Lieferkettenproblematik, Ebbe bei Einbaukühlschränken und nicht nur durch Corona bedingter Personalmangel: Über kaum etwas diskutiert die Branche seit Monaten lebhafter. Für infoboard.de war das alles bislang dennoch ziemlich abstrakt, bis sich Chefredakteur Matthias M. Machan auf den Weg in den Sommerurlaub machte.
Alles richtig gemacht! Der 18. Juli wurde vielerorts einer der heißesten, wenn nicht der heißeste Tag des Jahres. Einen besseren Zeitpunkt zum Start in den Sommerurlaub kann es also gar nicht geben. Staufrei binnen fünf Stunden aus dem Rheinland bis kurz vor die dänische Grenze, dann scharf links ab Richtung Westen bis zum Sylt Shuttle, der die Reisenden binnen einer Dreiviertelstunde vom Festland auf die Goldstaubinsel bringt. Herrlich! Ab in die Sommerfrische. Ans kühlende Meer!
Mittags Ankunft auf Sylt bei perfekten Bedingungen: 26 Grad, windstill. Das Problem: Es beschreibt das Klima im Kühlschrank. 26 Grad draußen am Meer sind perfekt, für ein Kühlschrank-Inneres indes locker 20 Grad zu warm. Und das, wo die Kühl-Akkus der Reise-Kühltasche (u.a. trockener Pfälzer Riesling, frische Erdbeeren) auch so langsam an das Leistungsende kommen.
Im Kühlschrank so warm wie draußen
Kein Problem, nach einem Neustart wird es schon klappen. Klappt es aber nicht. Und als hätte sich der Kühlschrank dem aktuellen Wettergeschehen angepasst, zeigen Terrassentemperatur wie Kühlschrank-Innenraum exakt 28 Grad an. Also Anruf bei der Ferienhaus-Vermieterin im Rheinland. Ihr Rat: Gerät einfach mal für 24 Stunden ausschalten (es lief zuvor Monate praktisch ungenutzt durch). Schon mal bilde sich verstecktes Eis, das eine Ursache sein könnte.
Erfüllender indes war der Hinweis auf einen zweiten Kühlschrank, der im Gartenhaus seinen Dienst tut. Den Schlüssel zum „Holzschuppen“ fanden wir in einem Versteck. Hinter der Tür indes begann unser Urlaub: Eine freistehende Kühl-Gefrierkombi eines Anbieters, den wir bislang als gute B-Marke wahrgenommen hatten, für uns aber binnen weniger Augenblicke zur Premium-Marke aufstieg, die ein kulinarisches Arkadien versprach. Vorausgesetzt der Schlüssel zum Schuppen tut auch am zweiten Urlaubstag seinen Dienst. Tat er natürlich nicht.
Die Hitze hatte den Türrahmen verzogen, die taufrischen Viktualien (Sylter Milch, Sylter Käse, Sylter Lammbratwürstchen und Sylter Erdbeeren) blieben für ein paar Stunden unerreichbar. Irgendwann, irgendwie ging die Schuppentür dann doch auf. Wir haben sie bis zur Abreise nicht mehr geschlossen …
Etwas Optimismus, viel Naivität
Nichtsdestotrotz wollten wir uns das ständige hin und her, insbesondere beim Kochen, sparen. Eine Lösung für den Sommer-Kühlschrank musste her. Anruf bei einem Elektrotechniker mit Gerätekundendienst, immerhin Miele Premium Partner. Da bekommen wir bestimmt auch für unser Premium Modell eines Mitbewerbers Hilfe. Eine freundliche Bandansage fordert uns auf, eine Email an info@… zu senden. Ausgerechnet eine info-Adresse – die öffnen alle und keiner. Also rein ins Auto, hin zum Betrieb. Immerhin hatte die Dame am Empfang die Mail schon gelesen. „Vor Ihnen warten noch über 30 weitere Aufträge. Ich kann Ihnen nicht einmal ansatzweise sagen, wann Sie an die Reihe kommen.“ Zwei Sätze reichten, um meinen anfänglichen Optimismus – oder war es Naivität? – zu verjagen.
