Lieber Karl Trautmann, ganz ehrlich, ich werde Sie vermissen. Und das ist nicht so leichtfertig daher gesagt wie bei vergleichbaren Anlässen. Wann immer ich einen Interview-Termin mit Ihnen hatte, wusste ich, ich komme mit einer knackigen Headline zurück. Denn mir fällt aktuell kein zweiter Branchenakteur ein, der mit Leidenschaft so ungeschminkt Klartext redet wie Sie. Daher: Gibt es jemanden, bei dem Sie sich dafür entschuldigen müssen?
Danke für das Kompliment. Es ist mir ein persönliches Anliegen, in der Sache klar zu kommunizieren, ohne dabei zu verletzen. Man sollte ein Thema präzise auf den Punkt bringen und dabei nichts verschwurbeln. Ich denke, dass es mir gelungen ist, in der Sache klar, aber nicht beleidigend zu kommunizieren. Daher meine Antwort auf Ihre Frage: „nein“.
Und auch das ist selten geworden: Seit über 30 Jahren engagieren Sie sich für das Unternehmen ElectronicPartner. Sie sind ein Mann der Wirtschaft, waren zunächst im Finanzbereich tätig, bevor Sie über ElectronicPartner zum Einzelhandel kamen …
Zu Beginn meiner Laufbahn bei ElectronicPartner 1990 habe ich zweieinhalb Jahre die Schossau Filiale auf der Königsallee in Düsseldorf geleitet. In dieser intensiven Zeit habe ich sehr viel über Endkunden und den Einzelhandel sowie über Lieferanten und deren Vertriebspolitik gelernt.
Dann bin ich Anfang 1993 als Niederlassungsleiter nach Hamburg gewechselt und habe viele Unternehmer kennengelernt, die ihre Fachgeschäfte mit großem Engagement, Herzblut, aber auch hohem persönlichen Risiko geführt haben.
Ende 1995 bin ich in die Zentrale nach Düsseldorf gewechselt und habe bei der Leitung des Projektes „Multimedia“ zum ersten Mal eine Ahnung davon bekommen sowie eine Vorstellung entwickelt, was die Digitalisierung für Wirtschaft, Gesellschaft und vor allem für ElectronicPartner und seine Mitglieder bedeuten könnte. Digitalisierung? Damals noch ein ziemlich unscharfer Begriff. Ich habe die Chance erhalten, die gewonnenen Erkenntnisse in der Sortimentsgestaltung und im Einkauf in die Praxis umzusetzen. Meine damalige Botschaft an die Händler: „Wer 1996 keine Computer verkauft, den wird es im Jahr 2006 nicht mehr geben.“
In den Bereichen Kooperation und Einzelhandel habe ich dann im Laufe der Zeit so ziemlich alle Funktionen ausgeübt. Dabei begleiten mich die Aufgaben im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus 14 Ländern im Rahmen meiner Tätigkeit für unseren internationalen Verbund E-Square seit vielen Jahren. Besonders spannend waren meine Jahre als Verantwortlicher für comTeam, da konnte ich sozusagen im Maschinenraum der Systemhäuser die Entwicklung der Digitalisierung verfolgen.
Wie ist Ihre persönliche Bilanz des Wirkens als Vorstand bei ElectronicPartner?
Unser Vorstand arbeitet als Team. Und das ist im Wortsinn so gemeint. Unser System von „check & balance“ funktioniert gut. Unsere Vorstandsentscheidungen sind abgestimmt, nicht das Tun eines Einzelnen.
Klar, nicht alle meine Ideen und Marktangänge waren erfolgreich. Rückblickend kann ich aber mit gutem Gewissen sagen, in der Mehrzahl hat es deutlich funktioniert. Gerne erinnere ich mich an die Phase der Marktkonsolidierung in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre und an das Entstehen des Themas E-Commerce in den 2000ern.
