[dropcap font=”0″]I[/dropcap]nterviews beinahe im Tages-Rhythmus, ein Multichannel-Pilotmarkt, aktuelle Umsatzmeldungen und jede Menge PR-Botschaften in Sachen Online-Aktivitäten und Werbekampagnen sowie eine spektakuläre Personalie. Media Saturn gab in den letzten zwei Wochen Vollgas auf allen Absatz- wie Media-Kanälen. Highspeed ist auch bitter nötig, wenn man im scharfen Wettbewerb mit den Online-Gigangten von Amazon & Co. nicht noch weiter an Boden verlieren möchte.
Spät ist die MSH ins boomende Online-Geschäft eingestiegen. Zu spät? So viel ist sicher: Der Kurs stimmt: Die Weichen stehen auf Multichannel in allen Spielarten. So stellt Media Markt erstmals seine Kompetenz als ein führender Multichannel-Elektronikhändler in den Fokus seiner aktuellen Kommunikationsaktivitäten zum Weihnachtsgeschäft.Ganz nach der Devise „Wer will, der kriegt. Im Markt. Im Netz. Jederzeit.“ Das Kampagnenmotto vereint dabei zwei grundlegende Aspekte: Menschen tun die verrücktesten Dinge, um Elektronikartikel zu erhalten. Und Media Markt bietet mit seiner Multichannel-Strategie ein nahtloses, kanalübergreifendes Einkaufserlebnis, um diese Wünsche optimal zu erfüllen.
Bereits im September stellte Media Markt sein überarbeitetes Corporate Design vor, das im Zuge der Multichannel-Strategie dem Unternehmen ein einheitliches Erscheinungsbild verleiht, unabhängig vom Vertriebskanal und über alle Kommunikationskanäle hinweg. Mit der neuen Saisonkampagne gehen die Ingolstädter nun den nächsten logischen Schritt und richten die Kommunikations-Aktivitäten im Sinne von Multichannel aus. „Egal, ob stationär, online oder mobil – wir bieten unseren Kunden über alle Vertriebskanäle hinweg ein einmaliges Informations- und Einkaufserlebnis. Multichannel bedeutet in diesem Sinne eine komplette Verschmelzung aller Kontaktpunkte zwischen uns und unseren Kunden“, so Wolfgang Kirsch, Vorsitzender der Geschäftsführung von Media-Saturn Deutschland und verantwortlich für die Markenführung von Media Markt.
Das umfangreiche Leistungsversprechen bietet dabei unter anderem den vollen Markt-Service auch bei Online-Einkäufen, die Möglichkeit, den Online-Einkauf in den nächstgelegenen Markt liefern zu lassen oder Produkte online zu reservieren, um sie anschließend im Laden abzuholen.
Der Versuch, verloren gegangenes Terrain wieder wett zu machen, ja die Braut wieder zukunftsfähig aufzuhübschen, ist unübersehbar. Einen (ungefragten) Kaufinteressenten gibt es übrigens auch schon. Der ist ein alter Bekannter: Minderheitseigner Erich Kellerhals. Es sei „höchste Zeit zum Handeln“ erklärt Kellerhals auf seiner Internet-Seite. Vorschläge für eine Beilegung des Streits um die Zukunft der Elektronikhandelskette lägen vor: „Die erarbeiteten Lösungen bieten für alle Aktionäre Vorteile und große Zukunfts-Chancen.“
Die in Düssseldorf erscheinende Rheinische Post schreibt, dass Kellerhals bekräftigte, er sei bereit, die Media-Saturn-Anteile der Metro zurückzukaufen „oder eine andere Lösung zu finden, um das Unternehmen in eine ruhigere und erfolgreichere Zukunft zu führen.“ Jedenfalls ist die Familie Kellerhals auf ihrer Internetseite überzeugt, „durch ihre Handelserfahrung … Media Saturn als Gesellschafter und Unternehmer immer erfolgreicher führen, als angestellte und öfter wechselnde Manager von der Metro AG“. Deckung, hier wird verbal scharf geschossen. In einem hat Kellerhals aber zu 100 Prozent recht: „So weitermachen wie bisher, verbaut dem Unternehmen jegliche Zukunft.“ Das gilt aber für beide Parteien der Auseinandersetzung.