Immerhin bekamen wir noch den Rat, es mal in einem Super- oder Baumarkt mit einem Billig-Kühlgerät zu versuchen. Und wir bekamen die Adresse eines weiteren Betriebs nur zwei Straßen weiter. Der Fuhrpark des Händlers stattlich, die zahlreichen telering-Aufkleber und Poster wähnten mich am Ziel meiner Wünsche. Ein „Technik-Profi“ – dem aktuell leider durch Corona & Co. so viele Mitarbeiter abhanden gekommen sind, das der Reparatur-Auftrag erst gar nicht angenommen wurde …
Arbeitskräfte verzweifelt gesucht …
Es fehlt, nicht nur auf Sylt, Personal an allen Enden: beim Bäcker, der personalbedingt um 13 Uhr schließt oder zwei Ruhetage in der Hauptsaison einlegen muss, oder sonntags geschlossen bleibt, in der Gastronomie, der Hotellerie, in den Branchen des Handwerks, an den Flughäfen. Überall fehlen Arbeitskräfte. 1,74 Mio. unbesetzte Stellen ergab eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu Jahresbeginn. Der höchste Wert seit Erhebung der Daten im Jahr 1989.
Zwischenzeitlich hatte die Ferienhaus-Vermieterin mit dem Kundendienst des Premium-Anbieters Kontakt aufgenommen. Endlich, nach einer geschlagenen Woche, kam ein Insel-Techniker vorbei. Premium-Service für Premium Geräte buchstabieren wir und unsere Vermieter anders.
„So wie sie das schildern, ist das Gerät defekt“, sagte der Techniker. Aha, da sind wir schon einmal zu zweit mit gleicher Meinung. Aber für diesen Larifari-Befund eine Woche warten und 90 Euro bezahlen? Einige Messungen und 30 Minuten später wird dieser Befund nochmals bestätigt. Kühlmittelverlust an einer Stelle, die wohl nicht zu reparieren ist.
Neugerät: Nicht vor 2023
Das Ableben des Kühlschranks bestätigt dann auch das Büro des Elektrotechnikers. Man habe sich schon mal nach einem Ersatzgerät umgeschaut. Mit einer Lieferung sei nicht vor 2023 zu rechnen. Man fragt sich, wie das in den Tausenden der Apartments auf Sylt bei vergleichbaren Problemen gehandelt wird.
Egal, am ersten Abend der zweiten Woche kommt – zusammen mit dem Vermieter-Ehepaar – Kühlschrank Nummer drei. Eine ältere Kühl-Gefrierkombi, im Passat-Kombi mit auf die Insel gebracht. Millimeter-Arbeit ohne weiteren Platz für einen Koffer oder Ähnliches. Aber eine wunderbare Interims-Lösung. Chapeau für das Engagement!
Dennoch, eine neue Einbau-Kühl-Gefrier-Kombi muss her, nach unserem Mitzählen dann Gerät Nummer vier. Das kommt dann auch in Woche drei des Urlaubs, mangels „experten“ oder Euronicern auf der Insel wie von so vielen bestellt bei otto.de, geliefert von Hermes. Das neue Problem: Das Gerät passt (natürlich) in die Nische, ist aber eben nicht kompatibel zu den Griffen der Front. Abhilfe kann da nur ein Schreiner leisten.
Drei Wochen, vier Kühlschränke. Merke: Alle Beteiligten waren freundlich und sehr bemüht. Kaputt gehen darf aber auf der Insel der Schönen und Reichen, die sich so gerne weit- und weltläufig gibt, nichts. Hier zählt nur Neuware. Gilt übrigens auch für Autos, die der ADAC dann zur Reparatur aufs Festland bringt, oder auch Fahrräder – weil man eben niemanden in der Hauptsaison findet, der die Dinge repariert.
Finale: Wir waren bis zur Abreise keinen Tag ohne Kühlschrank, hatten zeitweilig sogar vier davon: den Defekten in der Küche, ein Ersatzgerät im Gartenschuppen, eine Interimslösung, die die Vermieter mitgebracht haben sowie ein Neugerät, dass bis zur Abreise nicht installiert werden konnte.
Nachtrag: Einen Tag nach unserer Abreise kam ein Handwerker und baute die neue Kühl-Gefrier-Kombi fachgerecht ein. Von der Qualität werden wir uns dann im Sommer 2023 überzeugen.