-Fitnessprogramm“ für den Einzelhandel vorgestellt, da hebelte ihn die Moderatorin der Veranstaltung mit einer simplen Frage aus. Es ging um die Verfügbarkeit von Schuhen auf dem lokalen Online-Marktplatz. Auf gerade mal 60 verschiedene Modelle sei sie gestoßen (und das bei einer Stadt mit gut 343.000 Einwohnern). Wenige Minuten zuvor hatte Haderlein die Stadt noch als „riesiges Warenlager“ gepriesen, wobei der „Online City Wuppertal“ die Aufgabe zukomme, die Verfügbarkeit der Waren in der Stadt darzulegen. Denn: „Die Verfügbarkeit ist das A und O. Wer geht denn heute noch in die Stadt auf gut Glück.“ So ist das, wenn Visionen auf die Wirklichkeit treffen.
Wer in Düsseldorf-Eller an den Schaufenstern von Walgenbach vorbei geht oder fährt, kann sich den Slogans kaum entziehen. Fotos: Walgenbach
Von wegen bei Online ist immer alles billiger: Vergleichen lohnt!
Hier gehen Profis ihrer Arbeit nach, keine Amateure mit Wischwaschi.
Das Mit-, Neben- und Gegeneinander im Handel lässt sich in vier Worten zusammen fassen.

Wuppertal als Blaupause? ^

Aber vielleicht hatte die Moderatorin auch zuvor nicht genau hingehört, als Haderlein von einem „organischen Wachstum“ und einem „langen Atem“, den man brauche, sprach. Wie auch immer, viele Kommunen überlegen derzeit, das Wuppertaler Modell auch in ihre Stadt zu holen, zudem erhalten die Händler in der Wupper-Stadt immer mehr Anfragen (rund 25 %) von außerhalb der Stadtgrenzen. Avanciert Wuppertal damit zur Blaupause für das erfolgreiche Miteinander von digitalem und stationärem Handel?

Konzepte und Ideen, wie der stationäre Handel und die Innenstädte in Zeiten der Digitalisierung für die Kunden attraktiv bleiben, gibt es viele. Doch für wen ist in digitalen Zeiten welcher Ansatz der richtige? Welche Konzepte versprechen dauerhaft Erfolg, welche Stolpersteine können auftauchen? Und: Was wollen die Kunden heute wirklich?

  • Suchen Sie im Netz nach Produkten oder Geschäften?
  • Ist eine Städte-App interessanter als eine Produktfinder-App?

Die alle zwei Jahre stattfindende Werbegemeinschaftenkonferenz des Handelsverbandes NRW stand in diesem Jahr unter dem Thema „Digital – aber vor Ort!?“. Es gab beispielhafte („Heimatshoppen“) und richtungweisende (Online City Wuppertal) Konzepte sowie reichlich Denkanstöße für den Händler-Alltag. Wobei längst nicht alles für alle passt.

Es wird Umsatz wegbrechen! ^

„Wir haben den Stein des Weisen noch nicht gefunden“, bekannte beispielsweise Ludger Dieckhues von der Wirtschaftsförderungs- und Stadtmarketing Gesellschaft in Bocholt, wo aktuell die Kampagne „Suchen Sie DAS mal im Internet“ läuft. Dieckhues weiter: „Der Kunde kauft trotz aller Aktionen und Initiativen im Internet. Es wird Umsatz weg brechen.“ Einen Weg in die richtige Richtung zeigte Jan Höttges vom Initiativkreis Solingen auf, der für „das logische Miteinander“ von On- und Offline warb: “Wir müssen überall Kontaktpunkte schaffen, um den Kunden auf der Customer Journey zu erreichen.“

