Was sind schon 10 Jahre infoboard.de gegen 100 Jahre bei Graef? Das Arnsberger Traditionsunternehmen hat sich in den vergangenen Jahren zwar nicht neu erfunden, aber immerhin fast – und dabei auch den Sprung in die Digitalisierung gemeistert.
Herman Graef, der „Manitu“ des Unternehmens aus dem Sauerland, hat seinen beiden Töchtern Johanna (als Head of Sales) und Franziska (als Head of Marketing) immer mehr Verantwortung für das Unternehmen übertragen, was die beiden Schwestern mit Leben und Herzblut füllen. Franziska Graef im infoboard.de-Jubiläums-Interview über Herausforderungen der vergangenen 100 Jahre, warum eine unbezahlte Rechnung der Startschuss für die Allesschneider war und warum sich die Familie fast täglich zur Brotzeit trifft.
Bevor wir über 10 Jahre infoboard und die Branche in den vergangenen Jahren sprechen: Es gibt in diesem Jahr ein viel größeres Jubiläum – 100 Jahre Graef. Die Feierlichkeiten, die insbesondere jetzt im Juni stattfinden sollten, mussten wie so viele andere Veranstaltungen auch abgesagt werden. Wird der Geburtstag 2021 nachgeholt? Und wie wird 100 Jahre Graef in diesem Jahr dennoch gewürdigt?
Wir haben die vergangenen Wochen und Monate genutzt, um neue Wege zu finden, unser Jubiläumsjahr trotz allem gebührend zu feiern. Auch wenn einige große Aktionen und Events abgesagt werden mussten, machen wir das Beste aus der Situation und konzentrieren uns auf kreative Alternativen, für die wir u.a. mit einem Künstlerkollektiv, reichweitenstarken Influencern sowie mit unserem Testimonial Johann Lafer zusammenarbeiten.
Auch ein größeres, voraussichtlich virtuelles Event wird aktuell noch geplant. Da wird also noch einiges kommen. Die große Feier, auch für unsere Mitarbeiter(innen), ist aber natürlich auch nicht vergessen und wird definitiv nachgeholt, sobald es wieder sicher möglich ist.
Ist 2020 die größte Herausforderung in der Unternehmensgeschichte?
Glücklicherweise können wir sagen, dass es nicht die größte Herausforderung im negativen Sinne ist. Allerdings treibt es uns zu mehr Kreativität, Spontanität und Flexibilität an. Wir konnten die letzte Zeit dazu nutzen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und neue Wege zu finden, unsere Botschaften zu kommunizieren.
Unsere Allesschneider beispielsweise haben eine ganz neue Relevanz in der Krise bekommen. Warum? Lebensmittel am Stück sind länger haltbar. Wer Wurst, Käse und Co. am Stück kauft, muss seltener einkaufen gehen und kann seine Lebensmittel mit unseren Allesschneidern schnell und einfach aufschneiden – das kommt Konsumenten gerade sehr entgegen. Es mag nach einer Phrase klingen, aber in jeder Krise steckt auch eine Chance. Und die gilt es zu ergreifen!
Was waren die Meilensteine in 100 Jahren Graef?
Die Geschichte unseres Unternehmens zeigt, dass wir unheimlich anpassungsfähig sind. Zum Beispiel zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in den 20er- und 30er-Jahren, als mein Urgroßvater Spanholzschachteln für Reißbrettstifte herstellte und so die Firma rettete.
Anfang der Sechzigerjahre begann die Produktion der ersten Schneidemaschinen. Die Idee der Schneidemaschinen entstand übrigens Anfang der Fünfzigerjahre, als die Brüder auf einer Messe mit einem Handelsvertreter gesprochen haben – für ihn haben sie auch ein Muster gefertigt, das hat er tatsächlich nie bezahlt. Letztlich war das aber der Startschuss für unsere Schneidemaschinen, die bis heute unseren Produktkern bilden.
Obwohl wir an unseren Werten festhalten, verschließen wir dennoch die Augen nicht vor Neuerungen und Wandel. Das hat auch mein Vater bewiesen, als er meiner Schwester Johanna und mir die Verantwortung übertragen hat. Und nun bestreiten wir gemeinsam den digitalen Wandel.
Aus meiner Sicht war 2018 mit der Eröffnung des Markenzentrums und dem Mundwerk ein wichtiges Jahr …
2018 war in der Tat ein sehr wichtiges Jahr in unserer Unternehmensgeschichte. Wir haben den 50. Geburtstag unserer Allesschneider auf der IFA gefeiert und uns als Traditionsmarke neu aufgestellt. Gefeiert haben wir das Jubiläum bei uns in Arnsberg – es war ein toller Tag, der uns allen lange in Erinnerung geblieben ist. Ich hoffe, Dir auch (lacht).
