Kunden-Frequenz und potentielle Käufer finden sich in den großen Städten vor allem dort, wo sich die großen, oftmals internationalen, Filialisten ansiedeln. Potente Anker-Mieter nehmen kein Geschäft weg, locken vielmehr die Menschen überhaupt erst in die Innenstadt. Das Dienstleistungs- und Investment-Management Unternehmen JLL hat in seinem Report „Expansionsziel Deutschland“ jetzt die Präsenz international expandierender Handelsfilialisten in Deutschland unter die Lupe genommen. Der für die (nach Umsatz) Top-25-Städte in Deutschland ermittelte Attraktivitätsindex richtet sich nach der Anzahl der jeweils vertretenen Filialisten. Wenig überraschend weisen die drei einwohnerstärksten Städte Berlin, Hamburg und München die höchsten Werte auf.
Die 160 analysierten Filialisten verfügen in den 1a-Lagen der 25 deutschen Städte mit den höchsten Einzelhandelsmieten über knapp 1.800 Standorte. Neun Handelsunternehmen weisen hier eine hundertprozentige Marktabdeckung in den 25 Städten auf. Die meisten aus dem Ausland stammenden Konzepte finden sich in Berlin und München. Rund 40 % der Filialisten sind der Kategorie „Konsum“ zuzuordnen. Jeweils weitere 30 % gehören den Kategorien „Luxus“ und „Premium“ an. Der auf dieser Grundlage von JLL ermittelte Attraktivitätsindex für die untersuchten 25 Städte richtet sich nach der Anzahl der jeweils vertretenen Filialisten.
[incor name=”filialen-01″]Wenig überraschend weisen die drei einwohnerstärksten Städte Berlin, Hamburg und München die höchsten Werte auf. Düsseldorf und Frankfurt folgen gleichauf vor Köln. Werte oberhalb des Durchschnitts erzielen zudem Stuttgart und Hannover. Besonders interessant ist in dieser Untersuchung aber der Blick auf die Städte aus der zweiten Reihe, die von Nürnberg und Dortmund angeführt werden. Dresden, Leipzig und Wiesbaden komplettieren in dieser Hinsicht die Top 5. Nach der Anzahl der Standorte dominieren hier die Marken aus dem Konsumbereich mit einem Anteil von über 70 % gegenüber Premium- und Luxusanbietern.
Bei den Luxusanbietern (Vuitton, Gucci & Co.) ist München der attraktivste deutsche Standort. 36 der rund 40 untersuchten Luxuslabels sind in der Landeshauptstadt mit Boutiquen vertreten. Düsseldorf folgt mit 27 Anbietern vor Berlin, Frankfurt und Hamburg mit jeweils 26. Jedes fünfte Konzept kommt aus Italien.
[incor name=”filialen-02″]Dirk Wichner, Head of Retail Leasing Germany bei JLL, zieht folgendes Fazit: „Innerhalb der 25 untersuchten Städte liegt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft pro Einwohner im Mittel bei 6.400 Euro. Sie schwankt dabei zwischen knapp 5.900 Euro in Dresden und 7.500 Euro in München. Gleichzeitig bewegen sich die Spitzenmieten der untersuchten Städte in einer Bandbreite zwischen 110 und 360 Euro je Quadratmeter.“
Was uns auffält: Für Marken aus dem Konsumbereich gibt es attraktive Alternativen in den Städten aus der zweiten Reihe. Gute Beispiele sind etwa Ulm, Leipzig, und Bremen, wo bis 2018 ein überproportionaler Anstieg der Einzelhandelsumsätze prognostiziert wird. Die Städte aus der zweiten Reihe verdienen definitiv einen zweiten Blick. In NRW sind das neben Aachen und Dortmund vor allem Münster, Bonn und Bielefeld.
[incor name=”filialen-03″]Auch international bleibt der Handel in Deutschland eine attraktive Spielwiese, selbst wenn sich einzelne – Wal-Mart ist ein prominentes Beispiel – eine blutige Nase geholt haben, weil sie den deutschen Markt und die Bedürfnisse der Kunden nicht richtig einzuschätzen vermochten. Jetzt hat die kanadische Kaufhauskette Hudson’s Bay im Rahmen einer angedachten Expansion die Metro-Tochter Kaufhof ins Visier genommen. Im Rennen um die Kaufhof-Kette gilt Hudson’s Bay damit als größter Gegenspieler des ebenfalls interessierten Karstadt-Eigners Rene Benko.
