Mit sechs Kilometern pro Stunde soll sich „Robby“ über den Bürgersteig fortbewegen. Ambitionierte Schrittgeschwindigkeit also. Auf der Jungfernfahrt indes kommt er immer wieder zum Stehen. Fotografen und Kamerateams stellen sich in den Weg, Media Markt-Kunden und Metro-Angestellte auch. „Der könnte meine Einkaufstüten transportieren“, (stimmt, wenn sie nicht schwerer als 10 Kilo sind) sagt eine Passantin, „der kann bestimmt leicht geklaut werden“, (stimmt nicht, bei gewaltsamer Öffnung wird Alarm ausgelöst, die Zentrale verständigt) eine andere.
Media Markt: Betreutes Ausliefern ^
Während manche noch öffentlichkeitswirksam über die Belieferung mit Drohnen nachdenken (Amazon experimentiert mit unbenannten Flugobjekten, die Post hat den „DHL-Paketkopter“ auf die ostfriesischen Insel Juist geschickt), schafft Media Markt – der mit seiner flächendeckenden Same-Day-Delivery-Einführung bereits 2015 einen Maßstab in der Handelsbranche gesetzt hat – nun im Handel 4.0 mit dem Start eines deutschlandweit bisher einzigartigen Pilotprojekts den nächsten Schritt in puncto Kundennähe und Schnelligkeit: Im gerade rund um das Metro-Areal aus der Erde gestampften Düsseldorfer Stadtteil Grafental liefert der dort ansässige Media Markt in den kommenden Monaten Online-Express-Bestellungen mit einem autonomen Lieferroboter an die Kunden aus.
Das wirft bei der Premiere in Düsseldorf und wenige Tage später beim Paketzusteller Hermes in Hamburg erst einmal viele Fragen auf. Was passiert, wenn „Robby“ (mutwillig) aus der Bahn geworfen wird oder vom Gehweg abkommt? Wie sieht es versicherungsrechtlich aus, wenn er von Radfahren trotz rotem Fähnchen übersehen wird und diese zu Fall kommen oder Fußgänger über ihn stürzen? Oder – wir sind schließlich in Deutschland – wie ist es um die ordnungsbehördliche Genehmigung bestellt? Darf der das? Mit bestehenden Vorschriften kommt man jedenfalls erst einmal nicht weiter – und der Gesetzgeber nicht hinterher. Zeigt sich symbolisch auch daran, dass die offizielle Vertreterin der Stadt Düsseldorf die zahlreichen Gäste und Journalisten erst mal 15 Minuten warten lässt, bis sie eintrifft.
Man ahnt: Für den Bürgersteig ist „Robby“ eigentlich zu schnell, für die Straße zu langsam. Was also ist zu tun? Zunächst einmal darf „Robby nur begleitet“ auf die Lieferstrecke gehen. Genehmigungen für den vollautomatischen Betrieb gibt es weder in Hamburg noch in Düsseldorf. Das „betreute Ausliefern“ des digitalen Lieferroboters mit einem analogen Aufpasser einige Meter dahinter soll erst einmal für Sicherheit sorgen. Darüber hinaus gilt: Es haftet der, der steuert. Und wenn keiner steuert, dann eben der, der für die Autonomie von „Robby“ verantwortlich ist.
Lieferungen in Echtzeit ^
Das futuristische Gefährt auf sechs Rädern ist Teil eines weltweiten Entwicklungsprogramms des europäischen Tech-Start-ups Starship Technologies aus Estland, das die Media-Saturn-Unternehmensgruppe in Deutschland unterstützt. „Wir freuen uns sehr, dass Media Markt das erste Unternehmen in Deutschland überhaupt ist, das den Lieferroboter im Einsatz beim Endkunden hat“, so Volker Barth, geschäftsführender Gesellschafter des Media Markts in der Metrostraße, der innerhalb der Media-Saturn-Gruppe Testpartner für das Pilotprojekt ist.
Und: „Mit dem direkt an den Media Markt angrenzenden Neubaugebiet Grafental haben wir optimale Voraussetzungen, um gemeinsam mit Starship den Roboter in einem überschaubaren Liefergebiet unter realen Bedingungen auszuprobieren. Wir sind gespannt, wie unsere Kunden auf den Roboter reagieren und wie er sich im Einsatz bewährt.“
Die Testphase des Lieferroboters läuft bis Jahresende – und das immer „in Begleitung“. Barth: „Schließlich wissen wir nicht, was in dieser Phase alles passieren kann.“ Bei Dunkelheit bleiben die Roboter allerdings sowieso im Markt, im November und Dezember ist also am späten Nachmittag Schluss.
Der Einsatz von Lieferrobotern ist aus Sicht von Media-Saturn eine gute Möglichkeit, seinen Kunden künftig Lieferungen in nahezu Echtzeit anbieten zu können – bei gleichzeitiger Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit. „Wir können die Digitalisierung nutzen, um effizienter zu werden, damit unsere Mitarbeiter noch mehr Zeit für den Kunden haben“, sagte Martin Wild, Chief Digital Officer der Media-Saturn-Unternehmensgruppe, in Düsseldorf.
