Ich bin gleich mit dem Metermaß durchs Haus gelaufen: Klar, der Fernseher und der Kühlschrank sind zu groß, werden aber eh’ vom Händler meines Vertrauens mitgenommen und entsorgt, wenn es mal wieder an der Zeit für einen Geräte-Update ist. Und der Vollautomat? Auch deutlich mehr als 25 Zentimeter Kantenlänge, muss mein Händler, streng genommen, nicht zurücknehmen – es sei denn, ich kaufe den nächsten Genuss-Verstärker bei ihm.

 

Bei der Kapselmaschine von Nespresso werde ich mit dem Händler eine Milimeter-Diskussion führen müssen, während ich mein Smartphone, die elektrische Zahbürste und die TeaLounge von Teekanne mühelos beim nächsten Elektrohändler los werde – letztere aber wohl nur ohne den Auffangbehälter. Ach ja, der Haartrockner, für mich das klassische Kleingerät im häuslichen Alltag, hat auch deutlich mehr als 25 Zentimeter Kantenlänge. Und schon sind wir mittendrin im „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten“. Satte 173 PDF-Seiten umfasst der Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Hier gehts zum » PDF). Viel Sinnvolles steht da drin – das meiste aber ist in unserer Branche eh’ gelebte Praxis. Und jetzt steigert man einmal mehr den Bürokratie-Aufwand (zum » Infokasten: Noch mehr Bürokratie!).

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1. Längst gelebte Praxis

Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks:
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Worum geht es? Auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks hat das Bundeskabinett vergangenen Mittwoch neue Regelungen zur Rücknahme von Elektro- und Elektronik-Altgeräten beschlossen. Ziel der Novelle ist es, die Sammelmenge bei Elektro- und Elektronik-Altgeräten zu steigern, wertvolle Metalle (und Seltene Erden) aus den Altgeräten rückzugewinnen und für eine umweltgerechte Entsorgung der Reststoffe zu sorgen. Das vom Bundeskabinett beschlossene Elektro- und Elektronikgerätegesetz ist übrigens die Umsetzung entsprechender EU-Vorgaben in nationales Recht.

Nach dem neuen Elektrogesetz sind „große Vertreiber“ künftig verpflichtet, Elektro- und Elektronik-Altgeräte beim Neukauf eines gleichwertigen Geräts zurückzunehmen. Als „große Vertreiber“ gelten Geschäfte, die auf mehr als 400 Quadratmetern Verkaufsfläche Elektro- und Elektronikgeräte anbieten. Bei kleinen Geräten (keine Kantenlänge größer als 25 cm) müssen diese „großen Vertreiber“ die Altgeräte sogar ohne Kauf eines entsprechenden Neugeräts zurücknehmen. Mit dieser Regelung soll es für die Verbraucher künftig einfacher werden, Elektro- und Elektronik-Altgeräte zurückzugeben. Aber ganz ehrlich: Ich habe die Rückgabe bislang nie als ein Problem gesehen, hat immer bestens funktioniert. Aber das sieht man in Brüssel und Berlin offenbar anders.

Das neue Elektrogesetz soll eine qualitativ hochwertige Behandlung des Elektroschrotts stärken, die auf die Rückgewinnung ressourcenrelevanter Metalle ausgerichtet ist. Auch die illegale Verbringung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten ins Ausland soll mit dem neuen Gesetz eingedämmt werden. Zugegeben, nicht selten sieht man in den TV-Nachrichten alte Kühlschränke und Fernseher, die auf einer brennenden Müllhalde irgendwo in der „Dritten Welt“ vor sich hin dümpeln, weder fachgerecht entsorgt, noch receycelt.