Rückblickend kann ich sagen, dass mit der Qualitätsoffensive, die wir zunächst für den Fachhandel bei ElectronicPartner und später dann auch für das Großflächenkonzept Medimax aufgesetzt haben, eine der wichtigsten Maßnahmen zur Zukunftssicherung des Handels in unserer Verbundgruppe eingeleitet wurde.
Auf das Jahr 2019 (und die Medimax-Krise im Jahr zuvor) hätten Sie vermutlich gerne verzichtet …
Ja und nein. Natürlich war solch eine Situation erstmal ein Schock und löst einen Alarmzustand aus. Andererseits war es der letzte Anstoß für eine ganze Reihe von Veränderungen in der Organisation und im Geschäftsmodell.
Ohne die Ereignisse im Jahre 2019 hätten wir nicht mit der notwendigen Radikalität die Digitalisierung unserer internen wie externen Geschäftsprozesse vorangetrieben, die mittlerweile Branchen-Benchmark sind.
Was sind aktuell die Top-Themen für ElectronicPartner?
Neben der Digitalisierung sicherlich der Fachkräftemangel und die geradezu alptraumhaft wuchernde Bürokratie. Bei der Digitalisierung sind wir auf einem sehr guten Weg, und mit dem Konzept „ElectronicFamiliy“ haben wir gemeinsam mit unseren Mitgliedsbetrieben den nächsten Schritt zur Bekämpfung des Fachkräftemangels getan. Nicht zu vergessen: In der Zentrale haben wir mit unserem „New Work“-Konzept einen sehr wichtigen Meilenstein erfolgreich gesetzt.
Wie zukunftsfähig ist ElectronicPartner aufgestellt?
Ich bin von der Zukunftsfähigkeit von ElectronicPartner und seiner Mitglieder zu 100% überzeugt. Unser Leistungsangebot für Fachhändler und Franchise-Partner steht nicht nur auf dem Papier, sondern bewährt sich täglich in der Praxis. Mit dem Format „WENDEpunkt“ schaffen wir für bestehende wie neue Mitgliedsunternehmen ein Betätigungsfeld, das langfristige wachstumsperspektiven hat und somit auch nachhaltige Umsatz- und Ertragschancen
Gibt es Anekdoten aus Ihrer ElectronicPartner-Zeit?
Immer wieder verblüfft war ich über die wenig ausgeprägten Kenntnisse der Lieferanten über unsere Unternehmung. Mein persönliches Highlight war eine komplette Jahresgesprächspräsentation, inklusive Marketingplan und Konditionsangebot für das nächste Jahr, die ziemlich schwungvoll gehalten wurde. Indes: Der Adressat für das Angebot fing im Namen zwar auch mit dem Buchstaben „E“ an, allerdings wich die Postanschrift doch deutlich von unserer ab …
Zum Jahresende ist Schluss: Wie sieht der kommende Lebensabschnitt von Ihnen aus?
Ich werde mir zunächst eine kleine Auszeit nehmen, um etwas Abstand zu gewinnen. Mein politisches Engagement wird darunter allerdings nicht leiden, denn im kommenden Jahr sind ja sowohl Bundestags- als auch Kommunalwahlen in NRW. Mit meiner Frau möchte ich die Zeit nutzen, um ein gemeinsames Projekt zu Ende zu bringen. Und dann schaue ich mal, wohin mich das Leben noch so führt …
Befürchten Sie Entzugserscheinungen vom Branchenbetrieb?
Nein. Ich rechne damit, dass mich die Ankündigung neuer, wirklich innovativer Produkte weiterhin elektrisieren wird. Die vertriebliche Umsetzung schaue ich mir dann gerne im nächsten Medimax oder beim EP:Händler meines Vertrauens an. Und sollte ich doch Entzugserscheinungen haben, dann besuche ich im nächsten Jahr die IFA.
Noch ein paar persönliche Fragen: Was haben Sie zuletzt eingekauft?
Schuhe der Marke „zeha“ in einem kleinen Fachgeschäft in Berlin. Das war ein echter Lustkauf und ein gutes Beispiel dafür, dass ein gutes Storytelling unbedingt zu erfolgreichem Marketing gehört.
