Webrooming oder Showrooming? ^
Duin räumte zugleich mit der Mär auf, dass das Showrooming (im Handel vor Ort informieren, im Internet kaufen) ein Unheil des Handels wäre. Das Gegenteil, also das Webrooming (im Netz informieren, im Handel ordern), sei immer öfter Realität. Duin: „Die meisten informieren sich online, treffen im Web eine Vorauswahl und gehen dann mit einer sehr konkreten Vorstellung in das Geschäft“. So sieht das auch Heike Scholz, Mitbegründerin der Initiative „Zukunft des Einkaufens“ und wohl eine der profundesten Branchenkennerinnen überhaupt: „Gegen die intensive Smartphone-Nutzung beim Shoppen ist kein Kraut gewachsen.“ Indes: 82 % der Shopper geben an, dass sie einen Offline-Kauf am Smartphone verifizieren. Scholz: „Viele Konsumenten vergewissern sich also beim Kauf im Ladengeschäft noch einmal online, indem sie weitere Produktinformationen oder Produktbewertungen recherchieren.“ Konsumenten suchen beim Showrooming gar nicht immer nach dem günstigsten Preis, sondern eher nach einer Bestätigung, dieses Produkt zu kaufen. Und diese Kauf-Verifikation wird, so Scholz, maßgeblich durch gute Produktinformationen wie Bilder, Videos oder Texte und vor allem durch Kundenbewertungen, die online gesucht werden, vorgenommen.
Offline kaufen, online verifizieren ^
Was bedeutet das für den stationären Handel? Er muss genau in diesem (Mobile-) Moment dem Nutzer die relevanten Informationen zur Verfügung stellen, damit der Konsument keine Veranlassung hat, zu anderen Händlern zu wechseln, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Ist der Nutzer aber erst einmal in einer Suchmaschine, wird es für den stationären Händler ungleich schwerer, gegen das gute Ranking von Amazon oder andere, gut positionierte Online-Händler anzukommen. Scholz: „Schafft man es hingegen, dass der Konsument dort gar nicht erst hin möchte, kann man andere Inhalte anbieten und erhält die Chance, sich selbst direkt zu präsentieren.“ Der Wunsch nach Kauf-Verifikation sei aber nicht bei allen Produkten gleich stark ausgeprägt. Die höchsten Werte werden bei Haushaltsgeräten (58%), Elektronik (54%) und Männerbekleidung (49%) erreicht. Geringe Werte hingegen bei Kosmetik, Nahrungsmitteln und Möbeln.
Heike Scholz zitierte aus einer Studie von „BazaarVoice“, in der es darum geht, wie stark Kundenbewertungen sowohl Online- als auch Offline-Käufe beeinflussen. Das Ergebnis: Auf jeden online umgesetzten Dollar kommen vier bis fünf Mal so hohe Umsätze im Offline-Handel. Scholz: „Dem User- bzw. hier Consumer Generated Content, also den Kundenbewertungen und -Reviews kommt auch im stationären Handel eine besondere Bedeutung zu. Eine echte Chance für das Omni Channel Marketing!“
Aktuell hat Scholz drei Top-Trends in der Omnichannel-Welt festgemacht, die übrigens auch infoboard.de in den vergangenen Monaten beobachtet hat:
- Die Konsolidierung im Online-Handel schreitet voran. Die Folge: Marktplätze werden immer wichtiger.
- Immer mehr Onliner gehen Offline
- Das Smartphone wird zum Point of Sale
Trend 1: Sättigung im eCommerce ^
Die Konsolidierung im eCommerce schreitet voran. Warengruppen, die schon früh schon online verkauft wurden, wachsen heute nicht mehr so stark. Bei Büchern, Medien, Unterhaltungselektronik und Bekleidung flacht der Zuwachs ab, die Online-Umsätze verharren aber auf hohem Niveau. Hier findet zunehmend ein Verdrängungswettbewerb statt.
Andere haben (hohe) Wachstumsraten noch vor sich – und dazu zählen neben Spielzeug, Schmuck, Outdoor-Ausrüstung, Möbel und Nahrungsmittel eben auch Haushaltsgeräte. Generell gilt: Marktplätze wie Amazon oder eBay gewinnen an Wichtigkeit.