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2. Im „Volk der Wertstoffhof-Fahrer“

Was sagt die Bundesumweltministerin Hendricks: “Mit dem neuen Gesetz sorgen wir dafür, dass in Zukunft noch weniger alte Geräte im Restmüll landen als bisher. Wir schaffen damit die Voraussetzung für ein hochwertiges Recycling und den Schutz wertvoller Ressourcen. Dabei bauen wir auf die bei uns eingeführten Sammelstrukturen auf, mit deren Hilfe Deutschland die europäischen Zielvorgaben jetzt schon deutlich übertrifft. Mit der Weiterentwicklung dieses Systems nutzen wir der Umwelt und den Verbrauchern.“ Klingt gut, aber kann die neue, nicht ganz unkomplizierte Regelung – denn nicht jedes Kleingerät (siehe Haartrockner, Kaffeemaschine & Co.) ist offenbar ein kleines Gerät – irgendetwas am bestehenden System, mit dem ja ja offensichtlich eh schon die Zielvorgaben deutlich übertrifft, verändern. Und: Sind wir nicht eh’ schon ein Volk der Mülltrenner und „Zum Wertstoffhof-Fahrer“?

So ist das, wenn Gesetze auf Wirklichkeit treffen: Ordere ich den Sperrmüll und stelle meine Hausgeräte abends mit an den Straßenrand, sind diese schon bei Einbruch der Dunkelheit auf einem Moped mit Anhänger verschwunden. Oder einer der Schrottsammler, die mit ihren betagten Transportern mehrfach die Woche unser Viertel scannen, freut sich über einen fetten Fang. Damit landen die Hausgeräte in der Schattenwirtschaft, und da gehören sie eigentlich nicht hin. Müssen sie auch nicht, denn schon heute nehmen nicht nur Media Markt, Saturn & Co. die Hausgeräte beim Gerätetausch mit. Und auch die kleineren Händler unter 400 Quadratmetern gehen in der Regel mit König Kunde keine Diskussion ein und nehmen das (große) Altgerät anstands- wie kostenlos mit.

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3. Tausche alt gegen neu

BVT-Geschäftsführer Willy Fischel

Und die Kleingeräte? Kaum vorstellbar, dass der Händler künftig das Maßband zückt. Im Gegenteil: Gewiefte Händler werden die neue Rücknahme-Verordnung verstärkt zur Kundenbindung nutzen: „Tausche alt gegen neu“, wird es heißen, oder: „Herzlich Willkommen bei den Umtauschwochen“. Wetten dass!? Ein Zusatzaufwand? Ja klar, aber vermutlich ein lukrativer.

Was sagen die, die sich mit ihrer Lobbyarbeit um das Wohl und Wehe des Handels kümmern? Die bestehenden Rücknahmesysteme seien ausreichend, die Neuregelung bringt keine Vorteile, sagt BVT-Geschäftsführer Willy Fischel. Und: „Die in Deutschland erreichte Rücknahmequote ist im europäischen Vergleich einmalig hoch. Bereits heute nehmen über 80 % der Handelsbetriebe Elektrogeräte freiwillig zurück. Keine EU-Richtlinie der Welt wird den Konsumenten davon überzeugen können, seinen alten Rasierapparat oder sein Smartphone zum Händler zu bringen.“

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4. Ab in die (Wertstoff)Tonne!

Wohl wahr. Denn diejenigen, die bisher zu beqeum waren, ihre Altgeräte zum Wertstoffhof ihrer Kommune zu transportieren, werden sicherlich auch künftig nicht in Scharen in die Elektronikmärkte düsen, um den ausrangierten Rasierer oder das alte Handy dort abzugeben. Es sei denn, man käme auf die Idee, einen Wertstoff-Pfand einzuführen. Noch einfacher: Ab mit den Elektro-Kleingeräten in die Wertstofftonne, deren Einführung ja eh’ in den Startlöchern steht. Damit würden die Sammel- und Verwertungsquoten deutlich steigen und vor allem die völlig unnötige Bürokratie im Handel vermieden.

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5. HDE: Rücknahme gehört zum Service

Die gleiche Tonlage trifft auch der Handelsverband Deutschland (HDE). Für den HDE ist die im Kabinett beschlossene Rücknahmepflicht für Elektroaltgeräte schlichtweg unnötig. „Schon jetzt funktioniert die freiwillige Rücknahme von Elektrogeräten im Einzelhandel hervorragend“, so HDE-Geschäftsführer Kai Falk. Neben den Wertstoffhöfen trügen Elektrofachmärkte, Baumärkte und Lebensmitteleinzelhandel dazu bei, dass die Kunden ihre Geräte fachgerecht entsorgen können. Das gehöre zum Service. Der HDE hat sich darüber hinaus für eine haushaltsnahe Entsorgung in die geplante Wertstofftonne eingesetzt. Das würde die Bereitschaft der Verbraucher zu einer umweltgerechten Entsorgung der Altgeräte deutlich erhöhen, so Falk.