Bislang sind die Kanadier nur in ihrem Heimatmarkt und in den USA aktiv. Insidern zufolge soll es aber eine erste, unverbindliche Offerte für die mit fast 140 Filialen größte deutsche Warenhauskette geben. Pikant ist dabei die gestern publik gemachte Tatsache, dass Hudson’s Bay aufgrund höherer Verwaltungsausgaben im 1. Quartal 2015 in die roten Zahlen gerutscht ist. Nach einem Gewinn von 127 Millionen EUR im vergangenen Jahr, summierte sich bis Anfang Mai im laufenden ersten Geschäftsquartal nach übereinstimmenden Medienberichten ein Verlust von rund 39 Millionen Euro.
[incor name=”filialen-04″]Handelsexperte Professor Dr. Dr. Thomas Roeb M.A. vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg geht mit den Kanadiern hart ins Gericht. “Hudson’s Bay hat allem Anschein nach wenig Verständnis für den deutschen Markt. Mehr noch: offenbar setzt man gezielt auf Maßnahmen, die so allesamt schon mehrmals in Deutschland erfolglos probiert wurden.“ Der Investor wolle der Warenhauskette wieder mehr Leben einhauchen, sie aufregender und damit deutlich größer und ertragreicher machen, heißt es in der Wirtschaftspresse. Dazu Roeb: “Leben einhauchen, aufregender machen? Offenbar hält man die deutsche Einzelhandelswelt für rückständig oder gar unfähig. Bei den hiesigen Anbietern etwa Peek & Cloppenburg, Breuninger und KaDeWe Group ist sehr viel Leben und sehr viel Aufregung. Diese Äußerungen sind eher nette aber bedeutungslose Worthülsen und zeugen von wenig Kenntnis des Marktes.“ Treffer – versenkt!
[incor name=”filialen-05”]Doch Roeb kommt richtig in Fahrt und Rage: „Zudem gehen sie an der Kernzielgruppe der Kaufhauskunden völlig vorbei. Warenhäuser sprechen in Deutschland Kunden älter als 45 Jahre an. Die überwiegende Zahl der Häuser sind Galeria- und City-Häuser, die eher lokale Kunden mit einem Bedarfsdeckungs-, Versorgungs- und Convenience-Bedürfnis ansprechen. Hier spielt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis eine größere Rolle als ein gutes Ladendesign.“ Zudem sei der deutsche Warenhausmarkt stark umkämpft: Deutschland habe weltweit eine der
höchsten Einzelhandelsflächen pro Einwohner. Andererseits schrumpfe aber die deutsche Bevölkerung, wovon insbesondere Klein- und Mittelstädte sind betroffen. Roeb: „Hier eine Phantasie von neuen Warenhäusern zu entwickeln ist wenig plausibel!“
[incor name=”filialen-06″]In den Vorstellungen von Hudson’s Bay sollen die Kunden von einem klaren Ladenaufbau angezogen, die Ware stärker inszeniert und die Fläche nicht mit Produkten zugestellt werden. Roeb dazu: “Wer macht das denn? Werden bei Kaufhof die Flächen mit Produkten zugestellt? Wird Ware nicht genug inszeniert? Und vor allem: Wer glaubt denn allen Ernstes, dass die möglichen Probleme bei Kaufhof im Bereich fehlender Inszenierung liegen?! Hudson’s Bay scheint offensichtlich nicht zu erkennen, worauf es im deutschen Einzelhandel ankommt: aktuelle, aber nicht exzentrische Mode zu wettbewerbsfähigen, vielleicht sogar günstigen Preisen.
Für Loeb gibt es einen weiteren Aufreger: Man habe sich bei Hudson’s Bay auch bisher schon auf die Unterschiede zwischen den Anforderungen des Geschäftes in den USA und Kanada eingestellt. Roeb: “Welche Unterschiede zwischen USA und Kanada? Zwischen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gibt es mehr Unterschiede als zwischen Kanada und USA. Das ist genau die falsche Einstellung. An dem “Wir wissen schon wie es geht” ist Wal-Mart gescheitert. Daran sind Jennings und Berggruen gescheitert. Kaufhof wäre nicht nur die erste Aktivität außerhalb Nordamerikas, es wäre auch die erste Aktivität innerhalb Deutschlands. Deutschland ist innerhalb Europas zwar der größte, aber auch der kompetitivste und schwierigste Markt. Ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert wenn Hudson’s Bay mit solchen Konzepten wie den oben propagierten beim Kaufhof zum Zug kommt.“ Benko oder Hudson’s Bay? Der öffentlichen wie veröffentlichten Meinung friert es bei beiden. Gut, dass der Kaufhof (noch) unter dem Dach der Metro agiert.
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