Es ist daher zunächst notwendig bzw. sinnvoll, entweder a priori Kundenkontaktsituationen zu definieren, zu bzw. in denen dann alle Aktionen und Reaktionen festgehalten werden, oder auf eine Entdeckungsreise zu gehen, welche Kontaktpunkte überhaupt existieren, um von dort aus dann ihre Relevanz für Kunden und Unternehmen festzuhalten.
Die hauptsächlich genutzten Analysewege von Touchpoints sind:
In Befragungen von oder Workshops mit Mitarbeitern lassen sich Situationen durchspielen, in denen Mitarbeiter verschiedener Abteilungen nach Vorgabe einer konkreten Situation die Probleme der Kunden, bekannt aus Hotline, Beschwerdemanagement, Fragen & Antworten, Kundendienst, Reparaturbetrieb benennen. Johanna Archutowski hat bei Rittal unternehmensinterne online-basierte Communities genutzt, um Touchpoint-Erfahrungen und -Optimierungen austauschen zu lassen. Funktioniert prima. Lässt man Mitarbeiter hingegen in einem häufig vorgeschalteten Schritt relevante Touchpoints der Customer Journey benennen, hat dies Grenzen. Christoph Spengler und Bianca Oehl von Accelerom weisen darauf hin, dass der Abgleich der Betriebssicht mit der Kundensicht (Outside-In) oft ernüchternd ist, weshalb das Mappen von Customer Journeys nicht mehr als eine Sensibilisierungsübung sein kann. Durchschnittlich werden nur sechs der zehn für die Kunden wichtigsten Touchpoints richtig erraten. Die Reihenfolge stimmt bis dato nie. „Das ist, als hätten wir bislang Lotto gespielt!“, kommentierte ein CEO einst in einem Workshop das Ergebnis der Touchpoint-Analyse locker.
Es hat sich bewährt, eine Ausgangssituation zu definieren und einen Zielgruppenvertreter (auch Persona genannt) zu bestimmen. So hat das Beatrice Rech bei Unitymedia gemacht und Führungskräfte im eigenen Unternehmen als freiwillige Teilnehmer gesucht, damit diese typische Situationen an relevanten Kontaktpunkten live erleben. Beispielsweise auf der Website einen Vertrag abschließen oder das Paket mit zur Selbstinstallation entgegennehmen und anschließen. Katharina Büeler hat Führungskräfte der Schweizer Bundesbahn auf Bahnfahrten geschickt, um bspw. Reisen mit sperrigen Gegenständen einmal selbst zu erleben. Der Vorteil der Methode: Führungskräfte erleben ‚Pain Points‘ wie auch ‚Glücksmomente‘ hautnah.
Man kann Touchpoints aber auch durch digitales Beobachten identifizieren. Die Analysen von Blogs, Portalen und Foren bieten Inhalte für die Identifizierung von Akteuren und besonders von Meinungsführern, Themen und Produkten bzw. die Analyse von Marken – auch ein Abschneiden gegenüber dem Wettbewerb. Oliver Tabino, Q | Agentur für Forschung GmbH, hat ein Praxisbeispiel aus der Pharmaforschung beschrieben: „Welche (digitalen) Touchpoints nutzen unterschiedliche Zielgruppen, um sich über das Krankheitsbild, die Indikation und die Behandlungsmöglichkeiten chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn zu informieren oder auszutauschen?“ Tabino erläutert: „Die hierbei angewandten quantitativ-strukturellen und qualitativen Analysen ermöglichen auf der einen Seite einen umfassenden Blick auf die Landkarte der Touchpoints als eine Art themenspezifisches Touchpoint-Universum. Auf der anderen Seite machen sie die tiefgehende Untersuchung einzelner Touchpoints bis hin zu Influencer- und Themenanalysen möglich, die weit über eine automatisierte Sentimentbestimmung (positive vs. negative Nennungen) hinausgehen.“
Offline Beobachtungen, z.B. im Handel, kombiniert mit Kundenbefragungen sind umfangreicher und zeit- und kostenintensiver. So lassen sich die „Kundenreisen“ in einer Filiale durch einen Interviewer verfolgen, der alle Stopps und die dortige Verweildauer aufzeichnet. Nach Verlassen der Filiale kann der Kunde nach den Vorgaben eines Kontaktplanes zu seinen Stopps befragt werden. Interessant ist nicht nur, welche „Haltepunkte“ der Kunde noch erinnert, sondern auch, warum er welche Wege (nicht) gelaufen ist. In einem digitalen Blueprint erinnerter Haltepunkte können bspw. auch die Motive für einzelne (Nicht-) Einkäufe und die Emotionen an den Haltepunkten erfragt werden. Mit diesem Verfahren können Kundenreisen z.B. in großen Bankfilialen, Autohäusern und Elektro(nik)märkten analysiert werden. In großen Anlagen wie Zoos oder Parks können GPS-Geräte eingesetzt werden, wie Andreas Czaplicki, uniQma, am Beispiel des Leipziger Zoos schildert.