Trend 2: Onliner gehen Offline ^
Jeder zweite der größten Online-Shops betreibt laut einer EHI-Untersuchung mittlerweile auch Offline-Geschäfte, bestes Beispiel ist Cyberport mit mittlerweile 15 Filialen. „MyMuesli“ hat schon 2009 ein erstes Geschäft eröffnet, ist heute in 36 Läden in der DACH-Region als auch in Supermärkten verfügbar. Für Scholz ist der Grund klar: „Onliner gehen offline, um die Glaubwürdigkeit zu bekommen, die der stationäre Handel schon hat.“
Trend 3: Das Smartphone wird zum PoS ^
Egal, ob ein Kunde Web- oder Showrooming betreibt, er sucht längst nicht mehr ausschließlich nach dem besten Preis. 82% der Käufer, so Scholz, nutzen ihr Smartphone als Assistent am PoS. Und da geht es eben auch um die bereits erwähnte Verifikation des Kaufs. So sieht es dieser Tage auch Otto-Boss Hans-Otto-Schrader im Händler-Fragebogen von Location Insider: „Dem Smartphone kommt eine Schlüsselfunktion zu, nach der man als Händler alle seine Aktivitäten auf der Fläche ausrichtet.“
Mehr darüber gibt es auch in einer Studie im Auftrag des digitalen Marktplatzes „RetailMeNot“. Der Prognose nach entfällt schon ein Drittel der Umsätze im Online-Handel auf mobile Endgeräte. Aus Sicht der Autoren erweist sich das Smartphone damit zunehmend als wichtiger werdender Absatzkanal. Vor allem aber beeinflussen die mobilen Endgeräte die Kaufentscheidungen der Kunden immer stärker.
Originalität und Persönlichkeit ^
Dabei darf man nicht vergessen: Auch die Rahmenbedingungen in den Städten müssen stimmen, damit Handel reüssiert. „Wir dürfen vor dem Sofa-Shopping nicht kapitulieren“ appellierte NRW-Bauminister Groschek an die Teilnehmer. Er rief in Erinnerung, dass „Innenstädte zwei wesentliche Merkmale benötigen, um zu funktionieren: Originalität und Persönlichkeit“. In ihrer alten Struktur seinen die Städte nicht mehr überlebensfähig.
Boris Hedde, Geschäftsführer des Kölner IFH Instituts für Handelsforschung, stellte in diesem Zusammenhang die Studie „Stadt, Land, Handel 2020“ vor, die nicht nur Überraschendes (Innenstädte sind bei Alt und Jung gleichermaßen beliebt), sondern auch Belastendes (oftmals schlechte Noten für den Erlebnischarakter und das Freizeitangebot der Innenstädte) auflistet. Seine Schlussfolgerung: „Aktiv macht attraktiv bei Standortmerkmalen.“ Und: „Die Zukunft des Handels liegt bei Cross-Channel-Konzepten.“
HDE voller Optimismus ^
Das zeigt auch die vergangene Woche in Düsseldorf vorgestellte Konjunkturumfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Demnach sind die Händler in ihren Erwartungen für das Jahr 2016 weiterhin optimistisch. Doch während im Online-Bereich die Zeichen auf Wachstum stehen, haben in den Innenstädten viele Unternehmen mit Rückgängen bei der Kundenfrequenz zu kämpfen.
„Das wirtschaftliche Umfeld für den Handel ist nach wie vor günstig“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die guten Rahmenbedingungen hätten in der Branche in den ersten beiden Monaten 2016 für ein nominales Umsatzplus von 2,8 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesorgt. Vor diesem Hintergrund sieht der HDE die Branche auf gutem Weg, die Umsatzprognose von plus zwei Prozent für das Jahr 2016 zu erreichen.
Wachstumstreiber Online-Handel ^
Wachstumstreiber bleibt dabei der Online-Handel, dessen Umsätze nach HDE-Einschätzung in diesem Jahr um elf Prozent zulegen werden. Auch belegt die HDE-Umfrage die positive Entwicklung im E-Commerce: So erwarten knapp 70 % der Multichannel-Händler steigende Umsätze für ihre Online-Shops und Marktplatz-Aktivitäten.
Dennoch berichten Händler, dass sie zunehmend mit sinkenden Kundenfrequenzen zu kämpfen haben. In den Innenstädten sprechen über 70 % der Geschäfte von rückläufigen Besucherzahlen. Über alle Lagen hinweg liegt dieser Wert bei 58 %.