„Du warst einer der absolut stärksten!“, bekannte Marius Müller-Böge, Leiter Mittelstandspolitik beim Mittelstandsverbund, mit Blick auf „seinen“ Hauptgeschäftsführer. Und weiter: „Mit Deiner Leidenschaft, Deinem Mut zum Risiko, Deiner Loyalität und Deiner Fähigkeit, andere zu großen Leistungen zu motivieren! So jemand ist ein echter Gewinn für einen Verband.“
Dr. Veltmann wurde zudem die Raiffeisen-Schulze-Delitzsch-Medaille in Gold verliehen, die höchste Auszeichnung der Genossenschaftsorganisation, die an maximal 100 lebende Personen vergeben werden kann. Das passt prima, hat doch Dr. Veltmann seine Wurzeln im Agrar-Business auf einem Bauernhof in der Eifel. Wir trafen Dr. Ludwig Veltmann abseits des Berliner Blitzlichtgewitters in seiner Heimat, auf seinem Hof in Kommern, ein Ortsteil Mechernich, gute 30 Autominuten westlich von Köln.
Entschleunigung par excellence und zumindest für den Großstädter Idylle pur. Wir wechseln vom SUV auf den Bock seines auf Sonntag herausgeputzten, roten Porsche-Traktors, um zu seiner kleinen Galloway-Rinderherde auf einer Anhöhe der Ländereien zu gelangen. Hier oben auf der Weide – mit Blick auf die weite Ebene des Rheinlandes – ist Dr. Ludwig Veltmann ganz bei sich: „Das ist, gerade, wenn im Juni alles blüht sowie brummt und summt, mein Lieblingsplatz. Wenn ich mal in den Himmel komme, soll es dort genauso aussehen wie hier“, wünscht sich der jahrzehntelange Fürsprecher für den Mittelstand.
Der Himmel indes muss noch lange warten, denn Dr. Veltmann hat ungezählte Projekte und Initiativen im Hinterkopf, u.a. die etwaige Gründung einer Partei, resultierend aus der Erkenntnis, dass seine Boomer-Generation den nachfolgenden Generationen zu viele Probleme hinterlassen hat, die es noch zu lösen, zumindest doch zu lindern gilt.
Verantwortung, auch über Generationen hinweg, und Gestaltungsmacht sind zwei seiner ganz großen Themen: „Unsere tagtägliche Arbeit wird von einer großen Verantwortung für den kooperierenden Mittelstand begleitet. Immerhin sprechen wir über mehr als 300 Verbundgruppen im Mittelstandsverbund, denen 230.000 kleine und mittlere Unternehmen aus 45 Branchen angeschlossen sind. Das bedeutet für uns eine große gesellschaftliche Verantwortung.“
Die großen Player aus dem Handel wie Edeka, Rewe und Intersport sind dabei, aber auch Euronics, expert, EK Retail und Electronic Partner oder Alliance Möbelmarketing, Der Kreis, Küchenring, die Garant-Gruppe, Küchentreff oder die MHK Group.
„Die kooperierenden Mittelständler erwirtschaften mit 2,5 Mio. Vollzeitbeschäftigten einen Umsatz von mehr als 513 Mrd. EUR, das sind rund 18% des BIP und bieten 440.000 Ausbildungsplätze“, zählt Dr. Veltmann auf. Und: „Alle fördern ihre Mitglieder durch eine Vielzahl von Angeboten wie Beratung, Einkaufsverhandlungen, Logistik, IT, Multi-Channel, Finanzdienstleistungen, Marketing, Ladeneinrichtung oder Trendforschung.“
Ein Herzensprojekt für den berufenen Landwirt: „Mit dem Projekt ‚Mittelstand und Moor‘ versuchen wir Moore und ehemalige Moorflächen zu renaturieren, um auch das Thema Umweltschutz und CO2-Bindung noch mal in besonderer Weise zu forcieren.“ Vorbildlich umgesetzt wird dieses Projekt derzeit von ElectronicPartner. Eine Herzensangelegenheit ist auch das Partnerschaftsprojekt „Vamos!“ in Brasilien, ein mit Fördermitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die Sequa gGmbH finanziertes Partnerschaftsprojekt zwischen dem Mittelstandsverbund und dem brasilianischen Verband für Baustoffhandelskooperationen Febramat.
Verbessert sollen hier nicht nur die Fähigkeiten in der Information über Verbundgruppen-Themen und der Interessenvertretung. Febramat führt zudem ein Angebot an Qualifizierung für die spezifischen Bedarfe von Verbundgruppen ein und entwickelt zu diesem Zweck ein eigenes Programm sowie eine eigene E-Plattform.
