Die Digitalisierung verändert den Handel – das ist bekannt. Doch die vermeintlichen Konsequenzen, die aus dieser Veränderung resultieren, werden häufig verkürzt und allgemeingültig dargestellt. Vielfach heißt es: „Der traditionelle Einzelhandel stirbt“ oder „Amazon verdrängt den Einzelhandel komplett“. Die Realität hingegen ist deutlich vielschichtiger. Aus Sicht des IFH, Köln, gibt es sechs große Herausforderungen mit gravierenden Auswirkungen. Hier die sechs Trends im Überblick:
- Handel agiert am Kunden vorbei!
Viele Maßnahmen des Handels kommen bei Kunden nicht an – beispielsweise wissen 20-25 Prozent der Kunden nicht, ob ein Online-Shop bzw. ein Geschäft von dem Händler existiert, bei dem sie gerade stationär bzw. online gekauft haben. - Das Ende der klassischen Customer Journey naht!
Einkaufsprozesse verändern sich dramatisch und neue Geschäftsmodelle unterbinden die klassische Customer Journey immer mehr. - Handel sucht Frequenz und bringt keine mehr!
Nur noch wenige Händler sind selbst Besuchermagneten – das Umfeld entscheidet. - Dynamik im Einzelhandel spaltet Stadt und Land!
Technologievorsprung und Konsumentenanforderungen führen nachfrageseitig zu einer Zweiklassengesellschaft zwischen Metropolen und ländlichen Regionen. - Hersteller und Marktplätze fordern etablierte Händler heraus!
Der Einzelhandel muss zunehmend um seinen exklusiven Kundenzugang fürchten. - Personal agiert als Sargnagel des Handels!
Investitionen in qualifiziertes Personal sind überlebensnotwendig, damit es gerade im digitalen Zeitalter der entscheidende Erfolgsfaktor sein kann.
Wie sieht also erfolgreicher Einzelhandel der Zukunft aus?
Welche Möglichkeiten hat der Einzelhandel, diesen Entwicklungen entgegenzusteuern und sich trotz multioptionalen Kundenverhaltens und veränderter Marktgegebenheiten erfolgreich für die Zukunft zu rüsten? Ganz klar: Er muss sich endlich aus seiner Komfortzone herausbewegen. Was bedeutet das konkret? Unser Trendüberblick liefert erste Anknüpfungspunkte.
- Echte Kundenzentrierung ist ein Schlüssel. Einzelhandel der Zukunft bedingt ein analysebasiertes Kundenverständnis und nachhaltige Kundenbindungssysteme. Daten richtig zu nutzen, ist die Schlüsselkompetenz. Auch Kernkompetenzen rund um Branding bleiben relevant: Erfolgreiche Handelskonzepte der Zukunft sind starke Marken mit Profil im kanalübergreifenden Wettbewerb.
- Das Bewegen heraus aus der Komfortzone bedeutet auch, Scheuklappen abzusetzen und traditionelle Gegebenheiten zu hinterfragen. Wir sind davon überzeugt, dass Kooperationen mit (anderen) Händlern, Lieferanten, Kommunen oder auch Werbevermarktern und der Immobilienwirtschaft für langfristige Wertschöpfung zukünftig fest zum Bild des Einzelhandels gehören müssen. Auch bestehende Standardaufgaben des stationären Handels gehören auf den Prüfstand – wer erfolgreich sein möchte, betreibt fortlaufend aktives Standortportfoliomanagement und erschließt sich neue Standortmöglichkeiten.
- Last but not least: Weiterführende Investitionen sind unabdingbar. Während aktuell vor allem Investitionen in neue Technologien im Vordergrund stehen, wird das Personal vielfach vernachlässigt. Ein „weiter wie bisher“ in Sachen Personal, wird die Kunden aber sicher nicht von kundenzentrierten stationären Einkaufserlebnissen überzeugen. Erfolgreicher Handel der Zukunft muss also bereit sein, in qualifiziertes, empathisches Personal zu investieren, um seinen stationären Wettbewerbsfaktor ausspielen zu können.
Autorin: Dr. Eva Stüber, IFH, Institut für Handelsforschung, Köln