Halten wir uns raus und an die Fakten wie neuen Botschaften aus Ingolstadt. Davon gibt es genug: Metro-Saturn werde künftig verstärkt im Online-Geschäft wachsen, sagte MSH-Chef Pieter Haas Mitte Oktober in der Süddeutschen Zeitung. Man werde sich zudem vom Ziel der absoluten Preisführerschaft verabschieden. Immer die Billigsten? Das soll offenbar vorbei sein. Mitgeschäftsführer Klaus-Peter Voigt fügte im gleichen Beitrag an: “Ein stationärer Händler kann heute nicht mehr der billigste sein, weil er ganz andere Kosten hat als ein reiner Online-Anbieter.” Wohl wahr.
Trotzdem reibt sich der Konsument in und um Düsseldorf keine 24 Stunden später die Augen: „Heimat der Tiefpreise“ titelt ein 12 Seiten starker, großformatiger Flyer von Media Markt. Geschenkt. Wichtiger sind die weiteren Botschaften des Flyers: Der stationäre Markt und der Onlineshop wachsen zusammen. Wie das geht? „Einfach auf mediamarkt.de informieren, das Produkt ausprobieren und einen unserer Fachberater fragen.“ Oder „Einfach und sicher alle Produkte auf mediamarkt.de reservieren, im Markt abholen und dort bezahlen.“ Click & collect heißt die Zauberformel auf Neudeutsch.
Mit der Eröffnung des neuen Media Markts in Ingolstadt vor rund einem Monat stellte Media-Saturn jedenfalls die Weichen für ein neues, modernes Einkaufserlebnis im Zeichen des Multi-Channel. Media Markt hat sich dort zwar nicht neu erfunden, aber immerhin fast. Im Erfolgsfall eine Blaupause für die gesamte Branche! Wolfgang Kirsch bezeichnet den neuen Media Markt in Ingolstadt als “Leitbild für alle Media Märkte”. Wohin die Reise beim Elektronik-Retailer in einer sich rasant wandelnden Handelswelt geht, hat Kirsch in einem Interview am 21. Oktober skizziert: „Einen Markt wie in Ingolstadt kann ich mir heute überall in Deutschland vorstellen – und würde dieses Konzept auch gerne an allen Standorten sehen, so ist es mittelfristig auch geplant. Allerdings ist damit noch kein Ende der Entwicklung erreicht, sondern unser Verkaufskonzept wird auf der in Ingolstadt gezeigten Plattform weiterentwickelt.“
Man gehe bei Media Markt wie bei Saturn mit jeder Neueröffnung ein Stück weiter. So gebe es bereits eine Reihe von Dingen, die man künftig realisieren wolle, die aber in Vorzeigemarkt in Ingolstadt noch gar nicht integriert sind.
Ist das, was in Ingolstadt seit wenigen Wochen gezeigt wird – die Verbindung von klassischem stationären Einkauf und vielfältigen Online-Funktionen – das, was der Kunde heute wünscht bzw. voraussetzt? Kirsch betont, dass eine große Anzahl der Kunden trotz Internet und Online-Einkaufswelt auch weiterhin vor einer Anschaffung einen Menschen sehen wollen, der sich mit dem Produkt auskennt und ihnen ein gutes Gefühl bei ihrer Kaufentscheidung gibt. Gleichzeitig gebe es aber immer mehr Kunden, die auf das breite Angebot zugreifen, das man Ihnen online biete. Kirsch glaubt eben an die Kernkompetenz von Media-Saturn im stationären Geschäft („Media Markt war für die Kunden schon immer wie eine ganzjährige Messe. Das macht unsere stationären Geschäfte attraktiv.“), sieht den Retailer aber auch im Online-Handel mittlerweile gut aufgestellt.