Und ergänzte: „Die Lieferung zum Wunschtermin sowie Schnelligkeit werden immer wichtiger in unserem Lieferprozess. Deshalb testen wir kontinuierlich neue und innovative Dienste, die unseren Kunden einen bestmöglichen Mehrwert bieten.“
Dazu muss man wissen: Im Online-Handel sind die letzten Meter entscheidend. Für die Kunden von Media Markt, Saturn & Co. sind sie der größte Kostenbatzen in der Lieferkette, auch weil die Kunden bei der Lieferung häufig nicht daheim anzutreffen sind. Das kostet: in der Lagerhaltung, beim Personal und beim Benzin.
Wenn der Roboter zweimal klingelt… ^
Und so funktioniert die Zustellung per Lieferroboter: Kunden in Düsseldorf-Grafental, die über den Media Markt-Onlineshop bestellen und die Expresslieferung nutzen, haben gute Chancen, dass ihre Ware von einem Lieferroboter nach Hause gebracht wird. Voraussetzung: Die Lieferadresse liegt im Einzugsbereich des Testgebiets, das gewünschte Produkt ist vor Ort im Markt sofort verfügbar und der Besteller gibt seine Mobilnummer an. Diese ist notwendig, damit der Roboter den Kunden informieren kann, wenn er mit seiner Lieferung vor der Tür steht. Außerdem erhält der Empfänger auf sein Smartphone zur Verifizierung eine Benachrichtigung, sodass er den Deckel entriegeln und die Bestellung entnehmen kann.
Transportieren kann der Roboter nahezu alles, was weniger als zehn Kilogramm wiegt und im Lieferfach verstaut werden kann – egal, ob es die Digitalkamera kurz vor dem Start in den Urlaub, das verloren gegangene Handy-Ladekabel oder die neue Druckerpatrone fürs Büro ist.
Schnell bestellt, schnell gebracht ^
Der Lieferroboter bringt die Bestellung dann innerhalb von 30 Minuten bis drei Stunden nach Bestelleingang zum Kunden nach Hause. Alternativ ist eine Zustellung zum Wunschtermin am selben Tag oder an einem Wunschtag bis vier Tage nach Bestelleingang und mit einem Zeitfenster von zwei Stunden möglich. Testkunden, die die Express-Zustellung für 14,95 EUR anfordern, profitieren aktuell doppelt: Als Zugabe bringt der Roboter einen Gutschein im Gegenwert von 30,- EUR mit. Eben schnell bestellt, schnell gebracht und schnell ein Schnäppchen gemacht.
In puncto Sicherheit war der Roboter beim Presse-Testlauf vorbildlich: Er fährt in Schrittgeschwindigkeit und nutzt Gehwege, um an sein Ziel zu kommen. Mittels neun Kameras und Ultraschallsensoren kann er jederzeit Hindernisse erkennen und bei Bedarf sofort stoppen.
Schneller als die Drohne ^
Schließlich, was ist von all’ dem zu halten? Nörgler gibt es immer. „Ungefähr 1,4 Millionen Pakete stellt Hermes täglich zu. Ein Zusteller liefert an einem Arbeitstag zwischen 80 und 120 Pakete aus, also bis zu fünfzehn in der Stunde. Der Roboter braucht schon mal eine Stunde – für ein Paket“, ätzt „Spiegel online“. Stimmt, aber hallo – Wir stehen ganz am Anfang einer Entwicklung, die sich nicht mehr aufhalten lässt. Sicher ist: Der Lieferroboter wird kommen, schneller als die Drohne. Aber er wird mit Sicherheit anders aussehen als die aktuell verkehrenden Prototypen. Und er wird dann auch „lernen“ wie man mit plötzlichen Hindernissen wie Hunden oder Baustellen umgehen kann.
Weg-Weiser ^
Der Lieferroboter wird auch deshalb kommen, da Politiker aller Couleur aktuell fieberhaft nach Ideen und Konzepten suchen, um die Abgas-Belastungen in den Innenstädten entscheidend zu minimieren. Und der Lieferverkehr wird erstmal noch zunehmen, wenn der Online-Handel den Lebensmitteleinzelhandel flächendeckend erobert. Schließlich steht „Amazon fresh“ in den Startlöchern und Rewe ist bereits „on the road“.
Der öffentliche Personennahverkehr könnte in Sachen „abgasfrei“ den Anfang machen (müssen), die Armee der „Sprinter“-Paketlieferdienste wären sicher die nächsten, die aus den Innenstädten verbannt werden, wenn denn „Robby“ erst einmal marktreif wird. Denn an die Pkw mit Verbrennermotoren der Berufspendler traut sich sicher noch kein Politiker wirklich dran. Das kostet auf Sicht Wählerstimmen und den Job im Bundes- oder Landtag. „Robby“ verbraucht kaum mehr Strom als eine Glühbirne, macht keinen Krach, stinkt nicht und könnte den (Aus-)Weg weisen!