Ein November der verordneten Entschleunigung? Nicht für die Branche der Hausgeräte und Unterhaltungselektronik. Spätestens mit dem „Black Friday“ in drei Wochen beginnt die heiße Phase des Weihnachtsgeschäftes. Was sind die aktuell größten Herausforderungen für den Handel? Matthias M. Machan sprach mit Jörg Jenner, Geschäftsführer von Euronics XXL Funk mit zwei Märkten in Merzig und Konz, über Warenknappheit, die Eigenheiten des Föderalismus und „Local Shopping“.
In drei Wochen ist fast schon wieder Weihnachten – zumindest für den Handel: Was erwarten Sie sich vom Black Friday und den Tagen Drumherum?
Vom Black Friday und den Wochen davor erwarten wir eine erhöhte Nachfrage, sowohl online als auch stationär. Wie in den vergangenen Jahren zeichnet sich ab, dass in diesem Zeitraum das für unsere Branche stattfindende Weihnachtsgeschäft zum Großteil vorgezogen wird. Die sorgfältige Vorbereitung attraktiver Angebote für unsere Kunden sowohl stationär als auch online spielt hierbei eine große Rolle.
Es ist ja eine recht eigenwillige Stimmung: Einerseits brummen Hausgeräte wie selten zuvor. Andererseits hat die Branche immer noch Lieferprobleme, gilt seit Montag für viele Bereiche erneut ein Lockdown. Wie geht man damit um?
Wir arbeiten mit verschiedenen Szenarien und sind auch jetzt noch sowohl auf einen teilweisen wie auch auf einen vollständigen Lockdown eingerichtet. Für den Fall eines wiederholten Lockdowns gilt es, alle Kapazitäten im Online-Kanal zu bündeln und zu forcieren. Der letzte Lockdown hat uns gezeigt, dass wir einerseits mit telefonischer Beratung und andererseits mit unserer Click-&-Collect-Strategie erfolgreich punkten können. Zusätzlich hat unser kostenloser Bring- und Lieferdienst im Umkreis von 30km um unsere Märkte diese Strategie ergänzt. Wir sind vorbereitet, falls die Maßnahmen noch einmal verschärft werden sollten …
Was macht diese Stimmung mit Ihnen persönlich, wie gehen Sie damit um?
Mich hat die Pandemie wie uns alle gänzlich unerwartet getroffen. Noch Anfang Februar war für mich ein Lockdown ein unwahrscheinliches Szenario. Der Zusammenhalt, das Vertrauen unserer Mitarbeiter in den von uns vorgegebenen Weg und die optimale Umsetzung aller Maßnahmen, das Miteinander der verschiedenen Abteilungen im Haus hätte im Frühjahr nicht besser laufen können.
Viele Kunden haben uns mitgeteilt, dass sie froh sind, unkompliziert und schnell wie gewohnt von uns regional bedient zu werden. Wir haben alle Ängste unserer Mitarbeiter sehr ernst genommen, viele Gespräche geführt und alles in unsere Macht Stehende unternommen, Ihre Gesundheit und ihre Arbeitsplätze zu schützen. Durch regelmäßige Gespräche sensibilisieren wir seitdem unsere Mitarbeiter im Bereich der Gesundheitsvorsorge – Stichwort Hygienekonzept – fortlaufend zu einem umsichtigen Miteinander, auch im privaten Bereich.
Was sind aktuell ihre größten Herausforderungen?
Abgesehen von den strategischen und alltäglichen Aufgaben eines Unternehmers beschäftigen mich die Umsetzungen der Hygieneverordnungen sowie das Abschätzen der Entwicklung und der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Hierzu stehe ich in engem Austausch mit unserer internen Corona-Taskforce und den regionalen Behörden, um schnell auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können.
Hinzu kommt auf der Beschaffungsseite die Corona- und Nachfragebedingte Warenknappheit in verschiedenen Warengruppen. Die Planung der Warenversorgung, wie wir Sie noch im Februar praktiziert haben, ist passé, die Lieferketten sind teilweise unterbrochen. Dem Kunden längere Lieferzeiten zu vermitteln ist schwierig und kostet Kraft, da dies in unserem Wirtschaftsraum bislang kaum vorstellbar erschien.
Ihre beiden Märkte trennen nur eine gute halbe Autostunde, der eine jedoch in Rheinland-Pfalz, der andere im Saarland. Sind Sie am Föderalismus und den unterschiedlichen Corona-Regeln bisweilen verzweifelt?