Dazu passt die Meldung, dass die Media-Saturn-Unternehmensgruppe das Wachstum im Online-Pure-Play-Markt beschleunigen will und künftig alle Online-Pure-Play-Aktivitäten unter dem Namen „Electronics Online Group“ (EOG) – mit redcoon als Kern – bündeln will. Noch spektakulärer als diese Nachricht ist die damit verbundene Personalie: Neuer CEO bei Redcoon und damit mitverantwortlich für eine erfolgreiche Umsetzung der Online-Pure-Play-Strategie wird zum 1. November Idealo-Gründer Martin Sinner, der eine langjährige wie breit gefächerte Erfahrung in der Online- und Start-up-Szene mitbringt.
Martin Sinner gilt als ein ausgewiesener Experte der Online-Gründerszene. Im Jahr 2000 gründete er das heute führende deutsche Vergleichsportal Idealo, dessen CEO er bis 2012 war. Als Mitglied des „Axel Springer Silicon Valley Teams“ war Sinner von Herbst 2012 bis zum Sommer 2013 im Silicon Valley, um im Austausch und durch Vernetzung mit dort ansässigen Unternehmen und Universitäten neue unternehmerische Ideen für digitales Wachstum zu entwickeln. Diese „Erfahrungsgruppe“ wurde anfangs eher spöttisch belächelt. Heute ziehen die meisten den Hut …
Neben dem Ausbau des organischen Wachstums von Redcoon sollen Akquisitionen und neue Online Konzepte für weiteres Wachstum sorgen. So sollen spezialisierte Webshops wie beispielsweise für das Trendthema „Wearables“ oder andere Produktgruppen (Kaffee? Bodenpflege?) gestartet werden. Diese zusätzlichen Pure-Play-Konzepte werden jeweils eine eigene Positionierung zu Themen wie Preis, Sortimentstiefe, Services oder Lifestyle-Relevanz haben und sich so an unterschiedliche Kundensegmente richten. Pieter Haas, stellvertretender CEO der Media-Saturn-Holding: „Wir wollen neben den Online-Aktivitäten von Media Markt und Saturn auch im Online-Pure-Play-Markt angreifen. Auf Basis der Einkaufskraft der Media-Saturn-Gruppe sowie der Redcoon-Logistik in Erfurt sehen wir große Wachstumschancen für Pure-Player wie Redcoon, aber auch für neue Online-Konzepte und Akquisitionen in diesem Bereich.“
Und wie gelingt die Abgrezung zu den Online-Aktivitäten von Media Markt und Saturn? Wenn Kunden einfach nur billig kaufen möchten, ohne zusätzliche Services, dann sind sie bei Redcoon wohl sehr gut aufgehoben. Die stationären Geschäfte indes bieten das große Drumherum, das Einkaufserlebnis mit Messe-Charakter. Eben mehr als nur einen reinen Kaufvorgang. Die Vorgaben sind klar, die Messlatte liegt hoch: Sowohl das Multichannel-Business als auch Online Pure Play sollen sich künftig kräftig weiterentwickeln und überproportional wachsen.
Bei so viel ehrgeizigen, längst überfälligen Plänen, vergisst man fast den Blick nach hinten: Media-Saturn erzielte im Geschäftsjahr 2013/14 einen Umsatz von 21 Mrd. € (2012/13: 21,1 Mrd. €). Im 4. Quartal 2013/14 erreichte das Unternehmen dabei eine deutliche Trendverbesserung beim flächenbereinigten Umsatzwachstum auf 1,8%. Eine Schubumkehr? Der Umsatz stieg jedenfalls sowohl in Deutschland als auch im internationalen Geschäft merklich. Neben einer erfolgreichen Entwicklung im stationären Geschäft hat auch der gestiegene Mehrkanal-Umsatz des Unternehmens dazu beigetragen. Nicht zuletzt durch erfolgreiche Marketingkampagnen gelang es, im Heimatmarkt Deutschland einen flächenbereinigten Umsatzzuwachs von 1,4% zu erzielen. So zeigen die Reformschritte Richtung Multichannel schnell den ersten Erfolg.
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