Einer redete Klartext: „2020 ist ein Jahr wie keines zuvor. Die Nachfrage ist höher als die Kapazitäten. Wir werden daher der kompletten Nachfrage im Jahr 2020 nicht gerecht werden können“, sagte Jens-Christoph Bidlingmaier, General Manager DACH/Nordeuropa bei Whirlpool, im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz Anfang vergangener Woche. Nach einem desaströsen März und April, wurden bei den meisten Unternehmen die Umsatzausfälle bereits im Mai und Juni wieder kompensiert.
Das sagt
der Handel … ^
- Euronics XXL Johann + Wittmer: Lieber Leihgeräte ausgeben als Kunden verlieren
- Herfag Elektrotechnik: Alternativen verkaufen …
- telering: Alarmmeldungen
- ElectronicPartner: Erhebliche Einschränkungen
- Radio Bodewitz: Eine einzige Katstrophe
- EK/servicegroup: Lieferschwierigkeiten erheblich
- expert: Gesamte Branche vor Herausforderungen
Mehr noch: Seit dem Sommer befindet sich die Hausgeräteindustrie katapultartig auf der Überholspur, profitiert überproportional vom Trend zum Cocooning und den „Hamstern“ beim Kühlen und Gefrieren. Bidlingmaier: „Die Nachfrage ist exorbitant, zweistellig über dem Vorjahr.“
Umsatz geht durch die Decke ^
So liegt der Markt für Home Electronics-Produkte (HE), dargestellt im HEMIX, im ersten Halbjahr 2020 – verglichen mit dem Vorjahres-Zeitraum – mit 5,3% im Plus. Die Elektro-Hausgeräte werden von der erhöhten Nachfrage nach Geräten zur Vorratshaltung und zum Kochen daheim regelrecht nach vorne gepusht: So verzeichneten die Elektro-Großgeräte (Backöfen, Geschirrspüler sowie Gefriergeräte, die mit einem Plus von über 30% regelrecht durch die Decke gingen) ein Umsatzplus von 2,7%, die Elektro-Kleingeräte generierten einen deutlichen Zuwachs um 10,4%. Hier waren vor allem Kaffee-Vollautomaten, Küchenmaschinen, Grillgeräte und Luftreiniger Selbstläufer.
Exorbitante Nachfrage einerseits, immer noch Störungen in den internationalen Lieferketten – Biedlingmaier: „Alles, was aus Asien über den Wasserweg kommt, lässt sich nicht forcieren“ – andererseits. Das hat aktuell gravierende Folgen für den Handel. Dirk Wittmer, Euronics XXL Johann+Wittmer in Ratingen und Aufsichtsratsvorsitzender von Euronics Deutschland: „Die Lieferschwierigkeiten bei Hausgeräten sind sehr groß. Kunden springen ab und haben teilweise kein Verständnis. Wenn sie als Kunde aber Ersatzbedarf beim Kühlen haben, wollen und können sie nicht warten.“
Gravierende Engpässe ^
Anja Maucher, Geschäftsführerin expert Herfag mit Standorten in Göttingen, Leinefelde, Mühlhausen, Nordhausen und Sonderhausen, ergänzt: „Im Bereich Kühlen und Gefrieren, insbesondere Side by Side, sind die Engpässe am gravierendsten. Man muss nehmen, was kommt – wenn überhaupt etwas kommt. Besonders herausfordernd sind die Lieferschwierigkeiten bei unseren Exklusiv-Geräten, was ja unser Kerngeschäft betrifft.“
Die, die sich äußern, sind wohlgemerkt keine „Garagen-Händler“, sondern zählen zu den Leuchttürmen der Branche. Noch deutlicher wird Jürgen Müller, Geschäftsführer Radio Bodewitz, Grevenbroich: „Bei Miele ist es eine einzige Katastrophe. Uns springen sehr viele Endverbraucher ab und wechseln auf andere Hersteller oder Lieferanten.“ Soweit lässt es Dirk Wittmer indes gar nicht erst kommen: „Wir versuchen auf Geräte zu beraten, die wir sofort liefern können.“
Wohlgemerkt, dass die Industrie an der augenblicklichen Situation, die ohne Beispiel und Blaupause ist, schuldlos ist, steht nicht nur für die EK/servicegroup in Bielefeld außer Frage: „Die Industriepartner konnten aus unserer Sicht nicht mit dieser enorm hohen Nachfrage rechnen und arbeiten gemeinsam mit uns an entsprechenden Lösungen“, sagt stellvertretend für viele in der Branche Franz F. Schreckenberg, Leiter Category Management Elektro bei EK Home.
Zu passive Kommunikation ^
Was den Handel derzeit viel mehr auf die Palme bringt, scheint vor allem ein Kommunikationsproblem zu sein. „Als besonders ärgerlich ist in diesem Dilemma die viel zu passive Kommunikationspolitik mancher unserer Lieferanten zu bewerten“, erklärt telering Geschäftsführer Franz Schnur auf Anfrage.
