Im Grundsatz begrüßen alle, Handel wie Hersteller, das am 23. April auf EU-Ebene beschlossene „Recht auf Reparatur“ als eine Möglichkeit zur Verringerung von Abfall und zur Verlängerung der Lebensdauer von Produkten. Die Umsetzung muss jetzt binnen zwei Jahren in nationales Recht unter Federführung des Justizministeriums gegossen werden. Handel und Industrie sehen hier Schwierigkeiten, Fallstricke und Klippen vielfältiger Art bei der Umsetzung.
Denn dass, was in Straßburg, Brüssel und Berlin an den Schreibtischen erdacht wird, erinnert infoboard.de an eine Bullerbü-Politik, die stellenweise fassungslos macht, zugespitzt in einem Statement von Elke Salzmann aus dem Referat Ressourcenschutz der Verbraucherzentrale Bundesverband, anlässlich des Branchendialoges Industrie und Handel von BVT und ZVEI vorvergangene Woche in Berlin: „Die Verbraucher könnten öfter zum Schraubenzieher greifen.“ Da möchte man ihr, mit Blick auf die Reparatur von Kaffee-Vollautomat oder einer Waschmaschine nur „viel Glück“ zurufen sowie ein „Passen Sie dabei auf sich auf“.
Während Joachim Dünkelmann (stellv. Geschäftsführer des BVT) ob seiner gebotenen Neutralität als Moderator auf dem Podium sichtlich um Fassung rang, gab es im Plenum ungläubiges Kopfschütteln – im direkten wie übertragenen Sinne. Das muss man den Machern des Branchendialoges Industrie und Handel unter dem Motto „Reparieren statt Wegwerfen? Chancen und Herausforderungen“ lassen: Das Thema wie das Timing am Tag der Beschlussfassung auf EU-Ebene war perfekt.
Und auch die Vorahnung, die Frank Schipper, Vorstandsvorsitzender des Handelsverbandes Technik, bei der Begrüßung der hochkarätigen Gäste – gekommen war die oberste Führungsebene aus den Verbundgruppen wie aus der Industrie – hatte, war beinahe eine Vorwegnahme der nachfolgenden gut 90 Minuten. Schipper: „Das Recht auf Reparatur wird kein Selbstläufer. Es gibt da aktuell mehr Fragen als Antworten. Die Praxis muss zeigen, ob das politische Ziel mit dieser Richtlinie erreicht werden kann.“
Wer macht es? Wer bezahlt es?
Fragen, die sich nicht nur Schipper stellte: „Wer macht es? Wer bezahlt es? Und wie kann man Konsumenten dazu bewegen, diesen ökologisch richtigen Weg zu gehen, wenn der Ersatzkauf billiger ist als die Reparatur oder es sich für den Handwerker ökonomisch einfach nicht lohnt. Nachhaltigkeit als Argument wird alleine nicht reichen“, so Schipper.
Wirklich überzeugende Antworten konnten weder der SPD-Europa-Abgeordnete Rene Repasi, der zugleich Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments zum Recht auf Reparatur ist, noch die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner von Bündnis 90/Die Grünen und Jakob Gross aus dem Bundesumweltministerium (Referat Nachhaltiger Konsum, Produktbezogener Umweltschutz) finden. Im Gegenteil: Die Podiums-Teilnehmer aus dem Handel wie aus der Industrie mahnten mehrfach einen „Realitäts-Check“ an. Denn: „Eine zuverlässige, sicherheitsrelevante Reparatur ist nichts für Hobbybastler“, brachte es Harald Friedrich, Leiter Vertrieb Ost- und Zentraleuropa bei der BSH, auf den Punkt.
Verbraucher, die ihren kaputten Staubsauger oder den Kaffee-Vollautomaten reparieren lassen wollen, sollen das in Zukunft leichter bei unabhängigen Werkstätten oder in Reparatur-Cafés tun können. Die Hersteller müssen in Zukunft Ersatzteile und Anleitungen für die erwartete Lebensdauer des Produkts bereithalten. Eine europäische Reparaturplattform soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern zudem den schnellsten Weg zu Reparaturwerkstätten aufzeigen.
