Markt & Branche

Krise bei Miele: Massiver Stellenabbau – Sorgenkind Wäschepflege

Miele hat drei bärenstrake Geschäftsjahre hinter sich, 2022 stieg der Umsatz gar um 12,2% auf 5,43 Mrd. EUR – so viel wie nie zuvor. Vorbei! Erste Anzeichen einer Krise gab es bereits fast auf den Tag genau im vergangenen Jahr. „Wegen deutlich rückläufiger Aufträge und der dadurch drohenden Überlastung der Lagerlogistik“ wurde im Gütersloher Gerätewerk im Februar 2023 eine Unterbrechung der Produktion inklusive Kurzarbeit „unvermeidbar“. Kurz darauf traf es auch das Werk in Bielefeld mit der Staubsauger-Produktion. Doch das waren nur die Vorboten des am Montag dieser Woche durchgesickerten und Dienstagabend offiziell gemachten personellen Kahlschlag beim Premium-Hersteller – und das ausgerechnet im 125. Jubiläumsjahr.


Im Jahr des 125-jährigen Bestehens ist bei Miele erklärtes Ziel, die Zeichen wieder auf Wachstum zu stellen.

Indes: Wundern muss man sich darüber nicht. Der Wohnungsbau – und damit das lukrative Geschäft mit Einbaugeräten – liegt nicht nur durch prominente Pleiten, sondern nahezu flächendeckend am Boden, die Konsumneigung ist im Keller. Zudem ist die Corona-Sonderkonjunktur längst Geschichte. Da trifft es nicht nur Miele, sondern auch Electrolux mit der Top-Marke AEG oder die BSH. Das Bulletin: Einbruch der Nachfrage bei gleichzeitig drastischen Preissteigerungen!

Um langfristig gegenzusteuern, wurde bei Miele ein umfassendes Programm zur weiteren Verbesserung der Strukturen, Prozesse und Kostenpositionen gestartet. Wie die Geschäftsleitung am Dienstagmittag der Belegschaft gegenüber angekündigt hat, soll bis 2026 ein zusätzlicher finanzieller Handlungsspielraum von ca. 500 Mio. Euro gewonnen werden.

Die Geschäftsleitung der Miele Gruppe anlässlich der Vorlage des Geschäftsberichtes für 2022 (v.l.): Dr. Markus Miele (Geschäftsführender Gesellschafter), Dr. Stefan Breit (Technology), Dr. Axel Kniehl (Marketing & Sales), Rebecca Steinhage (Human Resources & Corporate Affairs), Dr. Reinhard Zinkann (Geschäftsführender Gesellschafter), Olaf Bartsch (Finance & Administration).

Bis zu 2.700 Stellen betroffen

Dieser soll zu mehr als zwei Dritteln durch Verbesserungen auf der Umsatzseite oder durch Reduktion der Material- und Sachkosten realisiert werden. Jedoch sei auch eine substanzielle Senkung der Personalkosten unausweichlich. Hierdurch könnten weltweit bis zu 2.700 Stellen entfallen oder von Verlagerung betroffen sein. Die Umsetzung soll so sozialverträglich wie möglich erfolgen.

Indes: Von der Gewerkschaft IG Metall kommt scharfe Kritik daran, dass Personal abgebaut werde, anstatt in Qualität und Produktinnovation zu investieren, in den Medien wird von einer “Billiger-statt-besser-Strategie” gesprochen. Die FAZ zitiert in ihrer heutigen (7. Februar 2024) Ausgabe den Betriebsratschef des Werkes Gütersloh, Bernd Schreiber, wie folgt: “Der Umfang des Stellenabbaus im Gerätewerk wäre ein Desaster für die Menschen, die Miele groß gemacht haben.” Eine geräuschlöse Abwicklung wäre der Situation daher nicht angemessen.

Nach drei wachstumsstarken Jahren in Folge verzeichnet Miele als für das Jahr 2023 ein weltweit rückläufiges Geschäft. Neben dem Ende der coronabedingten Sonderkonjunktur haben sich vor allem die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs ausgewirkt. Und anders als bei früheren Abkühlungen der Märkte macht sich dies besonders im Premium-Segment bemerkbar. In diesem Umfeld ist der vorläufige Umsatz der Miele Gruppe um etwa 9% zurückgegangen; bei den verkauften Stückzahlen beträgt der Rückstand zum Vorjahr etwa das Doppelte. Mehr noch: Anzeichen für eine baldige Erholung der Märkte sind nicht in Sicht.

Mehr als eine vorübergehende Konjunkturdelle

„Was wir derzeit erleben, ist keine vorübergehende Konjunkturdelle, sondern eine nachhaltige Veränderung der für uns relevanten Rahmenbedingungen, auf die wir uns einstellen müssen“, so die Geschäftsleitung der Miele Gruppe in einer internen Information an die Adresse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb werde man schnell und entschlossen handeln, um aus dieser herausfordernden Situation gestärkt hervorzugehen.

Den Rahmen dafür liefert eine konzernweite Kosten- und Effizienzinitiative mit der Bezeichnung „Miele Performance Program“, gerichtet auf die Strukturen, Prozesse und Kostenpositionen in allen Bereichen. Bei den Personalkosten müssen deutliche Einsparungen erreicht werden, nachdem in den wachstumsstarken Jahren seit 2019 in erheblichem Umfang Kompetenzen und Kapazitäten zusätzlich aufgebaut wurden.

