Die ersten Hinweise gab es für infoboard.de bereits am Donnerstag vorletzter Woche (also am 6. Mai), 24 Stunden später pfiffen es unabhängig voneinander mehrere Branchen-Insider aus Handel wie Industrie hinter vorgehaltener Hand von den Dächern, jetzt ist es Gewissheit: Die IFA 2021 wird abgesagt!
Die Messe Berlin und die gfu begründen die Absage wie folgt: „Für global agierende Unternehmen, die sich im Rahmen einer Leitmesse wie der IFA präsentieren, wird mehrere Monate vor Veranstaltungsbeginn eine Budgetierung zwingend notwendig. In der gegenwärtigen Pandemiesituation fehlen jedoch Rahmenbedingungen, die hierfür eine verlässliche und verbindliche Grundlage bieten.“
Zu viele Unwägbarkeiten
„Innovationen brauchen eine globale Plattform. Marken und Hersteller aus der gesamten Technologiebranche äußerten deshalb ihre Zuversicht, zur IFA 2021 nach Berlin kommen zu können”, so Kai Hillebrandt, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu. Indes: „Aktuell existieren zu viele Unwägbarkeiten. Eine Messeteilnahme lässt sich daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verantwortungsvoll planen.“
Martin Ecknig, CEO der Messe Berlin, ergänzt: „Hieraus die Konsequenz zu ziehen, ist nicht leicht gefallen. Für Industrie und Handel der Consumer und Home Electronics Branchen zählt die IFA zu den wichtigsten Ereignissen des Jahres. Sie verbindet diese Branchen mit Fachbesuchern, Medien und Konsumenten wie keine andere Veranstaltung. Die globale Pandemieeindämmung, inklusive der Einführung der Impfprogramme, wie auch die Wiederaufnahme des internationalen Reiseverkehrs, erfolgten nicht in dem erhofften Tempo. Angesichts dieser Entwicklung war diese schwierige und enttäuschende Entscheidung unvermeidbar.“
Die Vorbereitungen für das Live-Event Berlin Photo Week in der Arena Berlin und für die SHIFT Mobility werden unabhängig von dieser Entscheidung wie geplant fortgeführt.
Die IFA-Absage – geplant war die Messe vom 3. bis 7. September – überrascht nicht, wenn man sich mit dem Infektionsgeschehen, insbesondere im April, auseinandersetzt. Und es überrascht dennoch, wenn man den Tenor einer der PR-Botschaften der Berliner Messe-Macher aus der letzten April-Dekade noch deutlich im Ohr hat: „Die IFA findet mit umfassenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen als physischer Live-Event auf dem Berliner Messegelände statt.“ Mehr noch: Bereits 80% der Ausstellungsfläche sei von den Unternehmen gebucht worden. „Ob das gut geht?“, fragten sich nicht nur die Kollegen der „Computer Bild“ bereits Mitte April und wähnten die Planungen „auf wackligen Beinen“.
Nun, es ging nicht gut. Spätestens mit der Messe-Absage von Miele – kolportiert wurden im Umfeld weitere Absagen prominenter „Blue Chips“ der Branche – kam ein Stein ins Rollen, den man unter dem Funkturm wohl nicht mehr aufhalten konnte. „Uns überraschte diese Absage und wir bedauern sie sehr“, so eine IFA-Sprecherin zu infoboard.de am 10. Mai. Zur Wahrheit gehört aber auch: Nicht wenige Händler haben ihren Verbundgruppen wohl schon im Vorfeld deutlich signalisiert, dass Berlin für sie in diesem Jahr keine Reise wert sein wird.
„Was für ein Eiertanz“
Warum aber dauerte es dann fast noch geschlagene zwei Wochen, bis sich die Messe Berlin offiziell dazu nach außen äußert? „Was für ein Eiertanz“, schüttelt ein hochrangiger Vertreter aus der Industrie im Telefonat mit infoboard.de den Kopf. Und: Habe man denn aus dem Vorjahr so gar nichts gelernt? Die Kommunikation sorgt, bei allem Verständnis für die Absage, wohl bei vielen Beteiligten aus Handel und Industrie für Frust.
Ein deutscher Aussteller gestern (18. Mai) zu infoboard.de: „Eine offizielle Anfrage meinerseits bezüglich der versprochenen Aufplanung bleibt ohne Antwort. Ich denke, wir werden in dieser Woche von unserer Seite absagen. Traurige Kooperation zwischen Messe und Industrie, aber was soll man machen, wenn nicht mal mehr der Dialog stattfindet.“
Was sagt der Handel zur IFA-Absage: Karl Trautmann, Vorstand ElectronicPartner, spricht mit seinem Statement wohl für die gesamte Handelsbranche: „Natürlich ist es bedauerlich, dass die Elektronikbranche in 2021 auf ihre weltweit wichtigste Leitmesse verzichten muss. Da jedoch der weitere Verlauf der Pandemie Stand heute schwer vorherzusagen ist, es sowohl hoffnungsvolle als auch gegenteilige Entwicklungen gibt, betrachten wir die Absage der IFA als Entscheidung für die Gesundheit und als Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Insofern freuen wir uns schon jetzt auf eine tolle IFA 2022, mit persönlichen Begegnungen und Gästen aus der ganzen Welt!“
EK/servicegroup plant digitalen Lieferantentag
Bei der (nicht nur) in der Corona-Krise agilen EK/servicegroup schaut man nach vorne: „Wir waren für den Fall der Fälle gerüstet und werden im Frühsommer exklusiv für unsere Händler einen digitalen Lieferantentag ausrichten, auf dem die Top-Hersteller aus dem Elektro Hausgerätebereich die diesjährigen IFA-Neuheiten vorstellen werden. Unsere Händler können dabei in den 1:1 Austausch mit der Industrie gehen und sich so warenseitig optimal auf die nächsten Monate einstellen“, verrät Martin Wolf, Leiter Marketing und Vertrieb Elektro/Küche/Licht im Bereich EK Home.
Franz Schreckenberg (Leiter Category Management Elektro, EK Home) schaut schon auf den September: „Unser Fokus liegt auf der Vorbereitung unserer EK LIVE Herbstmesse. Für uns als Verbundgruppe geht es dabei naturgemäß nicht nur um Ware und Konditionen, sondern auch um die Weiterentwicklung unserer Handelspartner. Ganz oben auf der Agenda stehen die Themen Kommunikation und Ideentransfer und natürlich das Thema Trends.“ Online sei dies mitunter schwer abzubilden, deshalb präsentiere man diesjährige Herbstmesse als „Sandwich-Lösung“.
Für den neuen telering-Geschäftsführer Udo Knauf bleibt die IFA die unangefochtene Leitmesse. Seine Reaktion: „Wir haben verantwortungsvoll mit der Gesundheit und Sicherheit unserer Mitglieder sowie unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzugehen. So schwer es uns auch fällt, wir unterstützen und nutzen dann natürlich die alternativen Formate der Hersteller.“