Überrascht hat die Nachricht in der letzten Märzwoche nicht: Bei MediaMarkt-Saturn müssen nach übereinstimmenden Medienberichten bis zu 1.000 Mitarbeiter den Hut nehmen. Zudem droht die Schließung von 13 Filialen der beiden Elektronikketten des Branchen-Primus. Überrascht hat uns dann eher die Zahl: Nur 13 Filialen bei derzeit 419 Märkten in Deutschland. Das soll alle (stationären) Probleme lösen? Wohl kaum. Sind es doch gerade die vergleichsweise riesigen Flächen in bester City-Lage und mit Ankermieter-Funktion, die MediaMarkt und auch Saturn oftmals wie ein Mühlstein um den Hals hängen.
Eine offizielle Pressemeldung zu den Schließungen – übrigens kein neues Kostensenkungsprogramm, vielmehr die Konkretisierung der Maßnahmen, die bereits im August 2020 anlässlich der Ankündigung zur unternehmensweiten Einführung eines neuen Operating Models verkündet wurden – gibt es weder aus Ingolstadt (MediaMarkt-Saturn) noch aus Düsseldorf (Ceconomy). Aber es gibt ein Schreiben der Unternehmens-Geschäftsführung an die Mitarbeiter, das infoboard.de vorliegt.
Dort heißt es: Covid-19 habe das Einkaufsverhalten der Konsumenten nachhaltig verändert. Immer mehr Kunden würden ihre Einkäufe online erledigen. Stimmt: Denn der Online-Anteil am Gesamtumsatz hat sich auf dem deutschen Markt im laufenden Geschäftsjahr 2020/21 für Media-Saturn mehr als verdoppelt. Und es ist trotzdem nur die halbe Wahrheit: Zu lange hat der Branchenriese die digitale Entwicklung verpennt und die Folgen für den stationären Handel offenbar sträflich unterschätzt. Corona ist nicht Ursache des MediaMarkt-Saturn-Schlamassels, wohl aber der Brandbeschleuniger!
Wer heute beispielsweise eine Saturn-Filiale in einem Mittelzentrum wie Hilden vor den Toren Düsseldorfs betritt, fühlt sich auf der zumindest nach heutigen Gesichtspunkten überdimensionierten Fläche verloren. Ein Anachronismus aus dem analogen Zeitalter. Erlebniseinkauf? Hier jedenfalls nicht. Und Hilden ist kein Einzelfall.
Die Ceconomy-Aktie stürzte insbesondere im Chaos-Jahr 2019 ins Bodenlose, Namen kamen und gingen: CEO Jörn Werner blieb gerade mal ein halbes Jahr auf der Kommandobrücke, die als „Wunderwaffe“ gehandelte, oberste Digital- und Marketing-Chefin Jennifer DiMotta brachte es immerhin auf acht Monate.
Erst unter Interims-CEO Dr. Bernhard Düttmann hat die MediaMarkt-Saturn-Mutter Ceconomy wieder festen Boden unter den Füßen gefunden und so etwas wie eine zukunftsfähige Strategie ausgerollt. Düttmann versteht es als seine (unternehmerische) Pflicht, die Abläufe und Prozesse wie die Investitionsstrategie kontinuierlich zu überprüfen und an die deutlich veränderten Rahmenbedingungen anpassen.
Mit Blick auf das wachsende Online-Geschäft werde man die Investitionen in den Ausbau und die Optimierung der Logistik erhöhen, heißt es im Brief an die Mitarbeiter aus Ingolstadt. Zugleich sei es zwingend erforderlich, die Anzahl und die Größe der stationären Märkte auf die neuen Gegebenheiten auszurichten. Aktuell gehe es dabei nicht zuletzt um eine signifikante Senkung der Mietkosten.