Christoph Spengler und Bianca Oehl von Accelerom erfassen für ihre Auftraggeber die Customer Journey aus Endkundensicht mittels Marktforschung (Online-Befragung), wie in Abbildung 1. gezeigt. Sie bedienen sich dafür eines fünfstufigen Journey-Modells, um die Relevanz einzelner Touchpoints während unterschiedlicher Phasen darzustellen: Der Touchpoint ¯Webseite Anbieter° ist für die hier gezeigte Zielgruppe am wichtigsten in der Consideration-Phase (siehe Abb. 1). Das heißt aber nicht, dass nach der Nutzung dieses Touchpoints kein Weg zurück mehr besteht in die Awareness-Phase: Womöglich wird das Bedürfnis, dem diese Kundenreise folgt, kurzfristig von einem wichtigeren Anliegen verdrängt. Durch einen erneuten Impuls eines reichweitenstarken Touchpoints, wie z.B. Werbung Plakat, wird der Kunde wieder animiert, seine Reise fortzusetzen.
Franz Penka, Internationales Marketing, IIC INTERSPORT International Corporation beschreibt das Vorgehen wie folgt: „Nach der richtigen Kundensegmentierung wollen wir zuerst die Customer Journey unserer unterschiedlichen Zielgruppen ganz genau verstehen. Dieses vertiefte Kundenwissen hilft uns, die Kundenorientierung im kompletten Unternehmen zu stärken. Durch diese Erkenntnisse ändert sich die komplette Arbeitsweise im Marketing und Vertrieb: Wir können so viel zielstrebiger, vom Markt kommend, agieren.“
Ein anderer denkbarer Ansatz, um direktes Kundenfeedback zu erhalten, ist das Set-up einer Online-Community. Darin wird die Markenwahrnehmung herausgearbeitet und analysiert, sowie welche Kontaktpunkte diese Wahrnehmung im Speziellen prägen. Sonja Dlugosch, sd vybrant GmbH, zeigt am Beispiel der Commerzbank, wie eine solche Community aufgesetzt und gesteuert werden. Hierbei empfiehlt es sich, die in den Artikulationen enthaltenen Missstände direkt mit Verbesserungsvorschlägen anzureichern (Gründe für die Unzufriedenheit inkl. Lösungsvorschlägen) und Schilderungen der Mitarbeiter zum Ablauf eines Kontaktpunktes, die Eindrücke der Kunden bzw. der Beobachtungen entgegenzusetzen et vice versa. Die Schilderungen aus Mitarbeitersicht enthalten die wahrgenommene Ist-Situation und oftmals auch die enthaltenen Unzulänglichkeiten – die aber im täglichen Arbeitsablauf zumeist nicht gemeldet werden, weil Mitarbeiter eher demotiviert werden, über ihre eigene Zuständigkeit hinaus zu denken und zu handeln.
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