Denn wenn die MediaMarktSaturn Retail Group an ihrer Positionierung am Markt feilt, dann ist das immer auch ein Zeichen für die ganze Branche. Aus den vielen Splittern der vergangenen Wochen (u.a. TCG Retail Summit in Berlin, diverse Interviews in der Wirtschaftspresse, Vorlage des aktuellen Quartalsberichtes) ergibt sich ein belastbarer Rahmen, der einen Kurs erkennen lässt: die Läden werden kleiner, das fest gelegte (und auch etwas langweilige) Einheitsformat wird der Vergangenheit angehören. Wichtiger noch: Media-Saturn rückt noch näher an den Kunden heran, baut das Servicegeschäft signifikant aus. Das kann dann soweit gehen, dass die Ceconomy-Technikberater künftig den Kunden, der zum VIP-Kunden wird, zu Hause besuchen und beraten.
Ein alter Hut? ^
Das ist doch ein alter Hut, das machen wir schon immer so, werden sich die Verbundgruppen und Kooperationen denken, bei denen der Service schon lange den Unterschied macht. Stimmt. Wenn aber das Dickschiff der Branche realisiert, dass es heute nicht mehr reicht, ein riesiges Angebot an Ware zu Tiefstpreisen vorzuhalten, „dass aus einem klassischen Konsumenten ein VIP-Kunde wird“ (Klaus-Peter Voigt, CPO der MSH anlässlich des TCG Retail Summit in Berlin), dann hat das Folgen für den Wettbewerb in der Branche.
Bestes Beispiel ist da der Online-Handel, den die MSH zunächst gnadenlos verpennt hatte. Heute ist die MSH in Sachen Online- und Multichannel-Handel Benchmark und technische Avantgarde: Der online generierte Umsatz der Vertriebsmarken MediaMarkt und Saturn über alle Länder hinweg stieg um mehr als 40 % auf einen Anteil von mittlerweile fast 12 % des Gesamtumsatzes. Das sind über 2 Milliarden Euro Umsatz. Ein Pfeiler der ungebrochenen starken Umsatzdynamik des Online-Geschäftes ist dabei die Abhol-Option in den Märkten. Das ist Mulichannel im besten Sinne.
Und es lohnt sich ja auch – wieder – für den Konsumenten, die MSH-Filialen im stationären Handel mit ihrer konsequenten Ausrichtung auf „Services & Solutions“ aufzusuchen. Die so genannten Service-„Smartbars“ sind bereits in 510 Märkten umgesetzt. „Wer nicht den richtigen Support leisten kann, der werde über kurz oder lang nicht mehr existieren“, unterstrich Voigt in Berlin die Bedeutung des Themas Service und Beratung. Und: „Jeder Kunde soll mit seinem neu erworbenen Gerät stressfrei und ohne Ängste umgehen können.“
Eben so, wie es in den beiden „Saturn Connect“-Stores in Köln und Trier beispielhaft und Richtung weisend vorgelebt wird. Auf der Schildergasse in Köln beginnt das bereits am POS, wo der Kunde von „Digital Natives“ kompetent an die Hand genommen wird. „Unsere Mitarbeiter verstehen sich als Partner und Coaches unserer Kunden“, so Carina Brederlow, Geschäftsführerin von Saturn Connect und Saturn Techno-Markt in Köln. Und: „Unser Anspruch ist es, unsere Kunden als Digital Companion und Navigator durch die immer komplexere Welt der Technik zu begleiten.“ Ein gutes Dreivierteljahr später nutzt Voigt in Berlin fast die gleichen Worte: „Wir müssen Partner und Navigator in unserem Business sein.“
Den Kunden verstehen, Relevanz haben ^
Hat zur Konsequenz, dass der Verkäufer am POS auch ein echter Experte seines Faches sein muss, idealerweise immer einen Tick mehr weiß, als es das Kundenwissen aus dem Internet hergibt und dabei trotzdem auf Augenhöhe bleibend. Der Kunde von heute erwartet von seinem Händler nichts weniger, als dass er seine Wünsche und Vorlieben kennt und ihm ein darauf zugeschnittenes Angebot – und ein entsprechendes Einkaufserlebnis! – unterbreitet, dass für ihn Relevanz hat.
