Das Smartphone als Universalbedienung für Küche und Waschküche? Von Technik-Nerds und Neuheiten-Freaks mal abgesehen noch nicht wirklich im (deutschen) Küchenalltag angekommen. Und dennoch war es auf der gestern unter dem Berliner Funkturm zu Ende gegangenen IFA 2019 fast schon ein alter Hut. Sprachsteuerung via Alexa, Siri & Co. ist – quer durch alle Hallen vom Backofen bis zum TV-Gerät – der IFA-Trend schlechthin. Die Hausgeräte verändern sich fundamental in ihrem Rollenverständnis dank KI und einer Heerschar von Sensoren weg vom bloßen Werkzeug und hin zum persönlichen Assistenten.
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Sprachsteuerung in aller Munde ^
Gleich zum (inoffiziellen) Messebeginn am vergangenen Mittwoch und direkt am prominenten Platz in Halle 1 trieb es Siemens auf die Spitze: Zu sehen waren dort als Prototypen die ersten Backöfen, die auf Zuruf die Türe öffnen sowie die erste Smartwatch (von Fitbit), die mit den Hausgeräten spricht. Als Regiezentrale fungiert dabei die markenübergreifende Home Connect App der BSH. Klingt auf den ersten Blick faszinierend und ist auch eine echte Hilfe, wenn man mit dem Bräter in beiden Händen vor dem Backofen steht und dieser sich (hoffentlich) wie von Zauberhand öffnet. Indes: Für den Kochvorgang selbst ist diese kleine Erleichterung nicht mehr als eine Fußnote.
Wir erinnern uns: Es ist noch gar nicht so lange her, da war die IFA ein Hochamt für den guten Geschmack und Genuss, der durch innovative Küchentechnik erst möglich wurde. Sterneküche für Zuhause eben. Die großen (heimischen) Player der Branche zelebrierten Dampfgarer, in der die schnöde Karotte zur Geschmacksexplosion getrieben wurde und Automatikprogramme den Sonntagsbraten auf Knopfdruck versprechen. Marktfrische Produkte wurden zum Star in der Tellermitte, die Hausgeräte- Innovation sorgte für eine Küchen-Revolution in den heimischen Wänden.
Sprechende Kaffeedose ^
Klar, all diese wunderbaren Eigenschaften, die Hausgeräte zum echten Hausfreund in der Küche machten, gibt es immer noch und auch besser denn je. Nur redet da heute kaum noch jemand drüber. Irgendwann kam der Genuss in der Marken-Kommunikation abhanden. Stattdessen wird eine sprechende Kaffeedose, ähm Alexa, dafür gefeiert, dass diese eine Backofentür öffnen kann. Das ist eine nette Spielerei, die sogar Sinn macht, aber im eigentlich Kochprozess eben doch nicht mehr als eine Fußnote. Mit dieser Einschätzung ist infoboard.de nicht alleine. So schrieb die FAZ vorgestern: „Connect, connect, immer ist alles connected. Wie wäre es mal damit: Vergessen Sie connect! In der Küche sind andere Qualitäten wichtig.” So ist es!
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Mediale Diät ^
Was auffällt: Zumindest in den meinungsführenden Print-Medien ist in puncto IFA-Berichterstattung in diesem Jahr eher Schmalhans der Küchenmeister. Am vergangenen Sonntag gar ein totaler Blackout: BamS, Welt am Sonntag und FAS verloren kein Wort zur IFA, während die nahende IAA in Frankfurt in Schlagzeilen badete. Zwar war das „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF verlässlicher IFA-Begleiter, allerdings nicht immer schmeichelhaft. Für den Digitalexperten des Magazins, Dennis Horn, sind beispielsweise die smarten Kühlschränke seit vielen Jahren ein „running gag“, den er indes noch nie in einer Küche gesehen habe.
Immerhin berichtete die FAZ vorgestern über einige, wenige IFA-Highlights. Liegt die „mediale Diät“ daran, dass man die echten Highlights und wahren Innovationen, die den Massenmarkt in Begeisterung und Bewegung setzen, in diesem Jahr eher mit Lupe suchen musste? Wo bitte ist das nächste große Ding, über das die Branche spricht, wo die Top-Neuheit in der Gewichtsklasse eines Miele Dialoggarers?
Klar, es gab den neuen Premium-Vollautomaten Giga 6 von Jura. Hinter dem stylischen Gehäuse steckt ein professioneller Vollautomat mit der Kompaktheit eines Hausgerätes, in dem wohl alles verbaut ist, was in der Kaffee-Technologie aktuell möglich ist. Für Applaus sorgte auch die Milchschaum-Expertise bei De’Longhi, für Aufmerksamkeit das rasante Wachstum (im Geräte-Portfolio wie bei Marktanteilen) von Sage. Ansonsten blieb es aber im erfolgsverwöhnten Kaffee-Segment vergleichsweise ruhig.
