Der Handelsverband Deutschland prognostizierte am 11. November als einer der ersten für die letzten beiden Monaten des Jahres ein Umsatzplus von 1,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Das entspricht einem Volumen von voraussichtlich 85,5 Milliarden Euro. Durchschnittlich 447 Euro, so der Verband, wollen die Verbraucher in diesem Jahr für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Ein „konstantes Geschäft mit Weihnachtsgeschenken“ erwartet auch die Nürnberger GfK, die ihre Konjunkturdaten heute Mittag vorgestellt hat. Allerdings mit komplett anderen Zahlen.
Durchschnittlich 285 Euro geben die Bundesbürger laut GfK in diesem Jahr für Weihnachtsgeschenke aus. Das ist 1 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Laut aktueller GfK-Umfrage kann der Handel daraus mit einem Umsatzvolumen für Geschenke von rund 15 Milliarden Euro im Weihnachtsgeschäft rechnen. Macht ein leichtes Minus von ebenfalls 1 Prozent.
Leichtes Wachstum hier, leichtes Minus dort. Das addiert sich zusammen in der Sprache der Diplomatie auf die Floskel „verhaltener Optimismus“. Beim Handelsverband fließen auch die Lebensmittel mit in den Warenkorb der Statistik ein. Und mit einer Freiland-Gans und reichlich Schampus im Einkaufkorb hat sich die Differenz zwischen beiden Konjunktur-Einschätzungen recht schnell geglättet.
Und dennoch bleiben die Konjunkturzahlen zum Fest der Feste ein Stück weit Kaffeesatzleserei. Denn auch die Meterologen kommen noch mal ins Spiel: Haben wir am 3. Advent 15 Grad und Sonne, bleiben viele Saisonartikel wie Blei in den Regalen haften. Aber auch Temperaturen um den Gefrierpunkt mit reichlich Schneefall und Verkehrsbehinderungen in den Innnestädten können aus einem Top-Adventssamstag schnell einen Konsumkiller machen.
Streng genommen kann das Weihnachtsgeschäft zumindest im Vorfeld aber gar nicht schlecht werden – weil es in den voraussschauenden Prognosen der Verbände gar nicht schlecht werden darf. Sagen jedenfalls die, die von Berufs wegen den Finger am Puls des Handel(n)s haben und als Funktionäre diesen vertreten. Also lediglich schierer Zweckoptimismus zum Saisonauftakt? Schließlich will keiner Verbraucher und Handel in schlechte Laune versetzen.
Ist aber auch nicht nötig. Denn die Voraussetzungen sind in der Tat auch in diesem Jahr günstig: Dank guter Beschäftigungslage und recht komfortabler Lohnzuwächse ist der private Konsum – mal wieder – ein Stützpfeiler der Konjunktur. „Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen“, bringt es Handelsverbandspräsident Josef Sanktjohanser auf den Punkt.
Generell hat sich die Stimmung der Verbraucher im November – den Krisenherden rund um den Globus zum Trotz – insgesamt weiter stabilisiert. Das Konsumklima setzt zum Jahresende seinen Aufschwung fort. Für Dezember prognostiziert der Gesamtindikator 8,7 Punkte nach 8,5 Punkten im November. Zudem legen Einkommenserwartung und Anschaffungsneigung zum zweiten Mal in Folge zu, während die allerdings die Konjunkturerwartung geringe Verluste verzeichnet.
Die positive Verbraucher-Stimmung macht sich bemerkbar: Mit einem deutlichen Zuwachs um 0,7% zum Vorquartal hat der private Konsum laut Statistischem Bundesamt von Dienstag dieser Woche zuletzt maßgeblich zum Wachstum beigetragen. Selbst die Banken spielen als Förderer des Weihnachtsgeschäftes mit: Wer dem Negativzins das Wort redet, muss sich nicht wundern, das die Bereitschaft sinkt, das Geld der Bank zu leihen. Kaffee-Vollautomaten mit köstlichem Milchschaum wie beim Italiener um die Ecke, clevere Wearables und vernetzte Backöfen für den Festtagsbraten mit Geling-Garantie gewährleisten derzeit eine höhere Genuss-Rendite als die gängigen Sparformen. Eine Steilvorlage für den Handel.
