Und das nicht irgendwo versteckt im Wirtschaftteil, sondern plakativ als Aufmacher auf Seite 1: „Geräte-Tests schönen Stromverbrauch“, heißt es da und der Wirtschaftsteil auf Seite 17 wird prominent mit der Schlagzeile „Fehler im System“ aufgemacht. Bei näherem Hinsehen indes entpuppt sich die Meldung als alter Hut und infoboard.de-Lesern wohl vertraut, zuletzt noch einmal durch die juristische Auseinandersetzung zwischen Dyson und der BSH. Das Top-Thema vom Mittwoch vergangener Woche also wohl eher kalter Kaffee, der heiß aufbereitet und serviert wurde.
Worum geht es? Egal ob Kühlschrank oder Geschirrspüler, viele Hausgeräte verbrauchen im Alltag daheim deutlich mehr an Strom, als es die Energielabels weißmachen. Liegt ja auch auf der Hand: Ein Kühlschrank im Labor hat wenig mit dem Frische-Center daheim zu tun, das insbesondere Richtung Wochenende vollbepackt mit Kühlgut ist, dessen Türen zur „prime time“ in der Küche mitunter im Minutentakt geöffnet werden, die zudem zu nahe an der Wand und unter dem Einfluß der Sommersonnenstrahlen stehen. Ähnlich ist die Alltagspraxis bei Geschirrspülern, die oft nur mit halber Beladung und im Automatik-Programm laufen.
Schuld an den „teils dramatischen Differenzen“ zwischen Labor und Wirklichkeit seien laut Süddeutscher Zeitung nicht eindeutige und technisch veralterte Tests, nach denen der Verbrauch der Geräte gemessen wird. Viele der Alltagssituationen sind nämlich in den Norm-Messungen, die die Basis für die Vergabe des EU-Energielabels sind, gar nicht vorgesehen. Die Folge laut SZ: „Je nach Gerät stieg der Verbrauch demnach häufig um 20 bis 30 Prozent, in einem Extremfall war es sogar mehr als doppelt so hoch.“ Beim Namen genannt wurden die schwarzen Schafe nicht.
Trotz signifikanter Unterschiede beim Stromverbrauch zwischen Anspruch und Wirklichkeit steckt hinter den meisten Fällen kein Betrug – gerne wird ja in diesem Zusammenhang auf Parallelen und Analogien zum VW-Abgasskandal gezielt -, sondern eher ein Fehler im System. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass eine amerikanische Studie im Herbst letzten Jahres zu dem Ergebnis kam, dass TV-Geräte im Alltag weit mehr Strom ziehen als im Labor. Schlimmer noch: Die Ergebnisse legten nahe, dass die Geräte die Tests erkennen und den Verbrauch unter Prüfungsbedingungen herunterregeln. Da stünde dann in der Tat VW als Ideeengeber Pate. Und das wäre dann ein echter Skandal.
Nicht erst seit dem Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen ist klar: Wer testet, muss auch mit den Täuschungsmanövern der Anbieter rechnen. Denn dafür steht zu viel auf dem Spiel: Gute TestErgebnisse sind für die Sieger auf dem Treppchen bares Geld wert. Sie bestimmen über das Wohl und Wehe von Produkten – und damit über Gewinne, Arbeitsplätze, ja mitunter sogar die Existenz eines Unternehmens. Menschlich, allzu menschlich, dass die Marketing- und Produktmanager viel dafür tun, ihre Waren durch Tests zu manövrieren. Für keine Rubrik flattern beispielsweise bei infoboard.de mehr Pressemeldungen ins Haus als für die Awards.
Volkswagen hat seine Autos mit Manipulations-Software bestückt, um die Abgasreinigung in Prüfsituationen zu verbessern. Kriminelle Energie ist die schmutzige Seite des Ringens von Industrie und Testern. Viele Methoden, die die wahre Qualität von Produkten verschleiern sollen, sind indes ganz legal. So dürfen Autohersteller den Benzinverbrauch nach einem eher wirklichkeitsfernen Verfahren messen.
Das wissen alle die, die den Spritdurst ihres Bolliden mit den Angaben in den Werbeanzeigen der Autofirmen vergleichen, längst. Und dass die Industrie Einfluss darauf nimmt, wie Prüfungen auszusehen haben, ist auch ein offenes Geheimnis – aber eben auch ein Teil des Problems: Die jeweiligen Grenzwerte werden zwar von der EU-Kommission vorgegeben. Die exakten Bedingungen für die Messung indes werden in einem komplexen Abstimmungsprozess zwischen Industrie, Behörden und Verbrauchervertretern mühsam ausgehandelt und in Normen definiert.
Ziel ist eben nicht – und das muss man ganz deutlich sagen – den Alltag des Verbrauchers möglichst haarklein nachzubilden, sondern vergleich- und wiederholbare Ergebnisse zu liefern. Das macht ja auch Sinn: Egal, wer nun gerade misst oder wo er gerade misst, es sollen für das gleiche Modell stets die gleichen Werte herauskommen. Und das geht nur in einer Situation unter Laborbedingungen.