Die beiden Länderverordnungen zur Bekämpfung der Pandemie und ihre ständigen Neuerungen bis hin zu unterschiedlichen Handhabungen durch die kontrollierenden Ortspolizeibehörden haben uns teilweise an unsere Grenzen gebracht. Die Umsetzung von Richtlinien der Verordnungen wurde zeitweise ad absurdum geführt, weil sie durch Neuerungen schon wieder veraltet waren.
Unterschiede zwischen den beiden Bundesländern und dann teilweise die unterschiedliche Auslegung durch die Landkreise sowie innerhalb der Landkreise durch die Gemeinden waren sehr befremdlich und haben den Eindruck erweckt, dass die ausführenden Behörden nicht klar wussten, wie sie die beschlossenen Maßnahmen ohne Wettbewerbsverzerrungen umsetzen sollten.
Immer wieder mussten wir nachhaken und argumentieren, um letztendlich eine Versorgung von hygiene- bzw. systemrelevanten Produkten wie Kühlen und Waschen oder Arbeitsgeräten im PC-Bereich für unsere Kunden anbieten zu dürfen. Wir als Mittelständler fühlten uns leider immer nur nach Rücksprache wahrgenommen.
Darüber hinaus beliefern wir in der Grenzregion selbstverständlich auch unsere Kunden in Frankreich und Luxemburg – was weitere Herausforderungen und Verordnungen mit sich bringt, da im europäischen Grenzverkehr ebenfalls wieder andere Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie zugrunde lagen. Es war anstrengend und schwierig, aber wir haben es gut hinbekommen.
Ihre beiden Märkte liegen im Herzen Europas …
… unsere Kundschaft ist durch die Grenznähe seit jeher international. Insbesondere die Luxemburger kommen gerne über die Grenze zum Shoppen, weil Sie vor allem die Beratungs- und Servicestärke schätzen.
Wie verschieben sich in der Corona-Krise die Anteile von stationär zu online?
Durch unsere Click-&-Collect-Strategie ist der Online-Anteil zwar erheblich gestiegen, aber auch der reine stationäre Umsatz konnte nach der Wiedereröffnung stark zulegen. Beides zeigt, dass unsere Strategie – aus der Region, für die Region – und die Generierung von stationärer Zuführung durch Online-Angebote sich gegenseitig ergänzen. Unsere Online-Strategie ist ökologisch nachhaltig und nicht darauf ausgerichtet, Pakete durch ganz Deutschland zu versenden.
Wir wollen ein Schaufenster sein und dem Kunden von zuhause aus ermöglichen, mit Click-&-Collect bei uns als regionalem Händler einzukaufen. Ich glaube nach wie vor auch im Hinblick auf Klimaveränderungen und die Pandemie, dass „Local Shopping“ an Bedeutung gewinnen wird.
Home-Schooling, Home-Office, Küchen-Revival: Wie lange wird der Branchen-Boom anhalten?
Ich hatte im Herbst bereits mit einem Rückgang gerechnet und erwarte diesen nun realistisch für Anfang des kommenden Jahres. Nicht nur die Rückkehr zur ursprünglichen Mehrwertsteuer von 19% im Januar, sondern auch Verschiebung der Konsumentenausgaben aufgrund Pandemie zugunsten unserer Branche werden die Umsätze bis zum Jahresende auf einem hohen Niveau belassen.
Ab Januar ist mit einer steigenden Zahl von Insolvenzen und Freistellung von Arbeitnehmern und damit einer Reduktion der Kaufkraft zu rechnen. Die steigenden Infektionszahlen und die erneuten Beschränkungen bestätigen meine Sorgen.
Wie sieht es mit dem Segment Air-Treatment aus? Eine neue Goldader für den beratungsstarken Fachhandel?
Als Ergänzung zum Lüften können Luftreinigungssysteme helfen. Die Geräte reinigen die Raumluft durch unterschiedliche Filtrationssysteme und können die Luftqualität verbessern sowie kleinste Teilchen wie Allergene, Viren und Bakterien aus der Luft filtern. Ich bin überzeugt davon, dass wir diese Geräte in Büroräumen, Wartezimmern und Klassenräumen, aber auch im eigenen Zuhause wiederfinden werden.
Seit Monaten keine Messen, dafür schießen virtuelle Showrooms wie Pilze aus dem Boden…
… eine Herausforderung für jeden Mitarbeiter. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass der Handel sich mit hoher Geschwindigkeit in einem Strukturwandel befindet. Aufgrund der seitens der Industrie reduzierten Außendienstbetreuung müssen wir uns damit auseinandersetzen und offen damit umgehen. Unsere Mitarbeiter sind fit im Umgang mit den erforderlichen digitalen Instrumenten und werden bei der Nutzung durch klare organisatorische Abläufe unterstützt.