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6. ZVEI: Eine Zersplitterung

Das bisherige Modell der Rücknahme von Elektro- und Elektronik-Altgeräten in Deutschland ist aus Sicht der Branchenverbände Bitkom und ZVEI ein großer Erfolg. Sie begrüßen den vom Kabinett verabschiedeten Entwurf der Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes grundsätzlich, sehen aber auch Nachbesserungsbedarf. „Anstatt die Verantwortung für die Altgeräte-Rücknahme auf Kommunen und Hersteller zu fokussieren, setzt der Gesetzesentwurf auf eine möglichst große Vielfalt von Akteuren“, heisst es in einer Stellungnahme. Die vermeintlich bürgerfreundlichere Rücknahme durch den Handel würde aber nach Einschätzung der Hersteller nicht zu einer Steigerung der Sammelmenge, sondern lediglich zu einer weiteren Zersplitterung der Rücknahmewege führen. Und: „Eine kleinteiligere Transportkette mit geringen Mengen wirke sich außerdem negativ auf die CO2-Bilanz aus.“

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7. Händler sind keine Entsorgungsunternehmen!

Und der Online-Handel? Während der HDE die Einbeziehung des Online-Handels wichtig für einen fairen Wettbewerb unter den Händlern hält, kommt vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) deutliche Kritik. Aus Sicht des bevh hat die Rücknahmeverpflichtung das Potential, die Wettbewerbsfähigkeit des E-Commerce- und Versandhandelsstandortes Deutschland zu schwächen, ohne der Umwelt und Verbrauchern zu nützen. Dem Handel wird nach Ansicht des bevh eine Pflicht aufgebürdet, die mit seinem Kerngeschäft nichts zu tun hat. „Die zu erwartenden Rücknahmequoten auf dem Postweg stehen mit dem Aufwand zur Einrichtung eines solchen Systems völlig außer Verhältnis. Händler sind keine Entsorgungsunternehmen“, kommentiert Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh, den Kabinettsentwurf. Und: „Der Gesetzgeber muss endlich aufhören, die E-Commerce-Branche über immer neue völlig systemwidrige Verpflichtungen einzuschränken.“

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8. Viel Getöse um nichts

Alles in allem: Viel Getöse um nichts. Noch mehr Bürokratie, obwohl sich die gängige Alltagspraxis längst bewährt hat. Und wir gehen jede Wette ein, das sich auch der Händler mit weniger als 400 Quadratmetern Fläche der Entsorgung der Altgeräte annehmen wird. Denn letzlich ist die Gesetzesnovelle zur Rücknahme von Elektro-Altgeräten auch ein kleines Kundenbindungs- wie Kundengewinnungsprogramm. Wer online bestellt, wird vorher keine Päckchen packen. Dann lieber gleich zum stationären Fachhändler!

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Noch mehr Bürokratie

Die Richtlinie, die in Deutschland durch eine Novellierung des Elektrogesetzes umgesetzt wird, sieht eine Rücknahmepflicht sowie Meldepflichten für Einzelhändler vor. Geschäfte mit einer Elektrogeräte-Verkaufsfläche von über 400 qm bzw. Versender über 400 qm Lagerfläche sollen beim Kauf eines Neugeräts ein vergleichbares Altgerät kostenlos vom Kunden zurücknehmen. Für Elektro-Kleingeräte mit maximalen Kantenlängen von 25 Zentimetern soll die Rücknahmepflicht auch ohne Neukauf gelten (nur in „haushaltsüblichen“ Mengen). Für Geschäfte mit weniger als 400 qm Verkaufsfläche mit Elektrogeräten bzw. Versender bis 400 qm Lagerfläche bleibt die Rücknahme freiwillig.

Matthias M. Machan

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