Was kaufen Sie bevorzugt online, und wo ist der stationäre Handel Ihre erste Wahl?
Online kaufe ich vor allem ÖPNV-, Bahn- und Flugtickets. Alle anderen Dinge kaufe ich vorzugsweise stationär.
Ihr schönstes Einkaufserlebnis?
Vielleicht ein Einkauf bei EP:Fehrenbach in Düsseldorf mit einer Top-Beratung zu einer technischen Frage. Für die Lösung meines Problems, habe ich dann einfach direkt den Wohnungsschlüssel im Geschäft abgegeben und als ich von meiner Reise nach Hause kam, waren alle Arbeiten wunschgemäß perfekt erledigt – und durchgesaugt hatte das Serviceteam auch. Das war wie aus dem Lehrbuch!
Mit wem möchten Sie gerne mal einen Einkaufsbummel unternehmen?
Ehrlicherweise bin ich ein klassischer Zielkäufer und kein großer Fan von „nur so“-Einkaufsbummeln. Damit ich beim Zielkauf nicht allzu sehr daneben liege, gehe ich am liebsten ins Fachgeschäft – gemeinsam mit meiner Frau.
War Ihre Tätigkeit „nur“ Beruf oder auch Berufung?
Ganz klar Berufung. Für den Mittelstand in einer mittelständisch geprägten Unternehmung zu arbeiten, hat mir sehr große Freude bereitet.
Ihr allererster Berufswunsch als Kind?
Förster. Meine Familie hatte in meinen ersten Lebensjahren am Rande eines großen Waldgebietes in Ostfriesland gewohnt. Der Förster mit seinem Hund hat mich sehr beeindruckt.
Wo geht die erste Reise als Privatier hin?
Mit einer meiner Töchter auf die schottische Insel Skye.
Wenn Sie noch einmal – und wäre es für einen Tag – den „Job“ eines Anderen machen könnten …
…dann würde ich als Stammkunde der Deutschen Bahn gerne den Vorsitz im Personalausschuss des Aufsichtsrates der DB übernehmen und die Gehaltssystematik des Vorstandes zu 100% auf die Messgrößen Kundenzufriedenheit, Sauberkeit und Pünktlichkeit umstellen.
Ihr Lieblingsplatz, um entspannen zu können?
Eine Radtour mit meiner Frau, im Cockpit eines Segelbootes und beim Bier mit meinen Clubkameraden nach dem Wasserballtraining.
Mein größtes Laster ist…?
Mir fällt zu dieser Frage nichts ein. Meine Familie behauptet, ich würde mit Vorliebe am Abend ganze Tafeln Schokolade, am liebsten mit Nüssen, vertilgen.
Was nervt Sie derzeit besonders?
Erstens, wenn in jeder Form von Diskussion nicht zwischen korreliert und kausal unterschieden wird. Zweitens, wenn insbesondere in Politik und Wirtschaft, der „Jammermodus“ eingeschaltet wird. Statt Problembeschreibung finde ich Lösungsvorschläge deutlich besser.
Welche Freiheit nehmen Sie sich?
Meine gesellschaftlichen und politischen Überzeugungen öffentlich zu vertreten. Flagge zeigen ist angesagt!
Für Ihre Position gibt es zunächst einmal keinen Nachfolger, die Aufgaben werden verteilt. Sind da die Fußstapfen, die Sie hinterlassen zu groß oder sind nicht genug Aufgaben da?
Eine der großen Stärken von ElectronicPartner ist es, zum richtigen Zeitpunkt die passende personelle und organisatorische Struktur für die vor uns liegenden Anforderungen zu schaffen. Und dieser Zeitpunkt ist jetzt, mit drei Vorständen in der richtigen Altersstruktur. Es ist also keine Frage der Schuhgröße, sondern der Einschätzung der kommenden Herausforderungen.
Heute in zwei Jahren bin ich …
… hoffentlich ein gesunder und weiterhin grundoptimistischer Mensch.
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