Bodenpflege boomt ^
Ganz anders beim Boom-Thema Bodenpflege, genauer in den Segmenten Saugroboter und Akku Handstaubsauger: Hier sorgen neue Player wie Bissell (der Messe-Auftritt brachte Farbe und bestes Infotainment in die Halle 9), die Amerikaner von SharkNinja, Zaco oder Blaupunkt Robotics für Aufmerksamkeit.
Der Publikumspreis, die Abstimmung mit den Füßen, dürfte ganz klar an Miele gehen. Zur IFA präsentierten die Gütersloher mit dem Triflex HX1 einen Akku Handstaubsauger – gefertigt nebenan in Bielefeld – der durch sehr gute Saugeigenschaften und enorme Flexibilität punktet und der vor allem kraft Markenstärke das Potenzial hat, im Handel in die Lücke zu stoßen, die Dyson mangels auskömmlicher Margen aufreißt. Der, so Dr. Markus Miele, flexibelste Handstaubsauger auf dem Markt verspricht eine kraftvolle Reinigung mit bis zu 120 Minuten Akkupower.
Miele-Bonbon ^
Eine technologische Innovation ist der Akkusauger nicht – trotzdem ein Bonbon für den Handel rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft. Der Markt für die Bodenpflege entwickelt sich mit Vehemenz weiter: Fakir (neuerdings auch mit Kleingeräten für die Küche in trendigen Farben) präsentierte mit dem „Filter Pro“ eine Weltneuheit, die es ermöglicht, erstmals emissionsfrei staubzusaugen. Ganz neu ist bei Kärcher der SC 3 Upright Easy Fix Premium, ein Dampfreiniger mit integriertem Entkalker. Nicht zu vergessen: Immer mehr Saugroboter – gesehen u.a. bei Ecovacs, Zaco und Blaupunkt) – haben jetzt eine integrierte Wischfunktion.
Spielwiese für Start-Ups ^
Vor allem aber war die IFA anno 2019 die größte Messe für digitale Produkte weltweit. IFA Executive Director Jens Heithecker: „Wir zeigen, was die neuesten Technologien den Konsumenten bringen und wie sie aus Sicht des Konsumenten genutzt werden.“ Ohne künstliche Intelligenz (KI) ging unter dem Funkturm fast nichts. Auf die Spitze getrieben wurde es in Halle 26 im Rahmen der „IFA NEXT“. Eine wunderbare Spielwiese für Start-Ups mit den Ideen für morgen. Wahr ist aber auch: Nicht alles, was technisch geht, macht küchentechnisch Sinn. Und manches, was sich auf künstliche Intelligenz beruft ist bei Lichte besehen nicht viel mehr als Automatisierung.
Bosch: Clever & smart ^
Egal, Bosch präsentierte einen Küchenhelden, den man schnell als Thermomix-Klon oder „Prep & Cook“-Nachahmer (Krups) in eine Schublade stecken könnte. Funktioniert aber nicht, denn hinter „Cookit“, eine durch und durch clevere Küchenmaschine mit Kochfunktion, stecken fünf Jahre Entwicklungsarbeit und jede Menge „MUM“-Kompetenz. So dürfte die Küchenarbeit mit „Cookit“ schneller, flexibler und vor allem heißer als beim Wettbewerb von statten gehen. Ausgestattet mit zahlreichen Zubehörteilen, verspricht Cookit beste Resultate bei jedem Gericht. Ob Raspeln, Kneten oder Rühren – mit Universalmesser, 3DRührer und Zwillings-Rührbesen gelingt die Vorbereitung schnell und präzise. Selbst das Schneiden von feinen Gemüsestreifen geht mit den Schneid- und Raspel-Scheiben leicht von der Hand. Und mit dem mitgelieferten Dampfgarzubehör können kleine und große Mengen oder sogar drei verschiedene Lebensmittel gleichzeitig schonend zubereitet werden.
Die Küche von morgen ^
Das Spannende ist indes zumindest für den, der das betreute Kochen liebt, die Konnektivität: Über die Home Connect App der BSH lässt sich der aktuelle Kochfortschritt nachverfolgen – auf dem Smartphone, am Handgelenk über die Smartwatch oder per Sprachsteuerung. So kann man von der Couch aus bei Amazons Alexa nachfragen, wann das Essen fertig ist. Das macht Cookit bereits heute zu einem Teil der vernetzten Küche von morgen.
Wenn die Waschmaschinen den Turbo-Gang wiederentdecken (49 Minuten bei Miele), wenn die Smartwatch mit dem Backofen spricht, wenn man beim Geschirrspüler den Takt und die Zeit vorgibt und nicht umgekehrt (Quickselect von AEG) oder wenn die Dunstabzugshaube nicht nur fettige Luft absaugt, sondern frischen Duft spendet (Aura 4.0 Ambient von Miele) – dann ist IFA-Zeit in Berlin. Vielleicht in diesem Jahr nicht mit den ganz großen Innovationen, über die die Branche wie die Verbraucher sprechen werden, aber zumindest doch mit einem Füllhorn an Neuheiten, die den Alltag in Küche wie Waschküche spürbar erleichtern und komfortabler machen. Fortsetzung folgt: Die IFA 2020 wird vom 4. bis 9. September stattfinden.