Mit der Zusammenstellung der heutigen Geschäftsführung inklusive meiner Schwester Johanna und mir kam recht schnell der Wunsch nach frischem Wind und einem neuen Markenimage. Unser Ziel ist es, die Marke stärker zu emotionalisieren und die Kunden an die Graef-Welt zu binden.
Graef ist mehr als nur die zuverlässige Schneidemaschine. Wir haben ein starkes, vielseitiges Produktportfolio zu bieten, das den gesamten Tag über für viele Genussmomente im Alltag sorgt.
Dein Vater, Hermann Graef, hat Deiner Schwester Johanna und Dir in den vergangenen Jahren immer mehr Verantwortung für das Unternehmen übergeben. Wie fühlt sich das an?
Es fühlt sich großartig an, das Erbe unserer Familie weiterzutragen und das Unternehmen, mit dem wir aufgewachsen sind, in die Zukunft zu führen. Ich bin sehr stolz auf das, was die Generationen vor mir geleistet haben. Aber das bedeutet auch viel Verantwortung. Diese auf uns zu übertragen, ist meinem Vater nicht allzu schwer gefallen. Wir genießen sein vollstes Vertrauen.
Wenn man von außen draufschaut, hat man den Eindruck: Die Übergabe an die nächste Generation ist geglückt …
Es freut mich, zu hören, dass unsere Außenwirkung offensichtlich mit der Realität übereinstimmt (lacht). Wir arbeiten jeden Tag als Team und als Familie daran, das Beste aus allen Generationen zu kombinieren – die Erfahrung sowie die technische und fachliche Expertise meines Vaters und meines Großcousins und Patenonkels Andreas Schmidt und den frischen Wind, den wir mitbringen.
Gab es für je einen Plan-B zum Einstieg ins Unternehmen?
Tatsächlich habe ich nach dem Abitur erst einmal fünf Semester Jura studiert und war noch nicht mit dem konkreten Ziel an der Universität, auch auf jeden Fall ins Unternehmen einzusteigen. Meine Schwester Johanna war zu dieser Zeit bereits im Unternehmen tätig und es war natürlich auch ein zentrales Thema innerhalb der Familie. Letztlich ist Graef dann aber doch zu spannend, und ich wollte die Zukunft unbedingt mit meiner Schwester gemeinsam gestalten und das Unternehmen gemeinsam mit ihr in die nächste Generation führen – und so bin ich dann auch eingestiegen.
Erst kamen die Töchter, dann Helmut Geltner …
Helmut Geltner ist ein unheimlich erfahrener Experte, der eine einzigartige Erfolgsgeschichte im Markt geschrieben hat. Wir profitieren in vielerlei Hinsicht von seinem umfassenden Know-how, seinem super Netzwerk in der Branche und auch von seinem Gespür für Innovationen und Trends.
Für meine Schwester und mich ist er ein sehr geschätzter Coach, der uns dabei unterstützt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Und darüber hinaus ist es uns sehr wichtig, auch eine Außenperspektive im Unternehmen zu haben, damit wir keinen Tunnelblick in Bezug auf unsere Themen entwickeln. Genau hier bekommen wir von ihm immer wertvollen Input und Impulse.
Frischer Wind bei Graef, angereichert mit reichlich Emotionen. Allesschneider werden als Lifestylegeräte und Kunstobjekte geadelt, Siebträger wecken echte Begehrlichkeiten. Welche Strategie steckt dahinter und wer ist für diesen frischen Wind verantwortlich?
Wenn es darum geht, einen Verantwortlichen zu suchen, müsste ich wohl sagen: Das geht durchaus ein Stück weit auf Johannas und meine Kappe (lacht). Tatsächlich sind aber sämtliche Kampagnen und Strategien aus den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten entstanden. Der Input kam von uns – die Vision hatten wir alle.
Frischen Wind gibt es auch in der Kommunikation. Mein Eindruck zuletzt: eher digital als Print, eher YouTube und TikTok als Anzeigenblatt oder Food-Magazin…
Das ist nur so halb richtig. Ja, wir legen viel Wert auf Zusammenarbeit mit Influencern, kommunizieren auch viel über Instagram, Facebook oder unseren Blog, wissen aber dennoch um die Stärken der analogen Möglichkeiten und möchten diese nicht vernachlässigen. Am Ende des Tages versuchen wir, in beiden Welten präsent zu sein und diese bei Gelegenheit auch miteinander zu verknüpfen.
