Manchmal sagen Blicke und Bilder mehr als 1.000 Worte: Erstmals während der Corona-Krise trat Bundeskanzlerin Merkel nach den Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder in einem knallroten Blazer (und nicht wie bislang in dunkelblau oder grau) vor die Bundespressekonferenz, und erstmals signalisierte ihr Minenspiel – wie auch das des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder – eine leichte Entspannung.
Erste Phase überstanden
Die Botschaft nach den mit Vehemenz geführten föderalen Lockerungsdiskussionen der vergangenen 48 Stunden: Kanzlerin Merkel hat in Übereinstimmung mit den Ministerpräsidenten weitreichende Lockerungen in der Corona-Krise verkündet. Die erste Phase der Pandemie sei überstanden. Die Kontaktbeschränkungen werden zwar bis 5. Juni verlängert – allerdings können sich nun auch Personen aus zwei Haushalten im öffentlichen Raum gemeinsam aufhalten.
Merkel zur Presse: „Wir sind einem Punkt, an dem wir sagen können, dass wir das Ziel erreicht haben, die Verbreitung zu verlangsamen und das Gesundheitssystem vor Überforderung zu schützen.” Söder sprach in seinen Ausführungen von einem „leichten Aufatmen“.
Handel: Ladenfläche künftig unerheblich
Geeinigt haben sich Merkel und die Ministerpräsidenten auf eine Öffnung aller Geschäfte in Deutschland – und das unabhängig von ihrer Ladenfläche. Es solle nun Vorgaben geben, wie viele Kunden und Verkäufer sich im Laden aufhalten dürfen. Die Auflagen sollen sich nach der Verkaufsfläche richten, um die Ansteckungsgefahr zu verringern.
Im Beschlussentwurf der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder steht unter Punkt 9 zum Einzelhandel: „Alle Geschäfte können unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen wieder öffnen. Dabei ist wichtig, dass eine maximale Personenzahl (Kunden und Personal) bezogen auf die Verkaufsfläche vorgegeben wird, die einerseits der Reduzierung der Ansteckungsgefahr in den Geschäften durch Sicherstellung von Abständen dient, aber auch darauf abzielt, den Publikumsverkehr im öffentlichen Raum und im ÖPNV insgesamt zu begrenzen.“
Wichtig ist jedoch auch der Passus, der ein Beschränkungskonzept im Falle einer Zunahme der Erkrankungen vorsieht: „Gerade, wenn weitreichende Öffnungen erfolgt sind, steigt die Gefahr einer dynamischen Entwicklung. Diese ist bereits zu Beginn der Pandemie häufig von lokalen Ereignissen befördert und dann weiterverbreitet worden. Deshalb bauen Bund und Länder weiter schnell abrufbare Unterstützungsmaßnahmen für besonders betroffene Gebiete auf und stimmen sich dabei zwischen den Krisenstäben von Bund und Ländern weiter eng ab.
Ab einer gewissen Relevanz muss auf eine regionale Dynamik mit hohen Neuinfektionszahlen und schnellem Anstieg der Infektionsrate sofort vor Ort mit Beschränkungen reagiert werden. Deshalb werden die Länder sicherstellen, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage sofort ein konsequentes Beschränkungskonzept unter Einbeziehung der zuständigen Landesbehörden umgesetzt wird.
Bei einem lokalisierten und klar eingrenzbaren Infektionsgeschehen, zum Beispiel in einer Einrichtung, kann dieses Beschränkungskonzept nur diese Einrichtung umfassen. Bei einem verteilten regionalen Ausbruchsgeschehen und unklaren Infektionsketten müssen allgemeine Beschränkungen, wie sie vor dem 20. April in Deutschland gegolten haben, regional wieder konsequent eingeführt werden. Diese Maßnahmen müssen aufrechterhalten werden, bis dieser Wert mindestens 7 Tage unterschritten wird.“
Söders „Notbremse“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bewertet diesen Passus der Vereinbarung als wichtigsten Teil der Beschlüsse: „Diese Notbremse, das ist sozusagen die Notfall-Police”, sagte Söder. Mit regionalen Pandemieplänen könnten dann eine Ausbreitung „und ein neuer Lockdown fürs ganze Land” verhindert werden.
Bundeskanzlerin Merkel betonte, dass bei allen Schritten zur Öffnung die Abstands- und Hygieneregel weiter Bestand haben – also der Mindestabstand von 1,5 Metern sowie das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens wie des Handels.