Ist man als Einzelhändler alleine überhaupt noch überlebensfähig?
Ich bin der Überzeugung, dass man langfristig nur mit Unterstützung einer gut aufgestellten Verbundgruppe wie der Euronics erfolgreich sein kann. Der Onlineshop der Euronics ist wegweisend für die Branche und hat sich während der Corona Pandemie als zweites Standbein entwickelt.
Spüren Sie etwas von der in den letzten Wochen viel zitierten Loyalität der Kunden zu Ihrem Händler vor Ort als „Local Hero“?
Unsere ganze Gesellschaft kann weiterhin nur funktionieren, wenn wir miteinander, füreinander agieren und voneinander lernen – und zwar in allen Bereichen. Ich bin aber nicht so naiv zu glauben, dass wir einen Vorteil haben, nur, weil wir vor Ort sind. Für den Kunden zählen heute Preis, Leistung, Verfügbarkeit und Schnelligkeit, und das online wie offline. Als Händler vor Ort sind wir deswegen gefordert, immer einen „Tacken“ besser zu sein als der Wettbewerber. Fehler werden von Kundenseite nicht mehr toleriert.
Was werden aus Ihrer Sicht die mittelfristigen Folgen der Corona-Krise im Handel sein?
Der Einzelhandel wird sich grundlegend ändern. Wem es gelingt, das stationäre Geschäft mit dem Online-Geschäft zu verknüpfen, wird auch weiterhin am Markt erfolgreich bestehen. Groß oder klein spielt dabei keine Rolle, aber schnell oder langsam entscheidet. Wer offen für Veränderungen ist und seine Mitarbeiter mitziehen kann, wird auch künftig gute Geschäfte machen können
Sie betreiben zwei Euronics XXL-Märkte: Ist das „XXL“ im Zeitalter der Digitalisierung noch angebracht?
Klar, wir sind erfolgreich. Die Einzugsgebiete beider Märkte ergänzen sich. Wir haben eine Größenordnung der Märkte – in Konz 1.500 qm, in Merzig 1.800 qm -, die dem heutigen Benchmark entspricht. Zudem betreiben wir neben den beiden Fachmärkten eine große Servicewerkstatt sowie ein Küchenstudio und heben uns so von reinen Geräteanbietern deutlich ab.
Ich glaube, dass dieses „XXL“-Konzept auch in Zukunft erfolgreich ist, wenn die richtigen Produktgruppen richtig inszeniert werden und die Beratung auf der Fläche durch geschulte und motivierte Mitarbeiter, wie wir sie haben, erfolgt.
Wie punkten Sie beim Kunden, wie wird das Thema Service & Beratung gelebt.
Beratung und Service stehen für uns an oberster Stelle. Es ist gegenüber den Online-Anbietern und den großen Wettbewerbern unser Alleinstellungsmerkmal. Unsere Mitarbeiter und wir sind in der Region verwurzelt, leben hier, sind in Vereinen und haben daher eine viel intensivere Beziehung zu unseren Kunden als das großflächige Konzerne oder reine Onlineanbieter haben können. Dies ist eine absolute Stärke.
Apropos Service und Beratung: Das geht nur mit geschulten Mitarbeitern …
… schön, dass Sie das ansprechen. In unserem Haus wird im Rahmen jedes Vorstellungsgespräches ganz besonders darauf hingewiesen, dass die Bereitschaft für Neues und die Bereitschaft zu lernen, Basis für eine Zusammenarbeit ist.
Produkte, die sich ständig neu erfinden, Kunden, die sehr gut vorinformiert sind und der Anspruch an unser Unternehmen als Fachhandel im Küchenbau, als zertifizierte Werkstatt und beratungsstarker Fachmarkt erfordern eine hohe Lernfreude und -bereitschaft. Wenn ich nicht weiß, was mein Produkt alles kann, wie soll ich dann meine Kunden dafür begeistern können.
In unserem Haus ist ein hohes Budget für Fort- und Weiterbildung fix in der Jahresplanung verankert, um durch zielgrichtete Schulungen und Lehrgänge unsere Mitarbeiter immer auf dem neusten Stand zu halten und um neue Mitarbeiter schnell in die Lage zu bringen, unsere Kunden optimal zu bedienen und Umsatz zu generieren. Ich in meiner Funktion als Geschäftsführer lebe das vor.