Zweite Woche im „Shut-down“ des Handels. Vieles bleibt widersprüchlich, beispielsweise warum Blumenläden mal geöffnet sein dürfen, dann wieder nicht, während der Elektrohandel, der sich um nichts weniger als um die technische Grundversorgung der Nation im Home-Office kümmert, von Service- und Abholtheken nur am Hinter- und Lieferanteneingang operieren darf.
Aber wehe, es kommt zur Herausgabe von Wechselgeld: Dann schreitet mitunter das Ordnungsamt ein, während das gleiche Procedere beim Bäcker nebenan gängige, nicht beanstandete Praxis ist. Neuland für alle eben, ohne Blaupause.
Der Elektrohandel zeigt inzwischen eine Trotzreaktion, ist von der Schockstarre dazu übergewechselt, das Momentum irgendwie für sich zu nutzen: „Wir leben noch, wir lassen unsere Kunden nicht im Stich!“, ist mittlerweile tausendfach an Schaufensterscheiben plakatiert.
Möglich ist dies neben der gelebten Rolle als Unternehmer, der um den Fortbestand der Existenz kämpft, dabei das Wohl und Wehe seiner Mitarbeiter nicht aus den Augen verliert, auch durch die Arbeit der Verbundgruppen, die durch die Bank einen guten Job zu machen scheinen, mitunter gar Außergewöhnliches leisten.
Chancen für serviceorientierten Handel ^
Kaum einer hat dies besser auf den Punkt gebracht, als EP:-Händler Frank Hönig (Erftstadt): „Die Zeiten sind schwierig, aber sie bergen auch Chancen für den serviceorientierten Fachhandel. Nie zuvor wurde den Kunden so deutlich vor Augen geführt, was wir ihnen zu bieten haben. Jetzt ist die Zeit zu zeigen, dass wir für unsere Kunden da sind, dass wir der local hero sind“, schrieb Hönig am vergangenen Wochenende in einem offenen Brief an ElectronicPartner-Vorstand Friedrich Sobol.
Und weiter: „Unabdingbar sind in diesen Zeiten starke Partner, mit denen man gemeinsam Wege durch die Krise finden kann. Die letzten Tage und Wochen haben uns gezeigt: Diesen Partner haben wir in ElectronicPartner gefunden.“
Natürlich gibt es auch bei Hönig Umsatzeinbrüche und natürlich signalisieren bei einem infoboard.de-Rundruf in der Branche fast alle, dass sie nicht das Copyright auf ihren augenblicklichen Aktionen reklamieren und auch sicher nicht alles richtigmachen, dafür sei die Situation zu kritisch.
„Hamster“ brauchen Kühl- & Gefrierschränke ^
Walgenbach-Geschäftsführer Elmar Fedderke verzeichnet im Bereich der Elektrogroßgeräte einen latenten Ersatzbedarf sowie eine extrem hohe Nachfrage nach Kühl- und Gefriergeräte. Auf den Punkt gebracht: „Die ganzen Hamsterkäufe müssen ja auch frisch gehalten werden.“
Für Walgenbach war von Beginn des „Shut-downs“ an entscheidend, dass man den Kunden sofort signalisierte: „Wir sind da, wir machen weiter, ihr könnt Euch auf uns verlassen. Damit wollten wir nicht die Situation bagatellisieren, sondern verhindern, dass unsere Kunden in eine Schockstarre mit Kaufzurückhaltung verfallen.“
Feddderke spürt eine ausgeprägte, gelebte Solidarität der Kunden für Walgenbach wie die lokalen Kollegen: „Die Erkenntnis, wenn die nicht mehr da sind, das wäre schon schlecht, wächst spürbar.“ Ob das gefühlte Bekenntnis der Kunden zum lokalen Handel eine Tatsache ist, sich also auch in relativen Umsatzanteilen auswirken wird und nicht nur „intensivierte Gefühle“ aufgrund der Krise darstellen, werde die Zukunft zeigen.
Motivation zu mehr Abschlussfreude ^
Denn auch das ist wahr: „Natürlich gibt es auch jetzt Kunden, die unsere starke Beratungsorientierung falsch interpretieren und sich erst einmal ganz in Ruhe beraten lassen, um dann stundenlang im Internet zu recherchieren, schließlich das Angebot ändern lassen und noch mal überlegen.“ Für diese Fälle entwickelt Walgenbach aktuell einen Argumentationsleitfaden, um die Kunden zu mehr Abschlussfreude zu motivieren.
Hilfestellung bekommt Walgenbach aus allen Richtungen: „Unsere Einkaufskooperation (Anm. d. Redaktion: EK/servicegroup) nimmt jeden Hebel in die Hand, um die Situation erträglicher zu machen“, so Fedderke, der auch die „sehr aktive und gute Werbegemeinschaft vor Ort“ als wichtigen Pluspunkt in der aktuellen Situation sieht.