Auf unsere Nachfrage, welche Zeitschiene zur Lösung des Problems von der Industrie kommuniziert wird, antwortet Dirk Wittmer: „Es kommen keine verlässlichen Infos, Liefertermine verschieben sich, ohne dass der Handel informiert wird.“ Anja Maucher berichtet, dass „zugesagte Liefertermine teilweise nicht eingehalten werden“.
Und: „Die Empfehlungen der Industrie: Bestellen, bestellen, bestellen! Es ist herausfordernd, noch den Überblick zu behalten. Werden jetzt bei bestimmten Lieferanten IFA-Pakete bestellt, ist der voraussichtliche Liefertermin Ende Dezember, bei Side-by-Side teilweise Januar bis Februar.“
Lieferzusagen ad absurdum ^
Eine geballte Ladung Sorge treibt auch Franz Schnur um: „Die Lieferterminzusagen werden bislang in (zu) vielen Fällen nicht eingehalten, teilweise gibt es für Warendispositionen keine Terminfestlegungen mehr, was gerade auch in den Reihen unserer Großhandelshäuser notwendige Lieferplanungen nicht mehr möglich macht. Somit werden auch verbindliche Lieferzusagen unseren IQ-Fachhändlern gegenüber ad absurdum führt.“
Und was sagt die Industrie? „Obwohl wir in allen Werken mit voller Auslastung produzieren und sogar Sonderschichten organisieren, können wir Sie in einigen Produktgruppen nicht mit der Schnelligkeit und Pünktlichkeit beliefern, die Sie von Miele gewohnt sind und die Sie auch zu Recht von Miele erwarten. Bei den Geschirrspülern mussten wir in den zurückliegenden Wochen sogar bereits bestätigte Liefertermine wiederholt verschieben“, schreibt Frank Jüttner, Leiter der Miele Vertriebsgesellschaft Deutschland, in einem Infoletter an die Geschäftspartner.
Miele bittet um Entschuldigung ^
Für die Unannehmlichkeiten bittet Jüttner die Handelspartner „in aller Form um Entschuldigung“. Wörtlich: „Wir sind uns absolut im Klaren darüber, was Ihnen durch die entsprechenden Lieferengpässe und Terminverschiebungen zugemutet und abverlangt wird. Dies gilt für Ihre eigenen Arbeitsabläufe und Terminplanungen, aber auch den berechtigten Ärger auf der Seite unserer gemeinsamen Kundinnen und Kunden – den wiederum Sie unmittelbar zu spüren bekommen. Deshalb versichern wie Ihnen, dass wir mit höchster Priorität daran arbeiten, diesen Zustand so schnell wie möglich zu beenden und die bis dahin unvermeidbaren Auswirkungen für Sie so gering wie möglich zu halten.“
Bernhard Hörsch, Leiter Vertrieb der Miele Vertriebsgesellschaft Deutschland, erläutert gegenüber infoboard.de: „Bei Geschirrspülern haben wir aktuell Lieferzeiten von mehreren Wochen. Aufgrund der anhaltend großen Nachfrage wird sich das kurzfristig leider auch nicht ändern. Wir arbeiten hier an der Kapazitätsgrenze. Bei Waschmaschinen, Staubsaugern und Dunstabzugshauben kommt es für einzelne Baureihen/Modelle zu Verzögerungen. Unsere Herbstneuheiten, die jetzt und in den kommenden Monaten in den Handel kommen, sind aktuell nicht betroffen. Wir empfehlen aber möglichst frühzeitig zu ordern.“
Entspannung in Sicht? ^
Auch bei Electrolux (AEG) ist man offenbar von den für Herbst angekündigten Produktlaunches weniger betroffen. Indes: „Der aktuell überdurchschnittlich hohe Bedarf auf dem deutschen Markt, insbesondere im Bereich Wäschepflege, Geschirrspülen und bei Herdesets führt zu temporären Lieferrückständen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten und erwarten, dass sich die Situation bei den aktuell betroffenen Produkten in den kommenden Wochen entspannen wird“, heißt es aus Nürnberg. Und auch in München bei der BSH soll sich nach Informationen betroffener Händler die Situation in ein bis zwei Wochen entspannen.
Wie geht der Handel, insbesondere kurz vor dem Start in die umsatzstärksten Wochen des Jahres, mit der aktuellen Situation um? infoboard.de hat sich in den vergangenen Tagen intensiv in der Branche umgehört.
Das sagt
der Handel … ^
- Euronics XXL Johann + Wittmer: Lieber Leihgeräte ausgeben als Kunden verlieren
- Herfag Elektrotechnik: Alternativen verkaufen …
- telering: Alarmmeldungen
- ElectronicPartner: Erhebliche Einschränkungen
- Radio Bodewitz: Eine einzige Katstrophe
- EK/servicegroup: Lieferschwierigkeiten erheblich
- expert: Gesamte Branche vor Herausforderungen