Wie sich lokales Einkaufen auch in digitalen Zeiten optimal vermarkten lässt, zeigte eindrucksvoll Elmar Fedderke auf, Geschäftsführer von Walgenbach im Düsseldorfer Stadtteil Eller. Wer an der Schaufensterfront von Walgenbach an der Gumbertstraße im Düsseldorfer Osten vorbeigeht, findet nicht nur „alles für Haus und Küche“, sondern eine Reihe von Plakaten, die zugespitzt und mit reichlich Wortwitz für den Einkauf vor Ort werben, vor allem aber zum Nach- und Umdenken anregen: “Hier Eller, nix Amazon!“ ist unser Liebling, zeigt das Mit-, Neben- und Gegeneinander im Handel in vier Worten, bringt die Probleme aber auch die Chancen auf den Punkt, denn: „Mit Ihrem Einkauf bei Walgenbach unterstützen Sie den Bau von sozialen und kulturellen Einrichtungen in Eller.“

„Schöne Dinge to go“ in Düsseldorf ^

In die gleiche Kerbe schlägt „Sie sind echt gut drauf“, verbunden mit einem „Danke, dass Sie in Eller kaufen! Sie sichern damit Arbeitsplätze in der Region, denn wir zahlen unsere Steuern hier.“ Auf einem weiteren Plakat wirbt Walgenbach damit, dass es hier „Schöne Dinge to go!“ gibt. Nur eben „schöner als online: Reingehen, aussuchen, Spaß haben, sofort mitnehmen. Das gibt’s nur in ihrem Fachgeschäft vor Ort.“

Natürlich sieht auch Elmar Fedderke im Internet vor allem eine Chance, auch wenn es kurzfristig Umsatz und Frequenz koste: „Das Internet ist integraler Bestandteil des Einzelhandels, auch wir nutzen es rege.“ Auf der Homepage von Walgenbach begrüßen Matthias Walgenbach und Elmar Fedderke die Kunden mit dem Credo „Auch wenn wir hier virtuell unterwegs sind – bei uns sind immer echte Menschen für Sie da.“ Nachzulesen auch an der Schaufensterfront: Hier gibi‘s kein Wischiwaschi. Hier beraten Sie keine Amateure, die sich gerne in Blogs wichtig machen, sondern Fachleute, die wirklich Ahnung haben.“

Keine Wichtigtuer – Fachleute! ^

Fedderke warb in Bad Münstereifel für die bundesweite Qualitätsoffensive „Buy Local“, eine Interessenvereinigung von Unternehmen im Einzelhandel, die in ihren Städten den zunehmenden Druck durch Filialunternehmen und Internetversender positive, persönliche Einkaufserlebnisse entgegensetzen möchte. „Buy Local“ liefert den Verbrauchern attraktive Argumente für den Erhalt der regionalen Wertschöpfung und sichere den Verbleib der Kaufkraft vor Ort. Fedderke: „Buy Local ist ein Beitrag zum Erhalt der individuellen, vielfältigen Geschäftsstruktur, mit dem die Kunden die eigene Region und die Lebensqualität unterstützen können.“

Charme überzeugt, nicht die Moralkeule ^

Der Walgenbach-Geschäftsführer warb dafür, das Gütesiegel als Marke zu initiieren: „Wir brauchen keine 5963 Internetshops, wir brauchen auch keine 624 Buy Locals. Wir brauchen eine Dachmarke! Denn einzeln zu handeln bringt dem Einzelhandel nichts.“ Fedderke vermisst ein überregionales Qualitätssiegel für den Einkauf vor Ort, eine Marke, mit der das stationäre Einkaufen zur Empfehlung wird. „Es gibt die Stiftung Warentest, aber es gibt kein Qualitätsprädikat für Läden.“ Wichtig sei es, seine Kunden mit Charme zu überzeugen, nicht moralisch tiefgreifend zu agieren.“

Und Fedderke weiter: „Buy Local“ weist dem Händler den Weg in die richtige Richtung: Mit einer dynamischen, branchenübergreifenden, deutschlandweiten Kampagne, einer Vielzahl von Ideen und Anregungen wie „best practise“-Fällen, mit pfiffigen Werbemitteln und einer Plattform für den gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Der Lohn für diesen Pioniergeist und Idealismus, den man als Händler schon mitbringen müsse: Das schlüssige Konzept sorge (nicht nur in den USA) für eine Frequenzsteigerung. Zudem bleibe mehr Geld im Ort und bei Gesprächspartnern sei ein deutlicher Akzeptanzgewinn festzustellen.“

Matthias M. Machan

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