Klartext: „Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Geschäftsführung unumgänglich, von den derzeit 419 Märkten in Deutschland voraussichtlich 13 Märkte zu schließen. Es handelt sich ausschließlich um solche Märkte, bei denen wir nach sorgfältiger Analyse feststellen müssen, dass sie sich nicht dauerhaft wirtschaftlich betreiben lassen.“
Grundlage für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens bildet die bereits im August 2020 vorgestellte neue Organisationsstruktur („Operating Model“). Die neue Zielorganisation soll die Standardisierung von Prozessen vereinfachen, die Effizienz in den Landesgesellschaften erhöhen. Die Märkte sollen von administrativen Aufgaben entlastet werden, um ihre Kapazitäten noch stärker auf die Kunden auszurichten. Auch hier spricht der Brief an die Belegschaft Klartext:
„Es geht um operative Exzellenz in allen Bereichen. Es geht um klare Verantwortlichkeiten, schnelle Entscheidungsfindung, enge Zusammenarbeit. Das heißt: Zukünftig wird die Führungsorganisation in unseren Märkten überall vergleichbar sein, auch unter der Berücksichtigung der jeweiligen Umsatzgröße. Auf diese Weise sorgen wir dafür, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in den Märkten sich auf das konzentrieren können, worauf es ankommt: auf unsere Kunden.“
Der durch die Pandemie beschleunigte Veränderungsprozess sei mit einem „unvermeidlichen Stellenabbau“ verknüpft: „Im Zuge der Maßnahmen werden in den Märkten in Deutschland bis zum Ende des Geschäftsjahres 2021/22 voraussichtlich bis zu 1.000 Arbeitsplätze wegfallen.“ Andererseits sollen neue Stellen und Funktionen geschaffen werden, die es so bisher in den Märkten nicht gab: „Sie werden dazu beitragen, unseren Kunden ein zeitgemäßes, außergewöhnliches Einkaufserlebnis zu bieten.“
Zuletzt hatte Ceconomy gute Geschäftszahlen vorgelegt: Der Umsatz lag in der Zeit von Oktober bis Dezember 2020, trotz der verschärften Covid-19-Situation bei MediaMarkt und Saturn, mit 7,5 Mrd. EUR rund 11,4% über dem Vorjahr. Besonders fielen dabei die ersten zwei Monate ins Gewicht, die durch erfolgreiche Aktionen im „Black November“ sowie eine bewusste Entzerrung des Weihnachtsgeschäfts durch Ausdehnung des Aktionszeitraums in den Oktober und November geprägt waren.
Doch es war das Online-Geschäft, das bei MediaMarkt und bei Saturn für Umsatz sorgte und sorgt: Mit insgesamt 2,3 Mrd. EUR (Q1 2019/20: 1,1 Mrd. EUR) erzielte das Unternehmen so viel Online-Umsatz wie in keinem Quartal zuvor. Das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr betrug rund 116%. Insgesamt hatte das Online-Geschäft rund 30% Anteil am Gesamtumsatz des ersten Quartals. Damit hat sich der Anteil im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Die Filialgeschäfte indes leiden unter der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen eingeschränkten Öffnungs- und Einkaufsmöglichkeiten vor Ort.
Dass sich großflächige Warenhauskonzepte (siehe auch Galeria Karstadt Kaufhof) seit längerem schwertun, hat viele Gründe. Der Wichtigste: Die Umsätze auf der Fläche schmelzen im digitalen Zeitalter dahin. Bei Media-Markt-Saturn kommen viele weitere Gründe hinzu: etwa das Fehlen eines exklusiven Sortiments (austauschbare Ware, stets im Preis-Wettbewerb), nicht zuletzt eine gewisse Arroganz als Marktführer. VR-Brillen und Roboter in den Filialen sind nette Gimmicks, aber sicher nicht die Zukunft des stationären Handels.
Frische Ideen, neue Konzepte sind gefragt: Am „Black Friday“(!) vergangenen Jahres eröffnete in Köln der Urban Lifestyle Store „blaenk“, eine Art Pop-up-Kaufhaus. Die Idee dahinter: Unter einem gemeinsamen Dach sollen sich verschiedene Hersteller für jeweils drei bis vier Monate präsentieren – danach wechselt das Sortiment wieder. „Wir geben Marken einen Raum, um neue Produkte im stationären Handel zu testen“, sagt Blaenk-Gründer Martin Bressem.
Im Kölner Blaenk-Store sind aktuell rund 40 Marken vertreten sein, darunter Top-Marken wie Bosch (Cookit) Melitta und Zwilling, aber auch Start-ups, die ihre Produkte bisher nur online vertrieben haben. „blaenk“ ist nicht einfach ein Geschäft, es ist ein neues Einkaufs-Gefühl, eine Art überdimensioniertes Appartement, das dem Konsumenten als Inspiration für modernen Lifestyle (und dazu zählen auch Elektrokleingeräte) dienen soll.
Und MediaMarkt-Saturn? Vermutlich ist der Einschnitt ins Filialnetz viel zu halbherzig, die Restrukturierung nicht radikal genug, um langfristig zu reüssieren. Und auch das, was man auf der (reduzierten) Fläche letztlich zeigen will, muss komplett neu gedacht werden. Ein weiterer Ankermieter der Innenstadt, Douglas, macht vor, wie es gehen könnte: (noch) mehr Online wagen, ohne das Konzept der Filiale gänzlich aufzugeben.
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