Und die Mitarbeiter? „Wir stehen in einem permanenten Abwägen zwischen gesundheitlichen Risiko und geschäftlichem Fiasko. Wir besuchen jeden Tag alle drei Standorte, sind ständig im Austausch mit der Mannschaft vor Ort. Mit einem persönlichen Brief haben wir uns an alle Mitarbeiter gewandt, uns für das Engagement bedankt und Mut zugesprochen für den Blick nach vorne.“
Liquiditätsbelastung der Händler entspannen ^
Fedderkes Wunsch an die Industriepartner: „Wer jetzt nichts tut, plant wohl die Zukunft ohne den stationären Handel. Auf der Hand liegen Hilfestellungen, die die Liquiditätsbelastung der Händler entspannt – und die sind bei den Industriepartnern am sinnvollsten und effektivsten einzusetzen.“
Längere Zahlungsziele bei den Industriepartnern und eine Chancengleichheit mit den Online-Anbietern in der Belieferung für alle Händler, die für ihre Kunden erreichbar sind und Multichannel anbieten, wünscht sich auch Dirk Wittmer, Geschäftsführer Euronics XXL Johann & Wittmer in Ratingen. Bereits am ersten Tag des „Shut-downs“ zeigte Wittmer, dessen Werkstatt wie der DHL-Paketshop weiterhin geöffnet sind, sprichwörtlich Flagge. Seine Botschaft auf allen Social-Media-Kanälen, auf der Website, in der Lokalpresse wie auf großflächigen Plakaten an den Zäunen: „Wir sind auf allen Kanälen für Sie da!“
In reduzierten Teams ist Euronics XXL Johann+Wittmer in den Bereichen Verkauf und Beratung via Telefon, WhatsApp, E-Mail oder Videochats für die Kunden zwischen 8.30 und 20 Uhr zu erreichen. Lieferungen an die Kunden sind ab 9,99 EUR im Umkreis von bis zu 30 Kilometern kostenlos. Wittmer: „Unsere Kunden finden es prima, dass wir mit unseren Reparaturen und Installationen für ihre Bedürfnisse da sind. Unsere Mitarbeiter ziehen super mit.“ Persönliche Gespräche, kostenloses Obst, Kaffee und Tee während der Arbeit, flexible Arbeitszeiten sowie kostenloses Desinfektionsmittel in der Firma wie für Zuhause sind ein „Danke schön“ an die Mitarbeiter.
Unterstützt uns mit allen Mitteln ^
„Lasst uns und viele andere kleine Einzelhändler nicht hängen, unterstützt uns mit allen Mitteln, denn sonst sehen unsere Innenstädte nach der Krise genauso aus wie jetzt in der Krise“, ist der Appell von Joachim Malz, electroplus Malz, an Politik und Verwaltung. Genauso eindringlich sind seine Worte an die Industrie: „Ohne uns Fachhändler würdet Ihr Eure Geräte nicht mehr so gut verkaufen. Unterstützt uns jetzt mit Valuta und Vorteilen gegenüber dem Internet – dann können wir auch in Zukunft unseren Kunden die tollen Innovationen vermitteln.“ Malz führt sechs electroplus/küchenplus-Markenstores in Ostwestfalen/Lippe (zwei in Bielefeld sowie in Herford, Detmold, Lemgo und Bad Salzuflen).
Von der Industrie eher enttäuscht ^
Wie alle Befragten kommt auch von Malz ein großes Lob an seine Kooperation: „Die beste Unterstützung in dieser Krise, erhalten wir von der EK/servicegroup und von unserer Steuer- und Unternehmensberatung, der WSG. Ohne diese beiden tollen Partner, die im Hintergrund sehr viel für uns getan haben, wäre die letzte Zeit wesentlich schwieriger für uns gewesen.“ Von der Industrie indes ist Malz, was die Unterstützung angeht, „eher enttäuscht. Wobei ich natürlich nicht beurteilen kann, welchen Spielraum die Hersteller in so einer Krise haben.“
Kunden dankbar wie nie ^
Die Kunden indes seien so dankbar wie nie. Man hatte mit der Grundeinstellung „Wir sind für Sie da“ schon die letzten 29 Jahre sehr viel Erfolg. In den Zeiten von Corona würden die Menschen noch mehr Wert auf Hilfe legen. Malz zu infoboard.de: „Wir stellen bei uns nicht den Profit in den Vordergrund, sondern die Zufriedenheit des Kunden. Da wird sich vermutlich jeder Kaufmann die Haare raufen, aber ich bin im tiefsten Herzen immer noch ein Handwerker und habe mit meinen Grundsätzen trotzdem Erfolg.“
Die Mischung macht‘s ^
Auf allen Kanälen auf sich aufmerksam macht auch Jochen Helfrich, Inhaber von EP: Electro Helfrich in Viernheim. Neben seiner Website, Facebook, Instagram, Lokalpresse und Schaufenster-Gestaltung fiel uns ein E-Plakat mit aktueller Werbung im örtlichen Edeka-Markt auf. Was genau davon nun am besten funktioniert? „Schwer zu sagen, ich denke die Mischung macht’s“, so Helfrich.
Unterstützung bekommt Helfrich von allen Seiten: von seiner Kooperation, der Innung, der IHK, von den Banken und seinem Steuerberater. Was sie eint: „Alle gaben uns zeitnah alle Informationen und Möglichkeiten, um die Krise zu bewältigen.“ Besonders hervorheben möchte Helfrich aber seine Mitarbeiter: „Alle stehen uns gerade in dieser, auch für sie persönlich bedrohlichen Lage zur Seite und geben ihr Bestes.“
Helfrichs Blick nach vorne: „Wenn wir gemeinsam gut durch die Krise kommen, werden wir die steuerfreie Bonuszahlung auf jeden Fall in Betracht ziehen. Und wenn es uns möglich ist, dann werden wir auch selbst etwas dazu tun, um unseren Mitarbeitern für ihren Einsatz zu danken.“