Die neuen Regeln sollen es auch Tüftlern und Bastlern leichter machen, selbst wieder ein Produkt zu reparieren. Das beginnt bereits bei der Entwicklung der Produkte. Hersteller werden verpflichtet, darauf zu achten, dass die Produkte reparaturfreundlich sind, also keine Hindernisse bei Soft- oder Hardware eingebaut sind, die es schwierig machen, die Geräte mit handelsüblichen Werkzeugen zu öffnen.
Reparaturwerkstatt ein Differenzierungsmerkmal
Wer am Ende die Kosten trägt, beschäftigte auch Benedict Kober, Vorstandssprecher Euronics Deutschland: „Reparieren muss wirtschaftlich abgebildet werden. Da sind noch viele Fragen offen.“ Gleichwohl: „Wir reparieren gerne. Das hat eine lange Tradition im Fachhandel“, so Kober, der auch darauf hinwies, dass eine Reparaturwerkstatt ein Differenzierungsmerkmal im Handel sei.
Klartext redete Manfred Schnabel, Geschäftsführer von expert Esch, insbesondere an die Adresse von Jacob Gross aus dem Bundesumweltministerium: „Die Reparaturkultur liegt uns in den Genen. Aber schauen Sie sich an, was die Lebenswirklichkeit bietet: Die Kosten für Ersatzteile, Kraftfahrzeuge und Personal steigen wie die Anforderungen an uns Händler immer mehr. Sich dann mit 15 Jahre alten Geräten zu beschäftigen, das ist unfinanzierbar. Wo sind da unsere Perspektiven?“
Gleichwohl unterstützen Industrie und Handel die Zielsetzung der europäischen Richtlinie zur Förderung der Reparatur von Waren. Gleichzeitig mahnte die Branche substanzielle Unterstützung bei der nationalen Rechtsumsetzung in Form von reichweitenstarken Kampagnen, wirkungsvoller Förderung und dem weitest möglichen Verzicht auf Bürokratie an.
„Die Zielsetzung, die Reparatur von elektrotechnischen Produkten zu fördern, damit die Nutzungsdauer von Geräten zu verlängern und so insgesamt zu einem nachhaltigeren Lebenszyklus der Produkte beizutragen, unterstützen wir voll und ganz”, unterstrich Dr. Reinhard Chr. Zinkann, Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Elektro-Haushalt-Großgeräte und Geschäftsführender Gesellschafter der Miele Group. Indes: „Wir brauchen für die Umsetzung qualifiziertes Fachpersonal. Und das kostet Geld!“
Bürokratische Hürden vermeiden
Zinkann weiter: „Nationale Maßnahmen zur Förderung der Reparaturkultur sind unerlässlich, wenn die Richtlinie die gewünschte Wirkung entfalten soll. Initiativen zur Aufklärung von Verbrauchern über den Stellenwert von Reparaturen im Rahmen der Kreislaufgesellschaft können wertvolle Impulse für mehr Reparaturen setzen.” Bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht gelte es, die europäische Harmonisierung nicht zu konterkarieren und Prozesse und Abläufe so einfach wie möglich zu halten. Zinkann mahnte: „Nationale Alleingänge belasten die Wirtschaftsabläufe und stehen dem freien Binnenmarkt entgegen. Bürokratische Hürden gilt es in jedem Fall zu vermeiden.”
Frank Schipper ließ keinen Zweifel daran, dass beim Recht auf Reparatur der Handel an der Seite seiner Kunden stehe und bereit sei, seinen Beitrag zu leisten. Schipper wörtlich: „Damit der Verbraucher die durch die Richtlinie entstehenden Kosten nicht allein schultern muss, halten wir im Interesse der Bürger eine staatliche Förderung der Reparatur, wie es sie in Teilen Europas bereits gibt, für unabdingbar.”
Mit der zu erwartenden Zunahme des Reparaturaufkommens werde der Fachkräftemangel noch deutlicher zutage treten. E-Handwerker seien im Rahmen der Energiewende heute gefragter denn je. Schipper: „Ausbildung zu fördern und gleichzeitig Dienstleistung bezahlbar zu halten, kann die Wirtschaft alleine nicht leisten. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, werden die erforderlichen Investitionen ausbleiben.” Hier ist laut den Verbänden die Politik gefordert, innerbetriebliche Ausbildung zu fördern und die Betriebe zu entlasten. Man ahnt, um mit Dr. Reinhard Zinnkann zu sprechen: „Das Thema ist noch lange nicht am Ende.“