Es gab mal eine Zeit, weit vor dem Jahr 2009, da hatte Saeco einen Ruf wie ein Donnerhall. 1985 präsentierten die Italiener nach eigenen Angaben die erste vollautomatische Espressomaschine der Welt. Eine Revulotion für die heimischen vier Wände. Nach und nach eroberte das Coffee-Feeling mit Vollautomaten – marketingtechnisch aufgeladen mit reichlich „dolce vita“ und „ars vivendi“ – auch den deutschen Markt. Wir wurden zum Land der Milchschaumschlürfer. Saeco schwamm auf der Welle des Erfolgs ganz oben mit – und wurde irgendwann von dieser Welle verschluckt. Mutige Design-Entwürfe wechselten mit Modellen in der „Plastik-Klasse“ im Preiseinstieg ab, die Rücklaufquote fehlerhafter Geräte erreichte schwindelerregende Höhen – und trieb die Käufer zu den Mitbewerbern.
2009 kam Saeco, gerade noch rechtzeitig, dann unter das Dach von Philips. Und es wurde ruhiger um die Marke. Erfolgreiche Konsolidierung mögen die Optimisten damals notiert haben. Was uns dann Jahr für Jahr besonders zu IFA-Tagen auffiel war, dass Saeco in der Philips-Halle fast gar nicht mehr auffiel. Die Massen kamen wegen Jürgen Klopp und Sylvie damals noch van der Vaart. Aber Kaffee? Wenn überhaupt, dann galt das PR-Feuerwerk der Marke Senseo.
Tempi passati. Schon im vergangenen Jahr löste Saeco mit der GranBaristo Avanti – ein Vollautomat mit App-Steuerung, die mehr sein will als ein technisches Spielzeug – erneut eine kleine Kaffee-Revolution aus. Denn: Die Einstellmöglicheiten der Edel-Maschine sind so vielfältig, dass sie auf einem farbigen Touchscreen leichter handlebar sind als über das Display und die Menüführung der Maschine selbst.
In diesem Frühjahr ging Philips auf die Straße und zauberte anlässlich einer Roadshow in fünf deutschen Großstädten nicht nur neue Vollautomaten aus dem Hut, sondern verpasste der Vollautomaten-Sparte eine Zwei-Marken-Strategie. In Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und München gab es nur Vollautomaten zu sehen und sonst nichts. Vorbei auch die Zeiten, in denen nicht nur wir Journalisten rätselten, ob die Vollautomaten nun den Markennamen Saeco-Philips oder Philips-Saeco hatten oder doch einfach nur Saeco. Jetzt gibt es Vollautomaten von Saeco UND Philips und die definierte Zielgruppe unterscheidet sich zumindest für die Vertriebs- und Marketingstrategen gewaltig.
Demnach bevorzugen High-End Kunden technisch innovative Modelle, die mit einer großen Auswahl an Kaffeespezialitäten überzeugen, exzellenten Geschmack bieten und das Thema Design in den Vordergrund stellen. Diese Kunden finden ab sofort bei Saeco ihren Barista für Zuhause. Die eher funktionale Zielgruppe legt indes besonderen Wert auf einfache Bedienbarkeit, Reinigung, ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis und darüber hinaus ein aromatisches Geschmackserlebnis.
Doch man ahnt: So einfach lassen sich die Kaffee-Welten nicht voneinander trennen, denn an einem exzellenten wie aromatischen Geschmackserlebnis dürften beide Zielgruppen – die, die „nur“ einen halben Tausender hinblättern genauso wie die, für die der Vollautomat auch einen vierstelligen Preis haben darf – interessiert sein. Und eine einfache Bedienbarkeit dürfte ebenso der Wunsch aller sein.
Wie auch immer, Philips stärkt damit zum einen den Premium Bereich, unter dem alle Saeco Modelle zusammengefasst werden: Saeco verfügt über höchste Markenbekanntheit und plant, mittelfristig weitere Modelle (Incanto) im High-End Premium-Bereich einzuführen. Die Geräte im Einsteiger- und Mid-End-Bereich werden künftig unter dem Markennamen Philips vertrieben. Während die Vollautomaten von Saeco auch weiterhin überwiegend in Gaggio Montano hergestellt werden, kommen die Philips-Vollautomaten-Serien 2000, 3000 und 4000 aus rumänischer Produktion.
Mit der 4000er Serie brachte Philips bereits im April Vollautomaten auf den Markt, der nicht weniger als „eine neue Ära der Kaffeezubereitung einläuten“ sollen. Sie bereiten sowohl Espresso, Cappuccino & Co. als auch klassischen Kaffee zu – alles aus frisch gemahlenen Bohnen. Der Clou hierbei: Die Modelle verfügen über einen so genannten „CoffeeSwitch“. Dieser Hebel befindet sich an der Frontseite der kompakten Maschinen. Wer nun klassischen Kaffee möchte, stellt ihn nach oben, wer einen Espresso präferiert, nach unten. Die Software der Maschine erkennt die Position automatisch und bietet dann die entsprechenden Spezialitäten auf Knopfdruck. Die Serie umfasst drei Modelle, die je nach Passion des Anwenders über unterschiedliche Milchschaum-Zubereitungsarten verfügen:eben klassischer, manueller Milchaufschäumer Panarello, automatischer Milchaufschäumer Cappuccinatore oder Karaffe mit zwei unabhängig voneinander arbeitenden Kammern, die die Milch zweimal aufschäumen, eine vollintegrierte Lösung.
„Wir wissen, dass sich viele Konsumenten einen Vollautomaten wünschen, der neben Espresso, Cappuccino und Co. auch einen klassischen Kaffee zubereiten kann“, erklärt Florian Schumann, Senior Marketing Manager Full Auto & Manual Espresso D/A/CH. Das ist also wirklich mal etwas Neues auf dem Markt, geschmacklich auf der Höhe und mit den bestehenden Technologien der Mitbewerber kaum zu vergleichen.
„Mit der Neuausrichtung unserer Markenstrategie bieten wir dem Handel einen echten Mehrwert“, erklärt uns Jeannine Kritsch, PR Manager Consumer Lifestyle bei Philips. Denn: „Durch die Erweiterung der Modellpalette können neue Zielgruppen erschlossen und somit mehr Umsatz generiert werden. Der Fachhandel ist dabei für uns ganz klar der Premium-Kanal. Hier finden die Kunden die kompetenteste Beratung und den besten Service. Wir unterstützen unsere Handelspartner durch ein neues Fachberatungs-Konzept, Schulungen, umfangreiche POS-Materialien sowie einen After-Sales-Service.“ Das wird auch bitter nötig sein, denn der Fachhandel wurde von Philips, wie man uns in Düsseldorf zähneknirschend einräumt, vernachlässigt. „Die Vollautomaten sind unser Sorgenkind“, erklärt Kritsch im Gespräch mit infoboard.de am Roadshow-Standort Düsseldorf. Sicher ist: Philips nimmt aktuell jede Menge Know-how, eine Modell-Offensive und reichlich Geld in die Hand, um am stetig wachsenden Markt für Kaffeevollautomaten doch noch nachhaltig zu partizipieren. Branchen-Kenner sagen, es wäre die letzte Chance für das Vollautomaten-Geschäft im Unternehmen.
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