Zurück zur heutigen Pressekonferenz der GfK: Auch in diesem Jahr zeigen sich die Deutschen zu Weihnachten in Summe ziemlich großzügig. Mit 285 Euro sind die geplanten Ausgaben zwar 3 Euro geringer als in 2013. Das Niveau ist aber unverändert hoch. „Um bei der Wahl des Geschenks nicht daneben zu greifen, verschenken die Deutschen auch gerne wieder Bargeld. Das dürfte vor allem in den Tagen nach dem Fest zu einem Großteil in die Kassen der Händler fließen, Umtausch-Welle inklusive. Insgesamt werden die Bargeschenke ein Volumen von 3,4 Milliarden Euro umfassen“, so Gfk-Handelsexperte Dr. Wolfgang Adlwarth.
Das Weihnachtsbudget zeigt erwartungsgemäß deutliche Unterschiede nach Alter und Einkommen. So wollen Verbraucher mit einem Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 1.500 Euro mit 179 Euro deutlich weniger ausgeben als im Vorjahr (202 Euro). Wer über ein Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 2.500 Euro verfügt, möchte genauso viel Geld für Geschenke aufwenden wie im letzten Jahr (265 Euro). Und Menschen, die mehr als 2.500 Euro zur Verfügung haben, werden ihr Budget etwas aufstocken.
Geschenke im Internet zu bestellen, gewinnt weiter an Beliebtheit. Insgesamt wollen laut GfK 51 % der Deutschen mindestens ein Geschenk im Internet erwerben. In vielen Produktbereichen steigt die Zahl der Personen, die neben dem stationären Handel auch online einkaufen möchten. Auch das ist nicht neu: Kurz vor dem Fest greifen die Deutschen inmmer öfter zu praktischen Geschenk-Ideen. Dabei mutieren vor allem die Elektrokleingeräte zu den neuen SOS-Geschenken. Der Dezember ist ihr umsatzstärkster Monat des Jahres.
Wer also bis kurz vor dem Fest noch nichts gefunden hat, womit er Freunde oder Verwandte bedenken kann, greift laut GfK besonders gerne zu Damen- und Herrenrasierern sowie Geräten zur Mundpflege. Im vergangenen Jahr setzte der Handel damit in der Woche vor Weihnachten 20 Mio Euro, an Heilig Abend selbst noch einmal 9,4 Mio Euro um. Süßer die Kassen nie klingeln. Im November dagegen lagen die Wochenumsätze zwischen 7,1 und 8,1 Millionen Euro.
Und wenn sie bei den Geschenken schon den praktischen Dingen den Vorrang geben, lassen es sich die Deutschen offenbar dafür etwas kosten, greifen ganz bewusst nach qualitativ hochwertigen Produkten. So steigen die Durchschnittsausgaben im Dezember für Elektrokleingeräte aus diesem Bereich um bis zu 34 %. Und wer Bargeld zu Weihnachten erhält, gibt dies im Januar besonders gerne für elektrische Geräte im Bereich Personal Care aus, hat die GfK ermittelt.
Alles gut zu Weihnachten also? Scheint fast so. Oder kommt nach der Hausse im Dezember in der Neujahrsnacht der große Kater? Fakt ist: Der Strukturwandel im Handel setzt sich fort, nicht wenige sehen den Handel im größten Umbruch seit dem Ende von Tante Emma. Denn der Online-Handel wächst auch im aktuellen Weihnachtsgeschäft unverdrossen weiter. Wer da eine Marktsättigung herbei redet, starrt wie das Kaninchen auf die Schlange und leugnet alle Realitäten.
Im Gegenteil: Die Online-Umsätze werden im November und Dezember 2014 bei 10 Mrd Euro liegen, sagt Handelsverbandspräsident Josef Sanktjohanser. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 18 %. Das Gesamtvolumen im deutschen Online-Handel wird 2014 nach HDE-Prognose bei 39 Mrd Euro liegen. So wird im Non-Food-Bereich bereits jeder fünfte Euro über das Internet umgesetzt.
Fakt ist, der Strukturwandel in der Handelsbranche ist da! In dessen Folge sehen sich viele kleine und mittelständische Handelsunternehmen großem Investitionsbedarf gegenüber. Und es kommt noch schlimmer: Schon heute berichten viele Händler – dem demographischen Wandel wie dem Online-Handel geschuldet – von sinkenden Kundenfrequenzen. Das ist besonders für die innenstädtischen Händler ein Problem. Sie sind wegen der hohen Mieten auf viele Kunden angewiesen. Handlespräsident Sanktjohanser schlägt Alarm: „Bis 2020 könnten in Folge des Strukturwandels 50.000 Standorte vom Markt verschwinden.“ Frohes Fest! Das ist eine Horror-Zahl, die so gar nicht in die vorweihnachtliche Einkaufs- und Erwartungsfreude passen will.
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