Als Privatier indes geht die Reise für Dr. Veltmann jetzt erst einmal mit dem „Sprinter“ nach Italien, „und zwar entlang der Küsten einmal ganz Drumherum“. Ein echtes Sehnsuchtsziel, das ebenfalls auf der Roadmap steht, ist der Serengeti Nationalpark in Tansania. In die Ferne hat es Dr. Ludwig schon vergleichsweise früh gezogen, wohl auch, weil die Kindheit auf dem Bauernhof alles andere als idyllisch war. Schon im Alter von fünf Jahren musste er beim Saatgut die Spreu vom Weizen trennen, ist mit dem Traktor aufs Feld gefahren.
Heute sitzt er aus Leidenschaft auf dem Traktor, damals war es ein „Muss“. Denn: „Ich war der Hofsklave.“ Eine Zeit, die ihn für sein späteres Leben geprägt hat: „Ich wollte nie wieder geknebelt werden.“ Und wenn Ludwig Veltmann heute für einen Tag den Job eines anderen machen könnte, wäre er sofort Unternehmer, „möglichst in einer Branche ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit.“ Und: „Ich lasse mich nie für eine Meinung instrumentalisieren, die ich nicht auch selber vertrete.“
Mit 15 Jahren wollte Veltmann nur noch weg von Zuhause, möglichst weit weg und in eine andere Lebenswelt. Indonesien hieß das Land seiner Träume, ein Land, was er aber erst viele Jahre später mit dem Bulli bereisen sollte: „Teegärten, Vulkane, Buddha-Tempel: Es war die Reise meines Lebens, noch schöner, als ich es mir erträumt hatte. Wie aus tausendundeiner Nacht.“
Veltmanns Vater starb früh, er war der geborene Nachfolger, doch hatte der Hof schon damals nicht die richtige Größe, um wirtschaftlich überleben zu können. Und so studierte er in Bonn, mit dem Ziel in die Entwicklungszusammenarbeit zu gehen, zunächst Diplom-Agraringenieur.
Über Verbindungen seines Doktorvaters ging es dann zunächst nach Taiwan, später über die Friedrich-Naumann-Stiftung nach China. Und so sprach viel für eine berufliche Karriere in Asien, bis 1988 ein Anruf von Constantin Freiherr Heereman, CDU Bundestagsabgeordneter und damals gestaltungsmächtiger Bauernpräsident, kam: „Er stellte enorme Anforderungen, ich hatte viel Verantwortung, habe aber viel gelernt“, erinnert sich Veltmann.
Ludwig Veltmann ist durchweg ein Verbandsmensch. Nach dem Studium und Aufenthalten in Taiwan und China wurde er also persönlicher Referent des damaligen Präsidenten des Bauernverbandes. Weitere Stationen beim Bundesverband der Industrie (BDI) und dem Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) folgten, ehe er im Jahr 2000 zum Mittelstandsverbund (ZGV) – mit Standorten in Berlin und Köln sowie einem Büro in Brüssel – wechselte.
Seine beiden Top-Themen über beinahe zweieinhalb Jahrzehnte: Die Wettbewerbspolitik, insbesondere das Kartellrecht, sowie der Abbau der Bürokratie: „Ich habe mich 25 Jahre gegen die Bürokratie gestemmt, doch ich habe nicht den Eindruck, dass es besser geworden ist.“
Und so werden er und sein Nachfolger in Berlin (Dr. Henning Bergmann) weiter und mit Leidenschaft dafür kämpfen, dass keine neuen Bürokratiemonster entstehen, vor allem aber auch Bürokratie abgebaut wird. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist da nur ein Beispiel dafür, was den Unternehmen an zusätzlichen Pflichten ins Haus geflattert ist. Veltmanns innerer Antrieb für seine herausfordernde Tätigkeit als „Lobbyist“ für die Verbundgruppen des kooperierenden Mittelstandes: „Für mich ist es ein Privileg für eine Gruppe von Menschen zu arbeiten, die Treiber der Gesellschaft sind. Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die ihr Glück in die Hand nehmen, um unser Land nach vorne zu bringen.“
Die Koffer in Berlin, die Stadt, die ihm mit ihrer „Vielfalt an Menschen und Kultur“ so ans Herz gewachsen ist, sind gepackt. Ein Abschied aus der Hauptstadt vielleicht nicht für immer, aber doch mit einer ordentlichen Prise Wehmut („Wir haben in Berlin viele kluge Beamte und Kompetenzträger. Man tut den Menschen da oft unrecht – und den Verbänden auch. Wir drücken nicht nur Lobbymacht aus. Ich habe viele Freunde hier und lange überlegt, in Berlin zu bleiben“) – und reichlich Stoff für eine ganz persönliche Biographie des Lebens mit einer Fülle an Zitaten, die über den Tag hinausreichen werden, wie an diesem Mai-Sonntag in der Eifel, die seine Heimat ist und wo seine Familie lebt: „Man kann sich Politik, die für uns relevant ist, nicht aussuchen. Aber man muss immer den Dialog anstreben, das Verbindende, nicht das Trennende betonen.“
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