Der veränderten Marktlage folgend, seien nun jedoch Anpassungen unausweichlich. Davon sind nach derzeitiger Planung weltweit bis zu 2.000 Stellen potenziell betroffen, und dies vorwiegend in den sogenannten indirekten Bereichen, also nicht an den Produktionsmaschinen und Montagelinien.

Gütersloher Sorgenkind: Das Geschäft in der „Waschküche“ galt zuletzt als defizitär.

Sorgenkind Wäschepflege

Zudem sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um die Wäschepflege bei Miele, die sich in einem scharfen und stark preisgetriebenen Wettbewerb befindet, wieder auf eine wirtschaftlich tragfähige Basis zu stellen. Hierfür arbeitet die Business Unit Laundry an einer noch kundenorientierteren Produktstrategie, einer schlagkräftigeren Vermarktung und der Reduzierung von Komplexität.

Darüber hinaus sei es nach dem derzeitigen Stand der Planungen aus Kostengründen indes unvermeidbar, weitere Teile der Gütersloher Waschmaschinen-Produktion sowie produktionsnaher Bereiche in das Miele-Werk im polnischen Ksawerów zu verlagern. Vorbehaltlich der Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen ist nunmehr geplant, dass in Stufen bis 2027 fast alle Waschmaschinen für den Haushalt in Ksawerów montiert werden. Insgesamt würden im Werk Gütersloh dadurch etwa 700 Stellen schrittweise entfallen.

Gütersloh trifft es besonders

Die übrigen Teile der dortigen Geräteproduktion wie Presswerk, Gießerei oder Bearbeitung der gegossenen Teile wären davon nicht erfasst, sondern verblieben bis auf Weiteres in Gütersloh. Dies gilt auch für die Montage der Waschtrockner und der Kleingewerbemaschinen.

Rechnet man die beschriebenen Maßnahmen zusammen, wären demnach potenziell 2.700 von derzeit etwa 23.000 Stellen betroffen. „Das sind schwerwiegende Schritte, und uns ist sehr bewusst, dass dies viele Kolleginnen und Kollegen hart treffen wird“, so die Geschäftsleitung. Doch nur so werde es gelingen, Miele in eine erfolgreiche Zukunft zu führen – als starkes und unabhängiges Familienunternehmen mit konsequenter Premium-Ausrichtung sowie der notwendigen Ertragskraft in allen Bereichen.

Welche Bereiche in welchem Umfang von personellen Einschnitten betroffen sein können, steht noch nicht fest, da die Details hierzu in den kommenden Monaten weiter auszuarbeiten und mit den Sozialpartnern zu verhandeln sind. Der potenzielle Stellenabbau in der genannten Höhe bedeute aber nicht, dass auch nur annähernd so viele Kündigungen zu erwarten sind. Auch darauf wies die Geschäftsleitung hin: „Miele wäre nicht Miele, wenn der jetzt bevorstehende Umbau nicht so sozialverträglich wie möglich und in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretungen gestaltet würde.“

Zeichen wieder auf Wachstum stellen

Im Jahr des 125-jährigen Bestehens ist ein weiteres erklärtes Ziel, die Zeichen wieder auf Wachstum zu stellen. Hierfür kann Miele auf seine starke Marke bauen, „auf einen in der Branche einzigartigen Premium- und Qualitätsanspruch und begeisternde Produkte.“ „Außerdem sind wir ein Familienunternehmen, das nicht in Quartalen denkt, sondern in Generationen“, bekräftigt die Geschäftsleitung in ihrem Ausblick auf die kommenden Jahre. Demgemäß investiere Miele konsequent weiter in seine strategisch wichtigen Projekte. Aktuelle Beispiele sind etwa die Entwicklung der neuen Produktgenerationen, der Bau eines zusätzlichen Werkes in den USA und die vollständige Übernahme des Grillspezialisten Otto Wilde.

Ganz unvorbereitet traf der personelle Kahlschlag die Belegschaft nicht: Zum Jahreswechsel hatte die Konzernspitze mit Markus Miele und Reinhard Zinkann im Intranet eine Videobotschaft an die Beschäftigten veröffentlicht, wonach 2024 ein Jahr mit „schweren Entscheidungen und tiefgreifenden Veränderungen“ werde.

Es sei eine „Herausforderung, aber keine existenzbedrohende Situation“ für das Unternehmen, so Miele-Pressesprecher Carsten Prudent auf Nachfrage der „WirtschaftsWoche“. Und: Eine Schließung ganzer Standorte stehe laut Prudent nicht an. Zum 31. Dezember 2022 waren an 15 Standorten weltweit 23.322 Menschen bei der Miele Gruppe beschäftigt, das waren 1.401 Mitarbeitende oder 6,4% mehr als ein Jahr zuvor. In Deutschland waren es vor gut einem Jahr 11.926 und damit 529 mehr als Ende 2021.

Freilich trifft es nicht nur Miele allein. Bereits im Frühjahr 2023 verkündete Electrolux (AEG) den Abbau von 3.800 Vollzeitstellen zu denen zum Jahresende 2023 weitere 3.000 Vollzeitstellen mit Blick auf eine vereinfachte Organisationsstruktur hinzukamen. Und auch bei der BSH und ihrer Konzernmutter Robert Bosch mit der kriselnden Automotive-Sparte rumort es. Den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge sollen beim Unternehmen „Anpassungen von Personalstrukturen und Personalkosten“ vorgenommen werden. Die weltwirtschaftlichen Herausforderungen haben die BSH bereits im vergangenen Jahr zur Senkung von Personalkosten gezwungen. So wurde am Standort im schwäbischen Giengen an der Brenz zeitweise Kurzarbeit eingeführt.

Matthias M. Machan

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