Die Erfolgsformel, die für die gesamte Branche gilt (und für die freilich die MSH nicht das alleinige Copywrite hat): Seine Kunden verstehen, seine Kunden binden, für seine Kunden Relevanz haben, sie individuell abholen und die Digitalisierung intelligent nutzen. Oder wie es Walgenbach-Geschäftsführer Elmar Fedderke auf seinen Vorträgen postuliert: „„Emotionalität, Problemlösung und Wunscherfüllung schaffen Kundenbindung.“
Tech-Nick kommt zum Hausbesuch ^
Dazu gehört für die MediaMarktSaturn Retail Group künftig auch, Technik-Berater (mit der mehrheitlichen Übernahme der „Deutschen Technikberatung“ ist man da jetzt exzellent aufgestellt) zu den Kunden nach Hause zu schicken. Tech-Nick kommt zum Hausbesuch! Im Interview mit der „Wirtschaftswoche“ kündigt MSH-Chef Pieter Haas zudem netto zehn bis 20 neue Standorte pro Jahr an. Dabei setze das Unternehmen, anders als früher, „nicht mehr auf ein festgelegtes Einheitsformat“. Vielmehr solle mit „kleineren Flächen, die eine überschaubare Anzahl an Produkten bieten“, experimentiert werden. Haas in der Wirtschaftswoche: „Das zeigt, dass das stationäre Geschäft für uns sogar noch an Bedeutung gewinnen kann.“
Ein Blick in den aktuellen Geschäftsbericht zeigt, wohin die Reise der „gezielten Expansion“ geht. Die neun Store-Eröffnungen im 2. Quartal haben eine durchschnittliche Größe von unter 1.500 Quadratmetern, vor allem in „kleineren Nahversorger- und Shop-in-Shop-Formaten.“ Spätestens jetzt müssten bei allen experten, EP-lern und Euronicern die Alarmglocken schrillen.
Das ist mit Blick auf die aktuelle MSH-Bilanz neu: Mit der Beschlussfassung der Hauptversammlung der Metro AG am 6. Februar über die Spaltung in zwei unabhängige börsennotierte Gesellschaften wird die fortgeführte Aktivität der Metro Group als der Consumer Electronics Bereich, bestehend im Wesentlichen aus der Vertriebslinie Media-Saturn inklusive der für den fortgeführten Bereich relevanten Holdingfunktionen, ausgewiesen. Zu den nicht fortgeführten Aktivitäten der Metro Group zählen vor allem die Vertriebslinien Metro Cash & Carry und Real.
Der Umsatz von Media-Saturn stieg im 1. Geschäftshalbjahr (Stichtag 31.3.) flächenbereinigt um 0,1% bzw. um 0,3% ohne redcoon. Der Online generierte Umsatz von Media Markt und Saturn verzeichnete einen deutlichen Zuwachs von über 40%. Das EBIT von Media-Saturn sowie der zum fortgeführten Bereich gehörigen Holdingfunktionen betrug 280 Mio. EUR (H1 2015/16: 322 Mio. EUR); das EBIT vor Sonderfaktoren von Media-Saturn sowie der zum fortgeführten Bereich gehörigen Holdingfunktionen erreichte 289 Mio. EUR (H1 2015/16: 342 Mio. EUR).
19 Millionen Verlust ^
Im 2. Quartal stieg der flächenbereinigter Umsatz von Media-Saturn um 0,3% bzw. um 0,5% ohne redcoon. Der deutsche Markt legte flächenbereinigt deutlich um 3,4% zu. Das EBIT von Media-Saturn sowie der zum fortgeführten Bereich gehörigen Holdingfunktionen betrug -34 Mio. EUR (Q2 2015/16: 25 Mio. EUR). Das EBIT vor Sonderfaktoren von Media-Saturn fuhr einen Verlust von satten 19 Mio. EUR (Q2 2015/16: 38 Mio. EUR) ein. Mögliche Gründe dafür sind Rabattaktionen, mit denen Marktanteile hinzugewonnen werden sollten sowie fokussierte Ausgaben für IT und CRM und sicher auch die Kosten der Aufspaltung.
Festzuhalten bleibt: In der Branche vollzieht sich ein Wandel, der anderswo längst Realität ist. Auch in der Mode- und insbesondere der Buchbranche ist schiere Größe kein Wert an sich mehr. Viele sind dem Strukturwandel zum Opfer gefallen. Die, die überlebt haben, fallen mit Eigenschaften auf, die auch in der MSH Strategie eine bedeutende Rolle spielen: Man muss seinen Kunden kennen (wirklich kennen!), um zu seinem Partner zu werden und ihm Angebote zu offerieren, die Relevanz für ihn haben, in der Modebranche beispielsweise mit dem „Curated Shopping“. Und man muss sich spezialieren, um zum wirklichen relevanten Experten (erfolgreiche Buchhändler spezialisieren sich beispielsweise mit einem auf die Region zugeschnittenen Angebot) für seine Kunden zu werden. Peter Haas Fazit in der Wirtschaftswoche: „Filialen werden wieder als Wert gesehen.“