Wie oft trifft sich denn die ganze Familie heute noch, um mit den Produkten des Unternehmens das Zusammensein zu genießen. Wenn die Erzählungen stimmen, habt Ihr Euch ja früher abends alle zum Abendbrot versammelt, bei dem ohne den Allesschneider nichts ging…
Du glaubst gar nicht, wie lange und intensiv man über die ideale Dicke einer Scheibe Brot diskutieren kann (lacht). Wo100 % Familienunternehmen draufsteht, ist bei uns auch 100% Familienunternehmen drin und so treffen wir uns regelmäßig, fast täglich morgens zum Frühstücksmeeting und besprechen die Aufgaben des Tages. Erst dann geht jeder optimal informiert in seinen Bereich.
Ein Blick über Graef hinaus: Was waren für Dich die herausragenden Ereignisse und Entwicklungen in den letzten Jahren?
Smarthomes, Sprachsteuerung und Digitalisierung haben den Hausgerätebereich in den letzten Jahren massiv geprägt. Viele Hersteller haben sich beinahe überboten mit den neuesten Funktionen und Individualisierungsmöglichkeiten. Generell ist es wohl der Trend zur Individualisierung, der die Entwicklung von Haushalts- bzw. Küchengeräten sehr geprägt hat. Nichtsdestotrotz haben wir auch erlebt, dass Familien wieder stärker zusammenrücken und das gemeinsame Erleben in den Küchen wichtig ist. Das kommt natürlich auch unseren Geräten zugute.
Wie beginnt heute Dein Arbeitstag – mit einem Kaffee aus dem Siebträger? Wie sieht für Dich heute ein typischer Arbeitstag aus?
Mein Tag beginnt tatsächlich mit einem leckeren Americano aus der „Baronessa“, die ich zu Hause habe. Im Büro gibt es dann den klassischen Filterkaffee, der mehr Koffein enthält als ein Espresso – mein persönlicher Wachmacher-Tipp! Mit dem Koffein-Kick geht es dann in die morgendliche Besprechung mit der Familie.
Die Ergebnisse stimme ich dann mit meinem Team und den Kooperationspartnern ab. Die Mittagspause findet natürlich im Mundwerk statt – da gibt es mindestens noch einen Cappuccino als kleine Auszeit. Einen Feierabend gibt es bei uns eigentlich nicht richtig. Das Unternehmen ist immer Thema innerhalb der Familie. Wenn ich aber mal komplett abschalten möchte, dann gehe ich raus in die Natur.
Welche Trends siehst Du im Markt für (kleine) Hausgeräte?
Aus meiner Sicht wird es noch einmal einen Schub in Richtung Vernetzung geben. Allerdings werden Hersteller sich hier darauf einstellen müssen, dass Konsumenten gleichzeitig die Reduzierung von Komplexität wünschen – schließlich möchte niemand erst studiert haben müssen, um einen leckeren Kaffee genießen zu können.
Ein weiteres Top-Thema wird Nachhaltigkeit sein. Das Bewusstsein um die Notwendigkeit eines reflektierten Konsums steigt immer mehr, entsprechend wird sich auch das Kaufverhalten ändern.
Die Schlagworte der letzten Jahre: E-Commerce, Multichannel, Click & Collect, Social Media,Point of Emotion. Wo geht die Reise für den Handel hin? Welche Werte bleiben bestehen?
Nirgendwo kann ein Kunde das Produkt so gut erleben und erfahren wie im stationären Handel. Und er wird auch im Idealfall nirgendwo so gut beraten. Gerade wenn es um eine nachhaltige Investition in ein hochwertiges Küchengerät geht, liegen hier die zwei ganz großen Stärken, die es wertzuschätzen gilt. Idealerweise ergänzen sich alle Kanäle und bilden so eine starke Markenstruktur.
Warum ist infoboard.de für Dich Pflichtlektüre?
Weil ich die topaktuelle und informative Arbeit der Redaktion sehr schätze. Eure Inhalte bieten einen echten Mehrwert. Ihr lebt das Elektrogerät nicht nur, wie es auf eurer Website heißt, Ihr vermittelt euer Know-how auch auf ansprechende Weise. Besonders gut gefallen mir die persönlichen Einschätzungen und Kommentare, die auch mal sehr mutig sein können. Doch gerade das zeichnet das Team von infoboard.de aus.
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