Die moderne Küche ist weit weg von den gewachsenen Küchen unserer Eltern und Großeltern. Dort wurden Herd und Kühlschrank nebeneinander aufgestellt, die Spüle kam aus dem Baumarkt, eine alles verbindende Arbeitsplatte war nicht notwendig. Türen hatten handliche Griffe und zum Teil auch Schmuckleisten. Das liebenswerte Sammelsurium wurde noch vollendet durch einen Küchenschrank für Geschirr und Vorräte.
Danach kam die Einbauküche nach Frankfurter Art, mit ihrem Höhepunkt in Eiche brutal-rustikal. Auch wenn die Küche mit der Geräte und Schränkezeile in Hufeisenform noch so klein und eng war, dennoch versammelte sich alles in ihr, was zu Besuch kam.
Die moderne Küche ist schlicht. „Man ist weg vom Überladenden und weg vom Möbel mit viel Zierde. Moderne Küchenmöbel und Küchenelektrogeräte sind hoch funktional und schlicht. Ihr Aussehen ist auf das Wesentliche und Notwendige reduziert“, erläuterte jüngst Kirk Mangels, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK). Das sind sie schon länger, dafür muss man nicht ständig den Bauhaus-Charakter aus den 20er Jahren ins Gespräch bringen. Es sei denn, das Bauhaus-Gerede dient dazu, ein elitäres Image zu unterstützen. Die Küchengeräte sind zwar funktional, doch hie und da schleichen sich doch schon mal verspielte Schwünge ein – um zum Beispiel den Griff zu betonen. Auch pastellfarbene Akzente sind des Öfteren auszumachen – aber solche Geräte kann man ja auch zur Not in die Schränke stellen, wenn Besuch kommt. Herde mit Induktionskochfeldern wirken sowieso edel, je teurer sie sind.
„Ein sachliches Gesamtdesign hat neben den praktischen Gründen auch immer eine fraglose Gültigkeit“, ergänzt Mangels. „Schlichte Formensprache ist zeitlos. Der stolze Inhaber kann die Küche jahrelang ansehen und sieht sich auch nicht an ihr satt. Und die uns so vertrauten Gebrauchsspuren hinterlässt der Alltag automatisch“. So werden Küchenkräuter aufgestellt, dekorative Schalen hingestellt, Kochbücher deponiert. Mit der Zeit sammeln sich allerlei Accessoires, die eine Küche wohnlich und gemütlich machen.
Und das ist genau der Punkt: Moderne Küchen müssen aufgeräumt und fast schon klinisch sauber sein, die Hochglanzfronten müssen glänzen, damit die Schlichtheit in ihrer ganzen Schönheit überhaupt so wirken kann, wie es gemeint ist. Was nutzt ein teurer Induktionsherd, wenn das Kochfeld nicht gepflegt wird? In einem Familienalltag sammelt sich eine Menge auf freien Flächen an, und niemals sieht es in dem Raum so aus wie in dem Traum, aus dem heraus die Küche gekauft wurde. In modernen Küchen mit verdeckten Griffen und Hochglanzfronten ist kein Platz für Kinderspielzeug, Hausaufgabenhefte und Schulbücher, ohne dass die Küche aussieht wie ein Spiegel innerer Zerrissenheit. Was die alten unmodernen Küchen noch gemütlich und heimelig wirken ließ, setzt in den modernen Küchen Bewohner und Besucher unter disharmonischem Stress. Denn es fehlt nicht nur die Zeit zum Kochen, sondern erst recht die Zeit zum ständigen Putzen und Aufräumen. Dann lieber eine nicht ganz so tolle Küche, die aber den unbezahlbaren Vorteil bietet, für alle ein Anlaufpunkt im eigenen Zuhause zu sein.