Auch Stiftung Warentest (StiWa) kritisiert Vorgaben als „intransparent und wenig praxisnah“. Die StiWa kommt in ihren Tests von Kühlschränken, Backöfen und Waschmaschinen zu ähnlichen Ergebnissen wie die Umweltschutzverbände. Deshalb prüft sie bei ihren Tests seit jeher strenger als die Norm es verlangt.
Beispiel Kühlschränke: Die EU-Norm geht von einem leeren Kühlschrank aus. Unter realistischen Bedingungen, also inklusive Wochenendeinkauf, verbrauchen die Geräte im Mittel 16 % mehr als bei der Messung gemäß Norm. Bei einzelnen Kühlschränken liegt die Abweichung indes weit höher. Die Hersteller messen mit ihrem unberührten leeren Kühlschrank allerdings nicht falsch – sie halten sich eben nur an die komplett praxisferne Norm.
Oder bei Backöfen: Ob ein Ofen das Label A+ oder B erhält, richtet sich nach dem sparsamsten Programm des Geräts – bei manchen Herstellern ist das ein wenig genutztes Spezialprogramm. Ein Treppenwitz. In häufig genutzten Programmen mit Heißluft oder auch Ober- und Unterhitze liegt der Verbrauch im Test dann höher, bei manchen Modellen entspricht das sogar zwei Labelklassen.
Noch haarsträubender ist das Beispiel Waschmaschinen und Geschirrspüler: Hier berücksichtigt die EU-Norm nur den Eco-Modus. Die beliebten Kurzwaschprogramme bei Waschmaschinen oder Automatikprogramme bei Geschirrspülern benötigen hingegen wesentlich mehr Strom, oft liegt der Mehrverbrauch bei statten 50 %! Damit wir uns richtig verstehen: Die Hersteller halten sich an die EU-Norm – nur der Konsument nutzt die Geräte im Alltag in der Regel komplett anders. So gibt das Label lediglich einen ersten Anhaltspunkt, ob ein Gerät viel oder wenig Energie verbraucht. Wie viel genau das ist, hängt jedoch auch entscheidend von der Praxis in Küche und Waschküche ab.
Für reichlich Aufmerksamkeit sorgte zuletzt auch der Streit zwischen Dyson und der BSH in Sachen Prüfverfahren bei Staubsaugern. Das Energielabel für Staubsauger wurde im September 2013 europaweit eingeführt. Die von der Europäischen Kommission im Einklang mit einigen von großen Herstellern ausgearbeiteten Vorschriften legen fest, dass die Leistung von Staubsaugern leer und ohne Staub geprüft wird.
„Eine Prüfung der Leistung ohne Staub ist nicht repräsentativ und irreführend“, argumentiert Dyson. Im Gegensatz zu Zyklon-Staubsaugern würden Staubsauger mit Beuteln und Filtern beim Gebrauch mit Staub verstopfen. Verbraucher könnten unter diesen Umständen einen Staubsauger kaufen, der vorgeblich der A-Kategorie entspricht, dessen Leistung jedoch, wenn er sich mit Staub füllt, auf die D- oder E-Kategorie sinkt. Dyson argumentierte, dass, um die Erfahrung der Verbraucher im Alltag zu reflektieren, die Leistung unter realen Bedingungen gemessen werden muss – eben mit einem mit Staub gefüllten Staubsauger.
Schützenhilfe bekam die britische Technologieschmiede am 11. Mai vom Europäischen Gerichtshof. Dieser stellte klar, dass die Prüfung, soweit technisch möglich, „eine Berechnungsmethode zugrunde legen muss, die es ermöglicht, die Energieeffizienz von Staubsaugern unter möglichst realen Bedingungen zu messen, wobei der Staubbehälter der Staubsauger bis zu einem bestimmten Niveau gefüllt werden muss.“ Damit werden nach Einschätzung von Dyson die Prüfverfahren in Europa in Frage gestellt.
Gibt es generell Alternativen? Die Tests müssten, so die Forderung in der Studie mehrerer europäischer Umweltschutzorganisationen (Clasp, Ecos, EEB und Topten), „regelmäßig aktualisiert, alltagsnäher und durch Messungen außerhalb des Labors überprüft werden“. Wie auch immer, Ende 2019 wird die jüngst vom Europaparlament beschlossene Anpassung und Reskalierung des EU-Energielabels im Handel präsent sein und die Karten wie die Argumente neu mischen.
Es bleibt dann die Aufgabe des Händlers, seinen Kunden zu erklären, warum ein A+++-Musterschüler bei gleichen Werten plötzlich nur noch ein A oder gar nur B bekommt und aus einem A-Gerät ein D-Modell wird. Was grundsätzlich sehr sinnvoll ist, wird in der Übergangsphase für reichlich Gesprächs- und Aufklärungsbedarf sorgen.
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